Ich finde den Spiegel-Artikel jetzt gar nicht soo "schmierfinkig", da gabs schon viel Schlimmeres. Und was die Kommentare angeht: am Steg stehen immer die besten Steuerleute! Auch wenn wir von öffentlichen Steinigungen denn doch noch weit entfernt sind ... (hoffentlich)
Den Wert dieses Auftritts sehe ich allerdings auch eher in der PR fürs Museum denn in der wissenschaftlichen Aussagekraft, wiewohl ich Toscas und Birtes Arbeit schätze, denn ich finde es schon wichtig, dass sich Studierende auch praktisch/haptisch mit ihrem Studienfach auseinandersetzen, und habe in dieser Richtung ja auch selbst schon viele Semester "unter meinen Fittichen" gehabt. Und ich habe mich ja auch schon mehrfach für Brüche in Geschichtsdarstellungen ausgesprochen.
Aber selbst wenn man wie in Oerlinghausen meint, die Steinzeit nicht seriös darstellen zu können, dann sollte man doch darauf achten, dass es nicht albern wird. Und da ist die Grenze schnell überschritten: Darsteller in Disco-Lederschnürjeans, die sich Hirschgeweih an den Bauhelm tackern, "Alle meine Entchen" singend durchs Museumsdorf laufen und mit Pfeil und Bogen auf Plüschbären schießen, tragen vielleicht zur Erheiterung der Besucher bei, aber ob jemand von denen etwas für das Geschichtsverständnis mit nachhause nimmt, sei dahingestellt. Mesolithikum re-enacten wollen und dann 1A-Schweinekamm Kilo 1,99 ausm Discounter auf den Grill hauen wird auch nicht unbedingt zur Bildung beitragen. Wenn schon, dann als echtes und auch als solches gekennzeichnetes Theater!! Mit ziemlichem Unbehagen beobachte ich seit einiger Zeit, dass vielen Museen das Geld ausgeht, dass die Besucherzahlen sinken und man sich zunehmend hektisch nach Attraktionen umsieht, die nichts kosten dürfen. Völlig klar, dass bei diesem ratrace seriöse Anbieter auf der Strecke bleiben, stattdessen zerlegen grunzende bemalte Schmerbäuche mit Runentattoos Schmalrehe vorm Keltenhaus - "Geil!!" Die Feuersteinklingen gibts bei ebay. Unser allseits verehrter Hugo sprach neulich gewohnt lästerlich von "Kulissen für zeitverschobenen Karneval"!
Ich befürchte, dass wir uns vergebens dem Trend entgegenstemmen; dass Qualität und Kompetenz nicht mehr gefragt und vielleicht mittlerweile oder in absehbarer Zeit gar nicht mehr möglich sind, wenn außerschulische Lernorte (junge) Menschen anziehen sollen, die sich abends Fernsehformate reinziehen, wo nackte Paare an Strand flirten oder sich Leute freiwillig in Situationen begeben, wo alle Hemmschranken fallen, Demütigung cool und der Ekel Programm ist.
Wenn also Hamburg im AÖZA Studierende an die Praxis ranführen will, warum nicht. Aber Ihr fragt zu Recht, ob Chromlederbikinis zur Wissensvermehrung beitragen oder eher Klischees zementieren, ob diskussionswürdige Steinzeit-Hausnachbauten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rauchbelastung überhaupt erlauben, auch wenn die Probanden high-tech-Messgeräte um den Hals tragen. Und wenn man Unterricht im Töpfern, Schuhemachen oder anderen prähistorischen Techniken geben will, dann sollte man sich kompetente "Ausbilder" einladen, auch wenn es finanziell schwerfällt. Am juristischen Seminar lehren auch keine Handschuhmacher ...