von Jürgen Weiner » 04.12.2010 15:55
Salve, Freunde in fuoco, salve gleichgesinnte Pyromanen!
Zitat Bruder John: "Ich habe gehoert das man Zuender vom Zuenderschwamm kochen muss in Urin von Pferde".
@Bruder John: In dieser Form ist das schlicht blanker Unsinn!
Freilich: Es wird ja - gerade in Internetforen, wie z.B. diesem hier - viel gesagt und geschrieben, aber stimmen muss das noch lange nicht. Also, überleg Dir gut, ob Du mir Glauben schenken willst. Das gilt natürlich auch für alle anderen Mitglieder...
Als weiteres Beispiel für dummes Gerede/Geschreibsel im Zusammenhang mit Schwammzunder sei die schon länger durch das Internet geisternde Behauptung angeführt, Fomes fomentarius (L.:Fr.) Fr. befände sich kurz vor dem Aussterben, stände deshalb "auf der Roten Liste", und man müsse mit drakonischen Strafen rechnen, wenn man Fomes von Bäumen entfernte.
Vor vielen jahren wurde ich das erste Mal mit Zunder(schwamm) in Verbindung mit Urin entweder bei Eskimo (?) oder Tschuktschen konfrontiert (Berichte früher Reisender).
Urkundlich bestens belegt in Form diverser Rezepturen ist die Verbesserung/Vergrösserung der Zünd- und Glimmfähigkeit von Zunderschwamm aus F. f. durch eine Behandlung mit Salpeter.
Und jeder, der einmal versucht hat, mit einem Schlagstahl-Feuerzeug unbehandelten Schwammzunder zum Glimmen zu bringen, weiss, warum diese améliorisation erforderlich war. Dass sie beim Feuermachen mit einem Schwefelkies-Feuerzeug NICHT erforderlich war und ist, hat Wulf ja schon zu recht erwähnt!
Wenn man nun weiss, dass Salpeterkristalle von den Salpeterern aus mit Tierurin getränkter Erde in Ställen "ausgelaugt" worden ist, dann kann eine vergleichbare Behandlung mit Menschenurin nicht weiter wundern. (Der meiste derart gewonnene Salpeter diente zur Schwarzpulverherstellung, ein Teil aber auch zur Zunderverbesserung.)
Vergleicht man aber die Erwähnungen einer Behandlung von Schwammzunder mit Salpeter mit jener mit Menschenurin, dann ist Letztere zu vernachlässigen. Hier aber noch ein Zitat i.d.S.
- Persoon,C.H., Traité sur les champignons comestibles contenant l´indication des espèces nuisibles (Belin-Leprieur, Paris 1819).
Danach vergruben Holzfäller in den Vogesen über eine bestimmte Zeit Zunderschwammscheiben (ganz sicher nur die Trama, na klar!) und tränkten sie mit Urin.
Vielleicht noch dies: Wer sich ernsthaft mit Feuermachen in allen Zeiten befasst oder befassen will, der kommt natürlich am "Zunder" nicht vorbei. Und wenn es um Schwammzunder geht, dann gehört gewiss die ja auch von Wulf bereits zitierte schöne Arbeit von Ursula Scholian aus dem Jahre 1996 zur Pflichtlekture.
Ich möchte aber unbedingt den Blick auf eine weitere Arbeit zu diesem Thema lenken, die ich die Freude hatte nicht nur zu iniziieren, sondern auch zur Publikation zu verhelfen im Rahmen einer während der späten 1980er Jahre noch möglichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Ausgangspunkt war meine damalige Frage, ob es in unserem Teil des Rheinlandes und damit auch der Eifel Fomes f. gibt oder nicht. Dieses Themas hat sich der Urgeschichtler H.-J. Fruth während einer zweijährigen AB-Maßnahme angenommen, die von der damaligen zuständigen Aussenstelle Zülpich des damaligen Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege (J. Weiner) betreut wurde. Ich habe Hermann-Josef seinerzeit meine gesamte Literatur zum Thema als Basis geliehen, und er hat 1991 ein eindrucksvolles Manuskript abgeliefert. Dies wurde später veröffentlicht, und hier ist das volle Zitat:
-Fruth,H.-J., Historische Feuererzeugung und frühe Waldrohstoffgewinnung. Rheinisch-Westfälische Zeitschrift für Volkskunde 38, 1993, 165-195. Die 104 Anmerkungen und die 156 in der Bibliographie aufgelisteten Arbeiten sprechen für sich. Dieser Aufsatz ist in der Literaturliste bei U. Scholian nicht aufgeführt.
Seit einiger Zeit gibt es noch eine wundschöne kleine, aber sehr, sehr feine Publikation, die sich ausschliesslich mit Schwammzunder befasst und ursprünglich als Begleitheft zu einer Wanderausstellung gedacht war:
- Roussel,B., Rapior,S., Masson,C.-L. & Boutié,P., L´Amadouvier. Grande et petite histoire d´un champignon. Supplément hors-série des Annales de la Société d´Horticulture et d´Histoire Naturelle de l´Hérault (Montpellier 2002). Mein Tipp: für € 10,00 (+ Porto) im Internet erhältlich; unbedingt kaufen!
Abschliessend noch eine weitere - jeglicher Grundlagen entbehrende - Behauptung zum Feuermachen: Das Feuerbohren sei die älteste Methode des Feuermachens. Quatsch mit Sosse! Wer sich hier ein wenig informieren möchte, dem sei folgende Absonderung ans Herz gelegt:
- Weiner,J., Friction vs. Percussion. Some Comments on Firemaking from Old Europe. Bulletin of Primitive Technology 26, 2003, 10-16.
Als das erschienen war, fand ich mein e-mail-Postfach einige Zeit verstopft von den vielen entrüsteten us-mails. Sicher, manchmal ist es eben schmerzhaft, sich von liebgewonnenen, aber schlicht falschen Kenntnissen/Gewohnheiten zu trennen.
Und nun wirklich endgültig: Nach wie vor ein Standardwerk zum Thema "Feuer" ist:
- Perlès,C., Préhistorie du feu (Masson, Paris 1977). Gleichermaßen empfehlenswert: Perlès,C., Preistoria del fuoco (Torino 1983).
Die ultimative Arbeit zum Thema liegt allerdings seit wenigen Jahren vor:
Roussel,B., La production du feu par percussion de la pierre. Préhistoire, Ethnographie, Expérimentation.Préhistoires 11 (Montagnac 2005).
Wenn hier grundsätzlich ein "Feuertröööööt" weitergeführt würde, dann würde mich das sehr freuen. Was meine Basis dafür wäre?
- Literaturdatei von momentan 932 Zitaten,
- 4 m Monographien, Zeitschriften u.ä. mit nahezu allen Standardwerken,
- mehrere 100 Artikel in kopierter Form
Herzliche Grüsse
Jürgen