Axt oder Beil ?

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Axt oder Beil ?

Beitragvon Manu » 28.06.2010 07:16

Also ich hatte gestern folgendes Problem:

Wie schon tausend mal habe ich zur Anschauung eines Steinzeit-Werkzeuges meiner Besuchergruppe eine "Schwingflügelaxt" durchgereicht. Ein sehr motivierter Student der Archäologie meinte vor versammelter Besuchertruppe, daß es sich da ja wohl um ein Beil handeln würde.

Nun bin ich was Werkzeuge betrifft nicht immer auf dem aktuellen Stand und wäre sehr dankbar, wenn mir jemand den grundlegenden Unterschied zwische Axt und Beil erläutern könnte.

(ich gebe zu, daß ich mich über das lautstarke Besserwissen des Studenten etwas gegrämt habe :wut2: :axt: )
Manu
 

Beitragvon Bullenwächter » 28.06.2010 07:30

Laut Wikipedia wird ein Beil enhändig geführt und die Axt in der Regel beidhändig. (allerdings sind die beiden Wikipeida-Artikle noch von mäßiger Qualität)

Oder ältere Lexika bis 1905 definieren die beiden Begriffe wie folgt:

Axt: http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=Axt&k=Bibliothek
Beil: http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=Beil&k=Bibliothek

Nach den älteren Lexika ist ein Beil in der Regel nur einseitig zugeschärft, aber auch hier hat die Axt einen längeren Stiel als ein Beil.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
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Beitragvon Manu » 28.06.2010 08:30

Habe auch eine interessante Seite gefunden, bin aber immernoch gleich :?

http://www.landschaftsmuseum.de/seiten/ ... nbeile.htm
Manu
 

Beitragvon Thomas Trauner » 28.06.2010 08:30

Mehr gibt´s tatsächlich nicht. Einhändig: Beil, zweihändig Axt.

Lass Dich von dem sehr motivierten Studenten nicht in die Irre leiten. Im Fach sind ja erstmal fast ausschließlich die Steineinsätze gefunden worden, die dann als "Steinbeil" bezeichnet wurden. "Steinaxt" sagt keiner.
Die Steinaxt besteht jetzt aus einem Holm und einem Steinbeil... :? :D :? :D :D :roll:

Das Problem in der, sagen wir, eigenwilligen Terminologie des Faches haben wir ja laufend.
Mein Lieblingswort ist "Dolchmesser" :D

Thomas
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Beitragvon Lassie » 28.06.2010 09:09

Während meines Studiums wurde sehr viel Wert auf den Unterschied zwischen Beil und Axt gelegt: Beil = undurchlochte Klinge, Axt = Klinge mit Schaftloch. Unkorrekterweise (wohl aus Faulheit) wird in der Literatur meist von Steinäxten und Steinbeilen gesprochen, wenn eigentlich Steinbeil/Axtklingen gemeint sind. Eine gewisse Verwirrung in der Nomenklatur verursachten die Funden von vollständigen Beilen (also Schäfte mit daran befestigten Steinklingen) in den Feuchtbodensiedlungen des Alpenbereichs. Vor allem bei den Schweizer Wissenschaftlern wurde (wird) dabei zwischen Axt und Beil aufgrund der Holmlänge und der Führung mit einer bzw. zwei Händen unterschieden.

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Beitragvon ulfr » 28.06.2010 10:39

Das ist auch mein Wissensstand der archäologischen Nomenklatur: durchlochte Klinge = Axt, undurchlochte Klinge = Beil
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
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Beitragvon Thomas Trauner » 28.06.2010 11:54

Aha. Das habe ich so noch nicht wahrgenommen. Durchlocht = Axt.
Das verwirrt zumindest im normalen Sprachgebrauch schon.
Vor allem wenn man dann noch an die Schuhleistenkeile denkt.

Bei Führungen würde ich jedoch den normalen, geläufigen Ausdruck verwenden und bestenfalls auf die "archäologische" Nomenklatur hinweisen.

Thomas
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Beitragvon Manu » 28.06.2010 13:28

Also, das ist sehr schwierig.

Die von mir so sehr geliebte "Schwingflügelaxt" bzw. "Fällaxt" ist dann also ein Beil, was es mir jetzt nicht gerade erleichtert, da jedes Ding ja einen Namen braucht.Würde man dann am ehesten als Fällbeil bezeichnen. Und mein "Lochbeil" ist in diesem Falle eine "Lochaxt".

:? :? :? :?

Ok, danke, da muß ich mal eine Nacht darüber schlafen.
Axt mit Loch, Beil ohne Loch, Beil mit einer Hand ??????
Sieht bei uns aber anderst aus. Oh, Mann, ich weiß warum ich lieber mit Lindenbast arbeite.

@ulfr Gibt es schon was neues vom Eichenbast? Wird tatsächlich recht oft in der Literatur erwähnt. Hast du schon was damit gemacht?
Manu
 

Beitragvon Jøran » 28.06.2010 13:45

Manu hat geschrieben:@ulfr Gibt es schon was neues vom Eichenbast? Wird tatsächlich recht oft in der Literatur erwähnt. Hast du schon was damit gemacht?


Eichenbast?

Da horche ich doch gleich mal auf.

Jörg, uns aller bekannter Fischer hat dazu geschrieben:


Etwas skeptisch stehe ich der Nennung von Eichenbast als Rohstoff für Schnüre, Leinen und Seile gegenüber. Meine Versuche mit Eichenbast blieben bisher erfolglos, gleich ob mit frischen oder eingeweichten Material.


Hilsen

Jøran-Njål
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Beitragvon Blattspitze » 28.06.2010 16:30

"Schwingflügelaxt"

Du meinst bestimmt einen Flügelkopfholm, wie z.B. den obersten oder den 2. von unten, oder?
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Beitragvon Manu » 28.06.2010 16:41

Ja, genau, den meine ich.

Flügelkopfholm .. Axt oder Beil?

Beil?
Manu
 

Beitragvon Blattspitze » 29.06.2010 06:47

Loch im Holm: Beil
Loch im Stein: Axt
Also Beil ...
Grüße
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Beitragvon ulfr » 29.06.2010 09:09

An die Bastler: Hab es leider wegen anderweitiger Verpflichtungen nicht geschafft, Eichen zu schälen, leider auch nicht, Lindenbast zu machen. Aber meine Meinung zum Eichenbast ist immer noch: Nur sehr, sehr begrenzt verwendungsfähig.

Die Bezeichnung für diese Art Holme lautet: Flügelholm, das Ganze wäre ein Steinbeil mit Flügelholm. Die Bezeichnung Fällbeil halte ich für unglücklich, da man mit einem Geradbeil ebenso Bäume fällen wie Holz behauen kann, ebenso wie man mit einem Querbeil (Dechsel) nicht nur Holz behauen, sondern auch Bäume fällen kann.
Ich verwende die Bezeichnungen Axt und Beil wie oben beschrieben im archäologischen Kontext (mit zusätzlicher Erklärung des Warum) immer, weil hier eben so unterschieden wird und ich beim Besucher dann nicht noch zusätzliche Irritation auslösen will.
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Beitragvon Thomas Trauner » 29.06.2010 10:28

Ok, danke, da muß ich mal eine Nacht darüber schlafen.
Axt mit Loch, Beil ohne Loch, Beil mit einer Hand ??????
Sieht bei uns aber anderst aus. Oh, Mann, ich weiß warum ich lieber mit Lindenbast arbeite.



Sehr verständlich......

Ich benutze in meinen Führungen immer erstmal die "normalsprachliche" Nomenklatur. Ich dränge dem Publikum die archäologische Bezeichnungen auch nicht auf. Diese spielen bei Rückfragen oder in wichtigen Bezeichnungen eine Rolle, die ich dann extra erläutere.
Klassiker für die zusätzliche Erläuterung wären z.b. Bezeichnungen für Zeitschienen (UK = Bronzezeit = Hallstattzeit A/B...). Dies aber auch dann nur, wenn diese Begriffsklärung für das weitere Verstehen nützlich ist.

Bei Diskrepanzen zwischen modernen, definierten Begriffen (Messer, Dolch, Beil, Axt etc.) bleibe ich bei den modernen Begriffen.
Nicht nur wg. der Verständlichkeit. Ich möchte immer vermeiden, dass VG-zeitliche Artefakte und damit die handelten Menschen unterschätzt werden.
Kunstbegriffe (Stabdolch, Dolchmesser, Fußzierfibel) oder „falsche“ Bezeichnungen entfremden oder verwirren zu sehr. Der Bezug zum in der VG lebenden Menschen geht dann leicht verloren.

Ich würde deshalb, bei entsprechender Nachfrage eine Jungstudenten, deutlich auf die Diskrepanz und zur Not auch auf den Hintergrund dieses Unterschieds hinweisen.
Allerdings gehört da eine gewisse Sicherheit in der Beherrschung beider Nomenklaturen dazu.

Es ist meiner Meinung nach gerade die Kernaufgabe des/der Führers/Führerin hier als Übersetzer/in zu fungieren.
Ich würde mir deshalb wünschen, wir würden in unserem Thesaurus-threat solche Begriffsschwierigkeiten öfter ansprechen.

Thomas
Thomas Trauner
 

Beitragvon Mela » 29.06.2010 17:36

Es ist ja schon erklärt worden - es stimmt, die "Archäologische Terminologie" stimmt nicht mit der modernen überein.
Beile haben keine Löcher :wink:

Thomas, ich bin mir ziemlich sicher, dass 90% der Besucher Dir keine Erläuterung der modernen Begriffe Beil und Axt bringen könnten - die verwechseln das nämlich auch meist.
Ausser Handwerker, die solche Werkzeuge noch selbst verwenden - mit denen ergeben sich dann aber immer tolle Gespräche.

Liebe Grüsse

Mela
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