von ulfr » 02.12.2018 10:51
Es ist schwierig, den Text ohne Gyldendal zu übersetzen, weil er doch ziemlich komplex ist - Kurzfassung in etwa:
Der Wikingerexperte Prof. Sindbaek bezeichnet die Ausstellung des Designers als flott, aber geprägt durch geschichtslose Anziehpuppen (die Älteren unter uns werden sich erinnern: es gab früher Papierpuppen, deren Kleider man wechseln konnte). Er bemängelt, dass Ausstellungen zunehmend kommerziell werden, wobei die Wissenschaftlichkeit zugunsten von plakativen Sensationen mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Die Puppen - eben rocker-artig tätowierte Gestalten mit Hipsterfrisuren und absurden Bärten - würden das Interesse der Besucher von den Originalfunden ablenken, und die Fotos stellten Figuren dar, die so damals sicher nie in Dänemark herumgelaufen sind.
Das Nationalmuseum kontert, dass es damit gerade doch den Besucher zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit den archäologischen Fakten anregen will, und bezeichnet die Ausstellung als Experiment, der eine große neue Wikingerausstellung mit größerem Budget folgen soll. Die Fotos wären eben keine Rekonstruktionen, sondern eher Phantasien des Designers bzw. Fotografen. Archäologie wäre eben keine exakte Wissenschaft, sondern immer Interpretation. Sie würden mit diesem Experiment dem kreativen freien Denken Raum geben.
Da frag ich mich denn aber doch, was beim Besucher hängenbleibt - ob er versteht, dass er Teil eines Prozesses sein soll (meine Rede, und W. Benjamin hat es schon in den 30ern formuliert: "Nicht gelehrter sollen die Besucher eine Ausstellung verlassen, sondern gewitzter.") Ich bezweifle, dass es bei Otto und Ottilie Normalbesucher einen kreativen Denkprozess auslöst, wenn ihm nun auch noch im Museum - einer (vermeintlichen) Stätte der Authentizität - Bilder vermittelt werden, die er im Kommerzfernsehen oder der X-Box jeden Tag vorgesetzt bekommt. Wieder einmal spiegelt die Konstruktion der Vergangenheit die rezente Wirklichkeit wider - vor 120, vor 80, vor 40 Jahren haben Wikingerbilder nicht so ausgesehen wie Lyngvilds Phantastereien - solche Typen laufen eher im heutigen Kopenhagen rum.
Und ich persönlich ertrage diese mystifizierenden Szenerien, in denen es dunkel ist wie in einem Bärenhintern, nicht mehr - das ist was für Gruselkabinette oder Geisterbahnen.
Meine zwei øre.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️