neolithische Scheibenkeulen

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Beitragvon Thomas Trauner » 30.08.2010 08:48

Sieht Klasse aus. (Bitte nach Landersdorf mitbringen !).

Die Schaftlänge ist ok., ich hätte auch so um die 60 cm genommen. Nur der Vollständigkeit halber: Was mit bei Querschnitten auffiel: Die Keulen haben oft ein konisches Loch. Ich denke, dass sie sich bei entsprechenden Schaft quasi selbst festsetzten.

Zur Funktion: Waffe liegt auf der Hand. Was mir auch noch durch den Kopf geht: Schlachtwerkzeug. Erstens weil sie einfach so in Siedlungen herumliegen und nicht unbedingt in Gräbern, zweitens, wenn ich dran danke, dass es Schweine mit eingeschossenen Pfeilspitzen gibt. Die Schlachtmethoden im N. waren ergo doch sehr......rural....
Die Keule eignet sich sicher gut für den Schlag auf der Vorderschädel eines Schweines/einer Kuh/Pferd etc. Sie hat ja den Vorteil, dass sie mit jeder Seite "gut" eindringt.
Bisherige Menschenschädel zeigen ja eher Verletzungen durch Hacken....
oder wie einem Fall aus Skandinavien, eine lochförmige Verletzung.
Mit der Scheibenkeule müsste ein schmales Loch mit massiver Zertrümmerung herum vorliegen. Ich wüßte jetzt da von keinem Befund dieser Art....

Thomas
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Beitragvon ulfr » 30.08.2010 10:32

@ Kurti: Sorry, aber ich muss mich als gesetzestreuer Bürger schon an das Proliferationsverbot an "Schurkenstaaten" halten :twisted:

Wir können aber im nächsten Frühjahr die Chance nutzen und am Strand ein Rohstück für Dich finden, Näheres per mail
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Beitragvon Trebron » 30.08.2010 19:23

Wirklich wunderschön, die Scheibebkeule.
Besonders freut mich, dass ich, wenn auch nur durch Lieferung guter Schleifsteine dazu beigetragen habe :D

Wo bekommt man das Rohmaterial, den Diabas denn her ????????????


Neidisch rumguck :( :D
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
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Beitragvon Fridolin » 30.08.2010 20:24

Trebron hat geschrieben:Wo bekommt man das Rohmaterial, den Diabas denn her ????????????


Wir Südlichter haben Pech (oder gute Freunde...):
http://www.kristallin.de/s2/f_diabas.htm#Anker1

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Blattspitze » 31.08.2010 08:32

Øje-Diabas in guten Größen ist umso schwerer zu finden, je weiter südlich man die Schleswig-Holsteinische Küste herunterkommt.
Bei uns in Ostholstein ist geeignetes Material bereits sehr selten. Weniger als die Hälfte der dänischen Scheibenkeulen sollen aus Øje-Diabas sein, die meisten aus einfachem Diabas.
Die Scheibenkeulen selbst sind überhaupt sehr selten, gleichzeitige Streitäxte der TBK (Amazonen-
Bild

und Fredsgarde - Äxte) sind da wesentlich häufiger.
In der mittelneolithischen Siedlung Penningbüttel, Niedersachsen gibt es neben den berühmten erhaltenen TBK Hausgrundrissen einen Grubenhaus(?)-Befund, in dem ein Steinbeil und eine Scheibenkeule "aus besonderem Gestein" gefunden worden sind. H.J. Zimmermann wertet den Befund nach meiner Erinnerung als kultisch und interpretiert die Scheibenkeule als Rad oder Schwungscheibe.
Für mich sind`s "mittelneolithische Samuraischwerter". Der Øje-Diabas deutet dem Kontrahenten bereits an, was er bald sehen wird: Helle Sterne auf schwarzem Grund!
Gruß Marquardt
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Beitragvon Fridolin » 31.08.2010 08:48

Hier im "wilden" Süden habe ich nur alt- und mittelneolithische Scheibenkeulenfragmente und Halbfabrikate aus Amphibolit in den Händen gehabt. In der bandkeramischen Siedlung Stuttgart-Vaihingen wurden aber eine ganze Reihe von Scheibenkeulen ausgegraben, aus Muschelkalk(!). Das setzt der Verwendung gewisse Grenzen...

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Thomas Trauner » 31.08.2010 09:18

Ich kenne, da Süddeutsch, auch nur welche aus Amphipolit.
Muschelkalk ist interessant. Vielleicht doch nur "Werkzeug" ?
Beim Schlachten kann das Ding ja mal brechen...

Thomas
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Beitragvon ulfr » 31.08.2010 10:47

Blattspitze hat geschrieben: Der Øje-Diabas deutet dem Kontrahenten bereits an, was er bald sehen wird: Helle Sterne auf schwarzem Grund!

:D :D :D :D :D

Geeignetes Material ist wirklich sehr schwer zu finden, ich habe in den letzten 30 Jahren mehrere Millionen Strandsteine an der Ostsee angesehen (ungelogen, wahrscheinlich sind es noch ein paar mehr) und bisher 4 verwertbare Brocken Øje-Diabas gefunden, dazu einen, der zwar wunderschön ist, aber so groß, dass man einen Tieflader bräuchte, um ihn zu bergen. Da steht man dann sabbernd vor so einem Trumm dumm rum. Wie Marquardt schreibt, tauchen Øjes anscheinend eher im Norden der Ostsee auf, die Nordküste von Fyn ist ganz viel versprechend.

Eine Deutung der Scheibenkeulen als Schwungscheibe will mir nicht so ganz einleuchten, denn beim Øje-Diabas handelt es sich um eines der härtesten Felsgesteine, die da oben überhaupt zu finden sind. Sich die Mühe zu machen, daraus dann etwas profanes herzustellen wie ein Schwungrad, scheint mir doch eher unwahrscheinlich, ließe sich doch das Schwungrad auch aus weicherem Material herstellen. Nur wegen der schönen Kristalle ...? Beim Drehen der Schwungscheibe sieht man die eh nicht.
Dann wäre eine Deutung als Rad schon eher plausibel, für eine Art Kultwagen (ähnlich wie Trundholm, aber eben aus Stein). Leider sind diese Keulen m.W. immer einzeln gefunden worden ...

Es bleibt schwierig, und ich bleibe erstmal bei Keule
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Beitragvon Thomas Trauner » 01.09.2010 07:56

Kein Rad, gibt ja keine Radsätze, sprich vielleicht mal zwei in der selben Größe.
Mit Stein ausgestattete Keulen gibt es zuhauf. Alle möglichen Formen. Auch z.B. bikonisch. Die Scheibenkeule hat den "Vorteil", dass man mit jeder Seite die gleiche Wirkung erzielt.
Meine These bleibt Waffe und/oder Schlachtwerkzeug.
Thomas
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Beitragvon Blattspitze » 01.09.2010 13:30

Tja, der Fachmann hält morgen abend in Hitzacker einen Vortrag dazu:
http://www.flintsource.net/hitzacker2010.pdf

Die Rad-These halte ich auch für falsch, obwohl es neol. Scheibenräder gibt, die tatsächlich eine ähnliche Form haben, sieht man von Größe und Material ab.
Aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es einzeln in Megalithgräbern gefundene Exemplare.
Zerbrochene Stücke als auch die häufig zu beobachtenden randl. Ausbrüche weisen als Gebrauchsspuren betrachtet eindeutig auf massive am Scheibenrand einwirkende Kräfte hin, wie sie als Schlagwaffe vorauszusetzen sind.
Ausgesucht seltenes, schönes und zähes Ausgangsmaterial und die sehr zeitaufwändige Herstellung sprechen meiner Ansicht nach gegen eine profane Werkzeugzeugfunktion und für eine Prestigegut- und Waffenfunktion.
aber so groß, dass man einen Tieflader bräuchte

Wenn er nicht direkt unter Wasser steht, könnte man Feuer setzen. Ich habe mal einen alten Film aus Neu Guinea gesehen, da haben die Jungs mit Feuersetzen wunderbare große flache Scherben "abgeschält" und daraus Beile gemacht.

Schätzen wir doch hier mal die Herstellungsdauer der Scheibenkeulen (Ich weiß, Zeit spielt bei der Interpretation eigentlich keine Rolle, ... ist kein echtes Ergebnis eines arch. Experimentes..., ...oder in Einzelfällen doch?). Was glaubt Ihr, wie lange dauert es mit steinzeitlichen Arbeitsmitteln und Techniken, so eine wie Ulfr`s Scheibe herauszupicken, zu lochen und zu schleifen, wenn das Ausgangsstück bereits eine flache aber unregelmäßige Form hat?

20, 50, 80, 100 oder 150 oder mehr Std.?

Gruß Marquardt
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Beitragvon Thomas Trauner » 02.09.2010 08:06

Anmerkung:
In "Tatort Eulau" geht Hr. Meller davon aus, dass es sich bei den Scheibenkeulen ausschließlich um Waffen handelt, da, ich zitiere: "für die Jagd und zum Schlachten geeignetere Werkzeuge zur Verfügung standen". Zitat Ende.
Allerdings schreibt er das sicher unter dem Eindruck der Mordfälle in Eulau......

Thomas
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Beitragvon ulfr » 02.09.2010 09:36

Blattspitze hat geschrieben:Wenn er nicht direkt unter Wasser steht, könnte man Feuer setzen.


Leider liegt er halb unter Wasser. Aber selbst wenn nicht: Ich sehe mich schon, wie ich, die brennende Fackel noch in der Hand, an eine Eschenstange gehängt, auf den kräftigen Schultern zweier Dänischer Bauern zum Stein rausgetragen werde, um wegen Umweltschändung auf demselben geopfert zu werden :shock:

Übrigens - den Eulau-Film vom verg. Sonntag fand ich unterirdisch, nicht nur wegen der Spielszenen (wo und mit wem ist denn das gedreht worden - Wachsfackeln im Sturm - Schluchz!), sondern auch, weil dieser Befund - wie alle anderen mittlerweile schon fast reflexartig - sofort in ein Europäisches Fernhandels- und Schamanenaustauschnetzwerk eingeordnet wird, weil es sonst nicht spektakulär genug ist. ?!? Dass der Avebury Archer aus Tirol stammte, schließt man aufgrund der Zahnschmelzisotopen - Schließt, wohlgemerkt, bewiesen ist das noch nicht. Und selbst wenn der Mann in den Bergen aufwuchs und dann auf die Insel "auswanderte ?", heißt das noch lange nicht, dass es im Neolithikum für jedermann normal war, quer über den Kontinent zu reisen, oder dass berittene Hunnen mit Reflexbögen und bayerisch-blau-weißen Lätzchen an der Saale blauem Strande ganze Familien abschlachten ...
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Beitragvon Steve Lenz » 29.09.2010 07:25

Erst jetzt gesehen:

Is ja ein schickes Ding, Wulf. Idealer Meinungsverstärker für die Moderation mit konsequentem Diskussionsabschluß. Feines Teil.
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Beitragvon ulfr » 29.09.2010 09:33

Kannst gern in Buchau mal damit probearbeiten, vielleicht möchte ja irgendein obstinatscher Oberschwabe mit Dir "diskutieren".
*Pfui! AUS!!*
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Beitragvon Steve Lenz » 29.09.2010 12:29

Keine Sorge, dafür is das Teil zu schön, als dass ich´s zum Aservat degradieren würde. Aber mal ein Feeling für´s Handling und schon kann ich mehr zur Gebrauchsfähigkeit sagen.

Man sieht sich - pack meinen Koffer bitte ein. Aber´ne Kiste Lohbier schleppe ich im Zug nicht mit, sag ich gleich! Erstens kommt davon nicht alles an und zweitens trinke ich wenn dann Deine Hälfte und spar meine für´s WE. ^^
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