Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

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Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

Beitragvon Blattspitze » 21.04.2009 09:58

http://www.urgeschichte.uni-tuebingen.d ... /Floss.pdf

Sehr lesenswerte Kritik an Dale Guthrie`s Interpretation jungpaläolithischer Kunst als Machwerke pubertierender testosterongesteuerter Jugendlicher.

Ein von dort (S. 106) stammendes, zugegebenermassen aus dem Zusammenhang gerissenes ?non political correct? Zitat von Prof. Dr. Floss:
?Ich gebe es zu: In vielen Punkten hat mir der Autor mit seiner antiesoterischen und auch antifeministischen Sicht aus der Seele gesprochen ? . Wie ist es uns auf die Nerven gegangen, nach eigenen Vorträgen zur paläolithischen Kunst von mit Tierzahnschmuck behängten Damen in Diskussionen zum Matriarchat verwickelt zu werden. Wie oft haben wir in TV ? Dokumentationen zur Steinzeit unsere Hoffnung auf unverblümte Aussagen in säuselnder Flötenmusik ertränkt gesehen. Wie ist es uns aufgestoßen, die Auslagen von Frauenbuzchläden mit Repliken der Venus von Willendorf voll gestopft zu sehen, ? . Wie hat es uns unendlich genervt, in Biorestaurants Lobpreisungen auf Erdstrahlen und ostasiatische Massagen hören zu müssen und Studierende zu sehen, die T-Shirts mit Aufforderungen zu vegetarischer Ernährung tragen, sich dann aber abends zum Speerschleudertraining treffen und die aus der Lehre wissen, dass Fleisch von jeher zu den fundamentalen Bestandteilen der menschlichen Nahrung zählt. ?
Dies alles im Hinterkopf: Danke Dale Guthrie, vielen herzlichen Dank!?


Man kann sich seine ?Kundschaft? eben nicht immer aussuchen!

Letztendlich kommt Guthrie?s provokantes Werk bei Floss am Ende dennoch nicht gut weg ?

Marquardt
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Beitragvon Thomas Trauner » 22.04.2009 08:29

Ich kenne die Idee Guthries jetzt nicht, dass jedoch eine Möglichkeit besteht, diese auf einen Satz: "Machwerke pubertierender testosterongesteuerter Jugendlicher.", wobei sicher noch "männlich" fehlt, zusammen zu fassen, verheißt erstmal nichts Gutes.

Prof. Dr. Floss tut jedoch gut.

Was fehlt, ist eine Arbeit zum Thema: "Die Vorgeschichte als Projektionsfläche moderner Glaubenslehren".

Verweisen die religiös angehauchten Sekten auf die furchtbaren Dinge, die da kommen werden, stricken sich die "naturnahen" eine eigene Vergangenheit.
Das mit dem Stricken ist kein Wortspiel..... :?

Thomas
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Beitragvon ulfr » 22.04.2009 09:55

Einen Auszug aus dem Buch Guthrie?s findest Du hier oder bei google books (da ich mich neulich hier über diesen Verein geärgert habe, ohne URL, so!)

Harald Floss erfreut immer wieder durch frische kritische Beiträge.
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Beitragvon Thomas Trauner » 23.04.2009 07:56

Ich habe die Zusammenfassung mal schnell überflogen. Dass Guthrie sich deutlich von den "senior male shamans" als Erzeuger der Höhlenkunst abwendet, ist ein erfrischender Ansatz.
Alleine, dass er andere Möglichkeiten als die der "heiligen, schamanistischen, religiösen" Handlung (erneut) ins Spiel bringt ist in Ordnung, regt er doch damit eine neue Diskussion eines, wenn auch nicht neuen, aber doch anderen Blickwinkels auf.
Sollte er jedoch den Fehler machen, seine Ideen allzu sehr als Fakten darstellen, macht er den gleichen Fehler wie andere.
Ich denke, ich hol mir das Buch mal. Einfach um selbst evtl. neue Anregungen zu bekommen.
Danke für den Hinweis.
Thomas
Thomas Trauner
 

Re: Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

Beitragvon LS » 21.10.2011 14:14

Archäologen tun sich nach wie vor schwer, den Faktor Kind bei der jungpaläolithischen Kunst zu akzeptieren. Jetzt zeigen auch Untersuchungen an den Linien in Rouffignac, dass Kinder im Spiel waren. Das freut mich besonders, weil es für mich gleichzeitig der endgültige Beweis ist, dass die Bilder von Rouffignac echt sind. In den 50er Jahren wäre kein Fälscher auf die Idee gekommen, Kinder einzubeziehen...
http://news.sciencemag.org/sciencenow/2 ... -from.html

PS zu oben: Guthrie hat der Erkenntnis, dass Kinder eine große Rolle gespielt haben, durch seine stümperhafte Überzeichnung einen Bärendienst erwiesen.
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Re: Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 24.10.2011 07:30

Lach, von daher bringt das schöne und klischeehafte Bild aus Ribadesella, das ich an anderer Stelle hier einstellte und auf dem eine ganze Familie herummalte, inkl. Kritiker, das ganze doch auf dem Punkt. Fußabdrücke von Jugendlichen sind in einigen Höhlen gefunden worden. Und ob die Vulvendarstellungen in Höhlen nicht oft auch der Fantasie der heutigen Betrachter geschuldet sind, steht auf einem anderen Blatt.

Die Schamanentheorie fand ich sehr schlüssig und nie ging ich davon aus, dass es sich um eine männliche Angelegenheit handelt. Unsere Schamanin in Halle ist eindeutig weiblich. Man kann ja auch die baskischen interpretationen nachlesen und die waren dann eher nationalistisch-separatistisch vereinnahmend nach dem Motto. Die Höhlenmalerei ist unser, das sind alte baskische Heiligtümer und die Höhlenmaler waren unsere Vorfahren, nicht eure.

macht mal den Höhlenbären, der Turms
Ich bin der Schleuderer, der stets aufschreit und das mit Recht, denn alles was nicht schleudert, ist wert das es auch untergeht, so ist denn alles, was ihr Schleudern nennt, mein eigentliches Element...
nach Hildegunst von Mythenmetz, Erinnerungen
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Re: Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

Beitragvon KatrinA » 24.10.2011 07:56

Zum Thema Interpretation von steinzeitlicher Kunst hat mir mal eine Freundin gesagt (übrigens eine feministische Wissenschaftlerin, aber keine von der Eso-Fraktion... es gibt durchaus intelligente Beiträge zum Thema):

Stell dir vor, alle schriftlichen Zeugnisse aus dem Mittelalter wären vernichtet, das Christentum in Vergessenheit geraten, und du hättest zur Bewertung der damaligen Gesellschaftsordnung nur die Heiligenbilder aus den Kirchen. Wenn du jetzt mal all die Madonnendarstellungen nimmst und dagegen die Bilder von Jesus als Gekreuzigten, könntest du daraus schließen, dass die Hauptreligion im Mittelalter ein Muttergöttinnen-Kult war, der das grausame Hinrichten junger Männer einschloss. Sehr wahrscheinlich spricht dieser Befund auch für eine matriarchale Gesellschaftsstruktur...


Aber ich muss hier vor allem Thomas beipflichten: wer die Gegentheorie als die einzig richtige ansieht, macht den gleichen Fehler.

:venus:
KatrinA
 

Re: Jungpaläolithische Kunst bloß von unreifen Jungs?

Beitragvon Joze » 24.10.2011 18:27

Wo bleibt dann die "Reifere-Kunst"?
Die Theorie von den unreiferen Jungs habe ich schon mal gehört und genauso haben uns mal die Lehrer darüber unterichtet, wie wichtig die Schamanische kollektive Handlungen von den Jägern in Steinzeit für die Behörde waren.

Joze
Joze
 


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