Lyngbybeile

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Lyngbybeile

Beitragvon nemetus » 07.02.2020 11:58

Hallo zusammen,
ich beschäftige mich gerade mit der Herstellung von Lynbybeilen und habe festgestellt, dass je nachdem wie die Geweihstangen vom Rentier gewachsen bzw. geschwungen sind sie mehr oder weniger (bis schlecht) gut in der Hand liegen bzw. zu führen sind. Deshalb hier meine Frage:
Gibt es Untersuchungen oder Informationen darüber ob diese Beile nur aus linken Geweihstangen der männlichen Tiere hergestellt wurden?
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Re: Lynbybeile

Beitragvon ulfr » 07.02.2020 12:11

Alles was ich kenne ist ein Aufsatz von Childe in Antiquity von 1942, aber ob dort was zur Herstellung steht weiß ich nicht.
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Re: Lynbybeile

Beitragvon Blattspitze » 07.02.2020 12:22

Aus beiden Geweihseiten sind m.W. "Lyngbybeile" hergestellt worden, am Fundplatz Stellmoor (Ahrensburger Schichten) gab es, meine ich aus der Erinnerung, nur geringfügig mehr von einer Schädelseite. Häufig waren Schlagspuren auf der Rückseite gegenüber der Schneide, so dass man über ein Werkzeug zum Spalten von Holz nachgedacht hat.
Ob es sich bei entsprechend bearbeiteten Rengeweihstücken tatsächlich immer um "Beile" in unserem Werkzeug-Sinn handelt, ist schon mal umstritten. Ingo Clausen hat vor einigen Jahren aufgrund bestimmter Polituren und für Beilnutzung unpassender Winkel für einen Einzelfund aus S.-H. eine andere Interpretation (Zeltverschluss???) veröffentlicht, muss ich morgen nochmal nachgucken ...
Die Gemeinde hat ihr Wappen nach dem Fund angepasst:
https://efi2.schleswig-holstein.de/wr/w ... att&ID=771
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Re: Lynbybeile

Beitragvon ulfr » 07.02.2020 12:35

Im Childe steht nix über Herstellung, es gibt aber Parallelen zu Streitkeulen nordamerikanischer Ureinwohner ...
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Re: Lynbybeile

Beitragvon Trebron » 07.02.2020 12:55

Blattspitze hat geschrieben:......... Ingo Clausen hat vor einigen Jahren aufgrund bestimmter Polituren und für Beilnutzung unpassender Winkel für einen Einzelfund aus S.-H. eine andere Interpretation (Zeltverschluss???) veröffentlicht, muss ich morgen nochmal nachgucken ...
Die Gemeinde hat ihr Wappen nach dem Fund angepasst:
https://efi2.schleswig-holstein.de/wr/w ... att&ID=771


Wäre ga nicht dumm, der Zeltverschuß ist ja innen, wenn ich drin bin ! Wenn nach dem Öffnen jemmand unliebsames draußen steht, habe ich die "Hausordnung" gleich in der Hand um es ihm über die Rübe zu ziehen ! :10:
Nur mal ganz praktisch gedacht !

Ich habe eine Ren-Geweihstange, mal schauen, ob die Sprossen passen !

:mammut2:
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon ulfr » 07.02.2020 15:20

Ich hab nochmal den Titel korrigiert - Lyngby heißen die Teile.
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon nemetus » 07.02.2020 16:51

ulfr hat geschrieben:Ich hab nochmal den Titel korrigiert - Lyngby heißen die Teile.
ULFR

Hatte ich schon gemerkt,ich wußte nur nicht wie ich das selbst hinbekomme.Danke!
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Re: Lynbybeile

Beitragvon nemetus » 07.02.2020 17:00

Blattspitze hat geschrieben:Aus beiden Geweihseiten sind m.W. "Lyngbybeile" hergestellt worden, am Fundplatz Stellmoor (Ahrensburger Schichten) gab es, meine ich aus der Erinnerung, nur geringfügig mehr von einer Schädelseite. Häufig waren Schlagspuren auf der Rückseite gegenüber der Schneide, so dass man über ein Werkzeug zum Spalten von Holz nachgedacht hat.
Ob es sich bei entsprechend bearbeiteten Rengeweihstücken tatsächlich immer um "Beile" in unserem Werkzeug-Sinn handelt, ist schon mal umstritten. Ingo Clausen hat vor einigen Jahren aufgrund bestimmter Polituren und für Beilnutzung unpassender Winkel für einen Einzelfund aus S.-H. eine andere Interpretation (Zeltverschluss???) veröffentlicht, muss ich morgen nochmal nachgucken ...
Die Gemeinde hat ihr Wappen nach dem Fund angepasst:
https://efi2.schleswig-holstein.de/wr/w ... att&ID=771

Danke für die Info, ich denke diese Beile waren eher zum Zerlegen oder Töten der angeschossenen Beute benutzt worden als zum Holz bearbeiten.
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Re: Lynbybeile

Beitragvon nemetus » 07.02.2020 17:05

ulfr hat geschrieben:Alles was ich kenne ist ein Aufsatz von Childe in Antiquity von 1942, aber ob dort was zur Herstellung steht weiß ich nicht.

Danke,ich muß mal sehen wo ich den Artikel finde.
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon ulfr » 08.02.2020 10:00

Zur Herstellung steht nichts drin, schrieb ich oben schon. Ist sowieso recht mager, der Artikel, und ziemlich betagt obendrein.
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Re: Lynbybeile

Beitragvon nemetus » 08.02.2020 10:47

ulfr hat geschrieben:Im Childe steht nix über Herstellung, es gibt aber Parallelen zu Streitkeulen nordamerikanischer Ureinwohner ...

Danke. Das Beste wird wohl sein wenn ich mir die Originale mal genauer anschaue. Weiss jemand wo die nach dem Krieg abgeblieben sind. Evtl. in Hamburg? Oder sind sie in den Kriegswirren verschollen?
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon Blattspitze » 11.02.2020 09:32

nemetus hat geschrieben:Das Beste wird wohl sein wenn ich mir die Originale mal genauer anschaue. Weiss jemand wo die nach dem Krieg abgeblieben sind. Evtl. in Hamburg? Oder sind sie in den Kriegswirren verschollen?

Die Stücke befinden sich in Schleswig (wenige in der Ausstellung, der größte Teil im Magazin) und werden z.Zt. oder wurden vor kurzem erneut detailliert untersucht, Ergebnis ist wohl noch nicht publiziert.
Die Interpretation als Waffe zur Jagd u.a. war schon die erste vom damaligen Ausgräber A. Rust. Seine alte Publikation (Rust, Alfred: Die alt- und mittelsteinzeitlichen Funde von Stellmoor. Wachholtz Vlg. Neumünster 1943) ist sehr detailliert mit vielen Fotos, die solltest Du Dir erst einmal anschauen ...
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon ulfr » 11.02.2020 09:40

Ich glaube eher an Holzspalten, denn an den in Schleswig ausgestellten Exemplaren - vor allem bei einem - sind die Schlagmarken auf dem Rücken gegenüber der Schneide sehr ausgeprägt.
Ich bezweifle, dass solch ein Beil zur Jagd geeignet ist - wozu sollte man einem mit Pfeil und Bogen erlegten Rentier noch den Schädel einschlagen? Gibt es dafür überhaupt Anzeichen an den gefundenen Knochen?
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon nemetus » 14.02.2020 10:19

Blattspitze hat geschrieben:
nemetus hat geschrieben:Das Beste wird wohl sein wenn ich mir die Originale mal genauer anschaue. Weiss jemand wo die nach dem Krieg abgeblieben sind. Evtl. in Hamburg? Oder sind sie in den Kriegswirren verschollen?

Die Stücke befinden sich in Schleswig (wenige in der Ausstellung, der größte Teil im Magazin) und werden z.Zt. oder wurden vor kurzem erneut detailliert untersucht, Ergebnis ist wohl noch nicht publiziert.
Die Interpretation als Waffe zur Jagd u.a. war schon die erste vom damaligen Ausgräber A. Rust. Seine alte Publikation (Rust, Alfred: Die alt- und mittelsteinzeitlichen Funde von Stellmoor. Wachholtz Vlg. Neumünster 1943) ist sehr detailliert mit vielen Fotos, die solltest Du Dir erst einmal anschauen ...

Vielen Dank, die muss ich mir mal besorgen.
Es ist auffällig, dass gerade an einem "Schlachtplatz" so viele dieser Beile gefunden wurden. Vielleicht dienten Sie mehr dem Zerlegen der Beute und nicht dem eigentlichen Töten/Erschlagen.Andererseits stellt sich die Frage wie viel Holz /Bäume sind zu der Zeit in Stellmoor überhaupt gewachsen und welchen Bedarf an Holz hatten die damaligen Jäger?
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Re: Lyngbybeile

Beitragvon nemetus » 14.02.2020 10:43

ulfr hat geschrieben:Ich glaube eher an Holzspalten, denn an den in Schleswig ausgestellten Exemplaren - vor allem bei einem - sind die Schlagmarken auf dem Rücken gegenüber der Schneide sehr ausgeprägt.
Ich bezweifle, dass solch ein Beil zur Jagd geeignet ist - wozu sollte man einem mit Pfeil und Bogen erlegten Rentier noch den Schädel einschlagen? Gibt es dafür überhaupt Anzeichen an den gefundenen Knochen?

Das müssten dann aber eher dünne Stämme gewesen sein, denn wenn man das Beil in den Stamm treibt ist einem sehr schnell der geschwungene "Schaft" im Weg und wirkt wie ein Anschlag wenn er nicht genau in den Spalt passt. Die Schlagmarken könnten auch beim Zerlegen einen Wirbelsäule oder dem Abtrennen der Beine entstanden sein. Da macht es auch Sinn wenn man das Beil am Gelenk oder zwischen den Wirbeln ansetzt und mit einem "Hammer" durchtreibt. Es wäre wirklich Interessant die Knochen vom Stellmoor daraufhin zu untersuchen.
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