von Fridolin » 08.12.2006 13:33
Hallo Dirk,
zum Fragenkomplex a): Du legst den Finger in die Wunde. Zumindest für Süddeutschland gibt es keine statistische Untersuchungen, die das lithische Rohmaterial ?quer durch die Zeiten? erfasst. Was ist typisch? Hmm, für das Alt- und Mittelneolithikum ist typisch, dass als Rohmaterial praktisch nur Amphibolith bzw. Hornblendeschiefer verwendet wurde. Gerade im Mittelneolithikum scheint das Rohmaterial aus wenigen Steinbrüchen zu stammen. Aber in dieser Zeit hat man auch beim Silex perfekt durchorganisierte Beschaffungswege. So hat man im Vorland des Steigerwaldes fast nur gebänderten Plattensilex aus Arnhofen bei Kelheim (200 km), während der Bandkeramik wurde v.a. Knollensilex verarbeitet.
Bei den geschliffenen Felsgesteingeräten ändert sich das Bild im Jungneolithikum schlagartig und bleibt bis zum Endneolithikum bestehen. ?Plötzlich? werden alle möglichen Arten metamorpher und magmatischer Gesteine verarbeitet, aber weiterhin auch Amphibolith und Hornblendeschiefer. Im Jungneolithikum kommt ein sehr großer Teil des Plattensilex von der südlichen Frankenalb (Typ Baiersdorf ). Im Endneolithikum wird oft Silex verarbeitet, der ziemlich miese Qualität hat und zudem aus den unterschiedlichsten Quellen stammt. Aber gut, nicht ganz zu unrecht wurde das Endneolithikum nun auch bei uns in Kupferzeit umbenannt.
Wie kann man die geänderte Rohstoffversorgung erklären? Schwierig. Zum Teil mögen Wanderungsbewegungen eine gewisse Rolle gespielt haben. Die diversen Kulturen oder Gruppen waren z.T. sehr mobil. Man nimmt das bewegliche Inventar einfach mit. Oder man hat für ?Prunkbeile? nur ästhetisch ansprechende Gesteine ausgewählt und vielleicht eingehandelt. Und vielleicht hat sich immer mehr eine Spezialisierung bei den Steingeräten durchgesetzt. Vielleicht gab es Geräte, die nur zur Bearbeitung von Rohhäuten oder Leder genutzt wurden. Spielzeug! Dann konnte man Gesteine auswählen, die wesentlich weicher sind als Amphibolith, z.B. schwach metamorphe Schiefer. Sehr schwierig. Insofern würde ich auch nicht ausschließen, dass die o.a. Beile aus Burgerroth tatsächlich aus Kalkstein geschliffen wurden (ich habe die Dinger nie gesehen). Na ja, wenn wir schon bei ?exotischen? Rohstoffen für Beile und Äxte sind: es gibt ja noch die sog. Miniaturäxte aus gebranntem Ton. Eine ganze Serie dieser witzigen Stücke aus der Schnurkeramik wurde in den Grabungskampagnien auf dem Motzenstein (Kreis Bamberg) ausgegraben. Spielzeug? Fetisch in einem Heiligtum? Schmuck, der auf einer Halskette aufgezogen war? Viele Fragen kann man zur Zeit einfach nicht beantworten, ist auch gut so.
Zu b): Eigentlich ergibt sich die Antwort schon aus dem bisherigen Text. Aber bei Lesefunden hat man immer noch das Problem, dass der Zusammenhang mit anderen Funden / Befunden vor Ort nicht gegeben sein muss. Wenn sich das Stück als Artefakt herausstellt, kann es sogar aus neuester Zeit stammen. Oder irgend jemand hat seine Sammlung ?ausgemistet?. Lange vor ebay wurden schon indianische Pfeil- und Speerspitzen auf bayerischen Äckern aufgelesen (US army). Am Bodensee wurde eine ganze Fuhre von bemalter indianischer Keramik ?entsorgt?. Schade um die Originale! Und ein teurer Spaß war es sowieso.
Ein Problem ist, wer die Gesteinsbestimmung vornimmt bzw. welche Qualifikation der Betreffende hat. Mir ist jemand, der ganz neutral ein ?grünes Felsgestein? beschreibt, 1000 mal lieber als jemand, der einen Fachausdruck (z.B. Amphibolith) benutzt, der sich dann aber als falsch herausstellt. Ein falsch gebrauchter Fachausdruck verwirrt ungemein. Mit bloßem Auge sind Beile aus Amphibolith und Basalt oft nicht zu unterscheiden. Deshalb habe ich mir angewöhnt, sämtliche Funde unter dem Binokular zu begutachten. Da gibts dann so manche Überraschung...
Viele Grüße
Fridolin