von FlintSource » 17.09.2015 20:43
Ha, immer schön, wenn sich Koautoren in aller Öffentlichkeit fetzen! Die ersten Ergebnisse zu dem Wässerungsexperiment sind in der vergangenen Woche auf der Tagung ‚On the Rocks‘ in Barcelona vorgestellt worden, wo der Ansatz auf reges Interesse gestoßen ist. Jetzt muss das Ganze für die Proceedings bis Februar schriftlich umgesetzt werden und wird dann Open Access in dem Journal of Lithic Studies veröffentlicht (wenn wir durchs peer review kommen, aber da habe ich gute Hoffnung).
Modell I ist tatsächlich der Vorgang, der von den meisten Flintschlägern vermutet wird. Dazu etwas Text aus der ersten groben Fassung des Artikels mit zwei Zitaten von nicht unbekannten Flintschlägern:
Two possibilities how water content could affect the workability of flint are suggested
1. By filling pores fracture transmission is improved: “As mentioned above, maintaining the moisture content of this raw flint may aid somewhat in its workability by filling in any open spaces in the microcrystalline structure of the material, which will aid somewhat in shock transmission.”(Waldorf 2014, 38). In spite of noting no difference between old and fresh flint Crabtree (1967, 14) also writes: ”…freshly mined saturated flint would have additional strength because the water filled voids between the microcrystals would then transmit the force from one microcrystal to the next and prevent compression of the flint, thus dampening the force. Less force would then be required to detach a flake in freshly mined flint than in untreated, dehydrated flint.”
2. In the presence of water the cut Si-O bonds that are formed during fracturing are transformed to Si-O-H (silanole) bonds, a mechanism described for the fracturing of glass (Michalske/Bunker 1987) “It is likely also that the presence of water in the flint aids fracture development since the development of a fracture in the silica leaves free Si-bonds, which will tend to rejoin and limit fracture propagation (Fig. 32.4). In the presence of water however, the free Si-bonds can become hydroxylated (Fig. 32.5) and the crack progresses freely.” (Sieveking/Clayton 1986, 288), a mechanism also mentioned by Luedtke (1992, 89).
Das von Kai vorgeschlagene Modell mit Quellung und Aufnahme von Wasser im Kristallgitter widerspricht meinen Bauchgefühlen, weil dann der Flint in trockenem Zustand irgendwie völlig außer Gleichgewicht sein sollte. Ich spüre hier auch noch im Hintergrund die alte und mittlerweile widerlegte Annahme, dass Flint sich aus in Hohlräumen abgelagerten Silikagels formen würde und es somit eine Reversion zu dem ursprünglichen gallertartigen Zustand geben könnte. Deshalb auch meine recht vehemente Abneigung gegen irgendwelche Quellung von Feuerstein. Eine Überprüfung mittels 3D-Scans ist leider nicht trivial, weil die meisten Flintarten leicht transparent sind und somit völlig ungeeignet für optische Aufnahmeverfahren. Wir könnten es aber mal versuchen mit einem Stück cortexfreien Falster-Flint. Wenn ich ein Stück von etwa 500 Gramm bekomme, also etwas wie eine verworfene Vorarbeit für ein kleines Beil, können wir mal versuchen das Stück völlig auszutrocknen bei 103° und anschließend wieder zu wässern mit Vergleichsscans vorher, nach dem Trocknen und nach dem Wässern. Wer weiß, von Wasseraufnahme durch Flint habe ich vorher auch nicht viel gehalten. Es wird aber extrem knapp mit der Präzision, das Volume von 500 gr Flint sind ca. 190 ml und mein Standardprogramm misst nur in ganzen ml, aber vielleicht finde ich da noch eine andere Möglichkeit. Länge, Breite, Dicke sind auf ein Zehntel mm genau und über CloudCompare sollte auch noch etwas möglich sein im niedrigen sub-millimeter Bereich. Größere Flint-Stücke sind auch keine Lösung, weil meine Laborwaage nur bis 600 gr geht.
Und was Überprüfung der Bearbeitbarkeit angeht, da gibt es so ein Aufsatz und Gerät von Kelterborn (Kelterborn 2003), das man verwenden müsste. In Barcelona gab es auch eine Session zu ‚mechanical devices for testing material performances‘, der aber parallel zu der Session ‚experimental flintknapping‘ lag, wo ich das Wässerungsexperiment vorgestellt habe. Also da müssten wir die Proceedings abwarten.
Crabtree 1967: D.E. Crabtree, Notes on experiments in flintknapping: 3. The Flintknapper’s raw materials. Tebiwa 10/1, 1967, 8–24.
Kelterborn 2003: P. Kelterborn, Measurable flintknapping. Exp. Archäol. Eur. Bilanz 2002 1, 2003, 35–49.
Luedtke 1992: B.E. Luedtke, An archaeologist’s guide to Chert and Flint. Institute of Archaeology, University of California, Los Angeles, Archaeological Research Tools 7 (Los Angeles 1992).
Michalske/Bunker 1987: T.A. Michalske/B.C. Bunker, The fracturing of glass. Sci. Am. 257/6, 1987, 122–129.
Sieveking/Clayton 1986: G. de G. Sieveking/C.J. Clayton, Frost shatter and the structure of frozen flint. In: G. de G. Sieveking/M.B. Hart (Hrsg.) The Scientific Study of Flint and Chert. Proceedings of the Fourth International Flint Symposium (Cambridge 1986) 283–290.
Waldorf 2014: D.C. Waldorf, Heligoland flint from a knapper’s perspective. Siedl.- Küstenforschung Im Südl. Nord. 37, 2014, 33–44.
Edit: So lange herumgeschrieben und zwischendurch auch noch etwas gegessen, sodass ich Ulfrs Post noch nicht gesehen hatte. Schmiermittel ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber der Effekt is in etwa der gleiche wie bei der oben erwähnten Hydroxylierung.
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FlintSource am 17.09.2015 23:13, insgesamt 1-mal geändert.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner