von Blattspitze » 15.09.2015 18:14
Danke Turms, für den link. Die Formulierung Demandts "Die Tatsache, dass die Flüchtlinge unbewaffnet kommen, macht das Ganze viel schwieriger" ist tatsächlich ein dicker Hund. Beim Spengler bezieht er sich aber nicht auf den berühmten "Untergang ..." sondern auf eine viel spätere Arbeit. Ob das reicht, ihn als Pegida -Sympathisant zu markieren?
Hochinteressant, die beiden Interviews zu vergleichen.
Einerseits der ältere, bereits im Ruhestand befindliche Prof., der wenig zu verlieren hat und andererseits der junge Forscher mit modernen Ansätzen, der noch Prof. werden will. Demandt kürzer (und mündl.?) interviewt, Scholl mit ausformulierten schriftlichen Antworten auf einem "Fragebogen".
Demandt hält Teilaspekte für durchaus mit der heutigen Situation vergleichbar, Scholl ist viel vorsichtiger und sieht historische Parallelen als zunächst "per se anachronistisch".
Demandt benennt im Interview keine konkrete Definition einer "Völkerwanderung", bei Scholl ist der Begriff bereits "irreführend", es muss dafür ein "ganzes" Volk wandern, wobei der Begriff dann weder für damals noch für heute zutreffen würde. Grundsätzlich sieht Scholl Migrationsbewegungen als historischen Normalzustand an, er verfolgt den "transkulturellen" Geschichtsansatz, der betonen soll, dass "Kulturen oder Völker" gar keine homogenen Verbände sind, sondern eher "Hybride" und "Prozesse", die im ständigen Wechsel und Austausch begriffen sind. Er weist darauf hin, dass die hist. Quellen ausschließlich aus römischer Sicht berichten, es gäbe keine Quellen der Migranten selbst (Gibt es da keine archäologischen Quellen?).
Fazit: "Aus der Geschichte lernen?" nach dem Lesen beider Interviews:
Demandt, der das ganze statischer und mehr hinsichtlich religiöser Aspekte betrachtet, warnt, dass der Staat unbedingt eine säkulare Organisation bleiben soll, schließlich musste der römische Kaiser dann doch "zu Kreuze kriechen", und da gings mit Rom ja schon bergab.
Scholl will mit dem Hinweis, dass Migration und Wandel normal ist, und das Migranten nur in Ausnahmefällen die Herrschaft in den Zielländern übernommen haben, beruhigen. Er sieht die Gefahr und die Lehre woanders: Der direkte Vergleich mit dem 5. Jahrhundert beschwört eine vermeintliche zukünftige Herrschaft der Migranten, wie es der rechts orientierte, äh ... "Weert Gilders" 2011 mit einem Völkerwanderungsvergleich schon einmal getan hat. Damit ist seiner Ansicht nach der Begriff "Völkerwanderung" "hochproblematisch" und sollte nicht auf tagesaktuelle Themen angewendet werden.
"Der Jammer mit den Weltverbesserern ist, daß sie nicht bei sich selber anfangen." Mark Twain