von FlintSource » 29.10.2015 00:06
So wie es jetzt aussieht, werde ich wegen Schwerpunktverschiebung wohl nicht mehr dazu kommen dieses Feld zu beackern, also kann ich das genauso gut hier in der Öffentlichkeit beantworten. In der Dresdener Elbtalweitung (bandkeramisch eigentlich zu Böhmen gehörend) hocke ich hier am Rande der nordeuropäischen Tiefebene und die Feuersteinlinie verläuft durch das Stadtgebiet, somit is die Versorgung mit nordischem Flint lokal möglich. Zudem sitze ich hier ‚on the fringe‘ was Verbreitung der Bandkeramik angeht (nach [Nord-]Osten klafft eine riesige Lücke), aber auch am Rande der Arbeitsgebieten der Bearbeiter von Silexrohmaterialien in Mitteleuropa (Zimmermann, Mateiciucová). Anhand einiger Bilder zeige ich dann, welche schönen, gut erkennbaren südlichen Rohmaterialien in Sachsen in der LBK gefunden werden. Und dass es andererseits viele Varietäten von Geschiebeflint gibt (FlintSource, Link), von denen wir teilweise überhaupt keine Idee haben, ob sie lokal vorkommen und wie es mit der Verteilung von verschiedenen Flintarten in den unterschiedlichen Moränen steht. Es kann durchaus sein (ich habe sogar den starken Verdacht), dass es ‚Importen‘ aus dem Norden gibt, die sich von den lokal vorkommenden unterscheiden, aber wenn wir
a) keine Bestimmungskriterien haben und
b) die Verteilung der Rohmaterialien in freier Wildbahn nicht kennen,
wir auf dem nach Norden schauenden Auge blind sind. Dies ist umso bedauerlicher, weil es aus der Arbeit von Mateiciucová (2008) klar wird, dass sich speziell am Ende der LBK/SBK eine Umkehrung von den Rohmaterialströmen in CZ gibt und dort verstärkt nordischer Flint verwendet wird, wobei es die Frage ist, woher das Zeug genau kommt. In einem kleinen Zwischenspiel zeige ich dann noch, dass das Importmaterial aus Skršin (mal wieder in die Kerbe von überflüssigem Import hauend, es gibt lokal ausreichend Rohmaterial) jedoch sehr wohl sehr anders behandelt wird und somit einen weiteren Hinweis gibt, dass Feuerstein-‚Austausch‘ deutlich andere Gründe hat als technische/ökonomische Notwendigkeit. Damit ist die Verwendung ‚exotischer‘ Rohmaterialien also eher ein Zeichen von Gruppen-Zugehörigkeit (also Network in sozialem Bezug) als von Rohmaterialbeschaffung im engeren Sinne. Der Abschluss ist dann ein Plädoyer für Zusammenführung von Daten und, Thema dieses Threads, Inventarisierung von Geschiebeflint.
T. Link, Die linien- und stichbandkeramische Siedlung von Dresden-Prohlis: eine Fallstudie zum Kulturwandel in der Region der oberen Elbe um 5000 v. Chr. Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie Sachsen 60 (Dresden 2014). (In 2011 die noch unveröffentlichte Fassung der Diss von Thomas Link von 2010)
I. Mateiciucová, Talking stones. The chipped stone industry in Lower Austria and Moravia and the beginnings of the Neolithic in Central Europe (LBK), 5700 - 4900 BC. Dissertationes archaeologicae Brunenses Pragensesque 4 (Brno 2008).
A. Zimmermann, Austauschsysteme von Silexartefakten in der Bandkeramik Mitteleuropas. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 26 (Bonn 1995).
Der Band, in dem der Beitrag hätte erscheinen sollen, mit den Ergebnissen des Workshops ‚Connecting Networks: Characterising Contact by Measuring Lithic Exchange in the European Neolithic‘ kann hier bestellt werden: [url]www.archaeopress.com/Public/displayProductDetail.asp?id={1C2357F3-6C4C-4D71-8DFE-7B93B6EA377A}[/url] und es gibt sogar eine freundlich gepreiste PDF-Ausgabe.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner