Neuer Ertebøllefundplatz

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Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon ulfr » 12.02.2012 11:29

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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon FlintSource » 12.02.2012 23:57

Ulfr,
vielen Dank. Der Paddel ist sehr schön, speziell die wohl eingebrannten Verzierungen, viel interessanter finde ich jedoch den "skæftet hjortetaksøkse"! Anhand des einen Bildchens scheint es sich tatsächlich um einen meiner Lieblingen zu handeln, einen T-Axt. Wenn ich das richtig sehe ist das teil mit der abgetrennten Sprosse nach oben geschäftet. Und ich habe gerade das konische Schaftloch an meinen Replik mit der schmaleren Seite im Ansatz der Sprosse hergestellt!
Hoffentlich gibt es demnächst eine Fundmeldung yn æne für mich etwas einfåcher leserlichen Sprøche.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon ulfr » 13.02.2012 10:39

Ich kann Dir nicht folgen, Flintsource, was die Schäftung angeht, das Bild ist mir zu klein, um verlässliche Aussagen zu treffen. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn dieses Exemplar "andersrum" geschäftet wäre. Das wäre nicht nur der Stabilität der Schäftung abträglich, sondern würde sich auch von vielen (den meisten? allen?) Geweihäxten unterscheiden:

http://dykkerforum.dk/brugergallerier/6 ... MG0070.JPG

Aber warten wir die Publikation ab. Falls die auf dænish erscheint, hast Du eine Übersetzung bei mir gut :D
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 10:45

Sehr schön, danke Ulfr.
Hochinteressantes Paddel.
Im Museum in Schleswig war ich letztes Jahr überrascht, wieviele herzförmige Ertebölle-Paddel allein aus Schleswig-Holstein vorliegen. Aber die Verzierung ist interessant. Früher als Spaten interpretiert, derzeit als Paddel, ... vielleicht waren es doch Verkehrszeichen? Dieses könnte z.B.
vor einem Zebrastreifen gewarnt haben? :einbaum:

Bild
Tatsächlich Ulfr , das Bild ist etwas sparsam ...
Aus Niedersachsen gibt es auch einen T-Axt-Fund, bei dem das Sprossen-Loch eindeutig nach unten zur Handhabe orientiert war.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 11:01

Halt, ... gibt`s vielleicht doch so einen Fund, wie Rengert es vorschlägt? Guckt einmal, was der sicherlich nicht schlecht informierte T. L.-W. so rekonstruiert:
Bild
Quelle:
http://lebendigesteinzeit.de/repliken-l ... eller.html
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon ulfr » 13.02.2012 11:42

Wir wissen nicht, woher dieser junge Mann seine Informationen bezieht, meine Quellen sagen etwas anderes:

Jensen, G. 1991: Ubrugelige økser? Forsøg med Kongemose- og Ertebøllekulturens økser af hjortetak. In: Eksperimentel Arkæologi. Studier i teknologi og kultur nr. 1, HAF Lejre. 9-21

Andersen, S.H. 2001: Oldtiden i Danmark. Jægerstenalderen. 167

Was nicht heißen soll, dass ich die Wahrheit mit Knochenlöffeln inhaliert habe, ich lasse mich gern von etwas anderem überzeugen ... aber:

Wie gesagt entsteht die größte Belastung für den Schaft direkt unter der Geweihklinge, für mich und wohl auch viele Mesolithiker ein Grund mehr, dort die natürliche Verdickung durch die Eissprosse/Augsprosse zu platzieren. Diese Merkmal findet sich noch bei vielen (sub)modernen Stahläxten in Form eines nach unten verdickten Klingenkörpers.
Möglicherweise handelt es sich bei dem Neufund aber gar nicht um eine T-Axt, sondern um eine des älteren Typs, bei der gar keine Seitensprosse für das Schaftloch abgetrennt, sondern einfach die Geweihstange komplett durchbohrt wurde.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 13:09

Vor meinem geistigen Auge sehe auch immer die "Tülle" nach unten gerichtet, aber ...?

Ich guck heute abend nochmal nach, aber ich glaube, vom Dümmer stammt tatsächlich eine so geschäftete Geweihaxt (aus neolithischem Zusammenhang?).
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon ulfr » 13.02.2012 14:05

Jürgen Deichmüller, Eine Geweihaxt mit Flintbohrer aus der Siedlung Hüde I am Dümmer, Kr. Grafschaft Diepholz

im ArchKorrBl. 1974, hab ich aber nicht hier ...

Edith:

Damit unsere niederländischen Freunde auch mal was lesen können: :D

http://lib.ugent.be/fulltxt/RUG01/001/4 ... 001_AC.pdf

Bestimmt auch interessant, aber kostenpflichtig:

K. Riedel, K. Pohlmeyer und D. B. von Rautenfeld 2004: An examination of Stone Age/Bronze Age adzes and axes of red deer ( Cervus elaphus L.) antler from the Leine Valley, near Hannover. European Journal of Wildlife Research
Volume 50, Number 4, 197-206, DOI: 10.1007/s10344-004-0058-8
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 14:36

Juhuu Ulfr,
der Deichmüller-Artikel ist hochinteressant, weil es sich um ein Stück handelt, das den Herstellungsgang zeigt (Bohrer aus Klinge/Abschlag im halbdurchbohrten Loch abgebrochen und nicht mehr zu entfernen).
Ich meine aber eine Axt, die im Buch "Großsteingräber in Niedersachsen" (Schirnig, Hans (Hrsg.)) als Grabungsfoto in Originallage abgebildet ist.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon FlintSource » 13.02.2012 14:43

Danke, das kannte ich noch nicht, endlich mal wieder ein sprachlicher Heimvorteil. Ich bin so nebenbei bereits einige Wochen dabei Vergleichsmaterial für einen Bandkeramischen Fund zu sammeln. Insgesamt ziemlich Spannend, sowohl mesolithische als neolithische Fundstellen, wobei natürlich das Mittelneo und das nordische Spätmeso die reichsten Vorkommen haben.

Gronenborn geht sogar so weit die T-Äxte als mögliche mesolithische Kontaktfunde (so auch das Teil aus Dresden) in der LBK zu deuten: http://www.staff.uni-mainz.de/gronenbo/Gronenborn_2010_FS_Pavuk.pdf

Bei den Einbäumen aus Stralsund gab es auch ein recht kräftiges Exemplar: http://www.kulturwerte-mv.de/cms2/LAKD_prod/LAKD/content_downloads/Archaeologie_und_Denkmalpflege/2009/Kaute_Einbaeume44218.pdf

Diese Publikation, wird auch in der Masterarbeit aus Gent ausführlich zitiert, hätte ich auch gerne mal gelesen, diese Ausgabe ist jedoch leider noch nicht online: Crombé Ph., Van Strydonck M. & Hendrix V., 1999. AMS-dating of antler mattocks from the Schelde river in northern Belgium. Notae Praehistoricae, 19/1999 : 111-119.

Etwas abgelegen und mir auch erst kürzlich bekannt geworden ist eine Untersuchung aus dem Leinetal: http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/riedelk_ws03.pdf. Die 14C-Datierungen sind extrem problematisch. Ich vermute ganz stark, dass die Stücke bereits imprägniert waren mit knochenleim oder ähnliches. Das wird wohl die Basis sein für die von Ulfr zitierte Publikation übers Leinetal.

Das alles bringt uns jedoch nicht viel weiter mit der Schäftung. Ich schaue nachher mal ins Kondolenzblatt nach und auch bei den Geweihartefakten von Friesack und Dümmer, mir ist aber nichts präsent, dass da geschäftete Stücken bei waren.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 19:09

So ich hab`s geprüft, ist nicht in der genannten Publikation, sondern in:
Kampfmeyer, U. Der neolithische Siedlungsplatz Hüde I am Dümmer. In: Frühe Bauernkulturen in Niedersachsen. (Hrsg.Staatliches Museum) Oldenburg 1983, S119 - 134.

Bild
Allerdings ist die auf diesem Bild sichtbare geschäftete neol. Geweihaxt nicht so ganz eindeutig eine T-Axt, ...

Aber in der Arbeit von Riedel in Rengert`s letztem Post wird auf eine Arbeit über die Dümmer-Geweihäxt verwiesen, vielleicht gibt`s da mehr ... mal abgesehen davon, dass dort die Geweih-Kompaktastärken leider nicht vermessen wurden, finden sich dennoch viele interessante Infos:

"...WERNING (1983) aufgrund der Gebrauchsspurenanalyse von den in Hüde I am Dümmer
gefundenen T-Äxten..."

"...in der Spongiosa in Schneidennähe sowohl bei Rosen- als auch T-Äxten
Laubholzreste festgestellt daher Nachweis als Holzbearbeitungswerkzeuge ...

... durchschnittlichen Schaftlochdurchmessern zwischen 1,5 und 2,5 cm ...
Schaftholzarten: Esche, Eberesche, Hasel und Schneeball...."
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon ulfr » 13.02.2012 19:25

Bei dem Teil könnte auch der Schaft aus der Klinge nach oben gerutscht sein ... oder sehe nur ich diesen Knubbel links? Das würde allerdings voraussetzen, dass der Schaft von oben eingeschoben wurde - davon geht z.B. Jensen aus. Die Löcher scheinen von der Oberseite - also da, wo die Sprosse nicht ist - gebohrt worden zu sein, zumindest ist das bei einem dänischen Exemplar so - das würde in gewisser Weise dafür sprechen. Könnte aber auch sein, dass dadurch Platz für eine Verkeilung im Schaftloch geschaffen und die Axt von unten geschäftet wurde.

Die Dänen hatten auch Laubholzreste in der Spongiosa ihrer Funde, das entspricht unseren Beobachtungen beim Einsatz.
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon FlintSource » 13.02.2012 21:49

So jetzt geht es richtig ans Eingemachte. So zu sehen, auch wenn es tatsächlich nicht viel zu sehen gibt, ist das Teil aus Dümmer eher ‚falsch’ herum geschäftet, obwohl auch ich den Knubbel an der ‚richtigen’ Seite sehe.

Das Teil ist leider nicht abgebildet in der Publikation zu den Geweihgeräten aus Hüde und ich habe auf der Schnelle auch keine Beschreibung von der Schäftungsweise der T-Äxte gefunden: J.A. Werning, Die Geweihartefakte der neolithischen Moorsiedlung Hüde I am Dümmer, Kreis Grafschaft Diepholz, Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 16, 1983, 21-187. Dafür gibt es in der Publikation eine Abbildung (Tafel 10.2) wo ein T-Axt mit schäftungsrest mit ‚Knubbel’ an der richtigen Seite zu sehen ist.

Richtig schön sind die beiden Abbildungen, zwar Mesolithisch, von Ringkloster: S.H. Andersen, Ringkloster. En jysk indlandsboplads med Ertebøllekultur, Kuml. Årbog for jysk arkæologisk skelskab 1973-74, 1975, 11-108., Abb. 59, s. 66. wo gleich zwei T-Äxte mit Schäftungen zu sehen sind.

Bild
image upload


Bild

Also können wir jetzt davon ausgehen, dass zu mindest die ‘richtige’ Schäftung belegt ist, es würde mich aber nicht wundern, wenn es auch Beispiele der anderen Befestigungsweise gibt. Es wird wohl damit zusammenhangen, ob es eine linke oder rechte Stange ist und ob der Axt für ein Rechts- oder Linkshänder gemeint war. Die Wölbung der Schneide (Schneide eigentlich immer am basalen Ende) wird wohl wichtiger sein als die Frage ob die abgetrennte Sprosse nach oben oder nach unten montiert ist. Auch in Ringkloster sind die Schäfte nur 1 bis 1,5 cm in Durchmesser, also für kräftig zuschlagen sind die Teile nicht gemeint. Meine Haselruten sollten mittlerweile ausreichend getrocknet sein, damit ich mein Replik am Wochenende ‚richtig’ herum schäften kann
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Re: Neuer Ertebøllefundplatz

Beitragvon Blattspitze » 13.02.2012 22:06

Klasse, danke Rengert.
Hier noch ein Schaftrest aus Rosenhof in S.H.:
Bild
Quelle: http://www.uni-kiel.de/unizeit/uz-47/htm/uz_47_5a.shtml

Hmm, und was den "Knubbel" gegenüber dem Arbeitsende angeht, - bei den neuen Keulen aus S.-H. ist das doch auch so? Naja, warten wir`s ab ...
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