Bergkristall als Feuerschlagstein?

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Bergkristall als Feuerschlagstein?

Beitragvon Mela » 26.06.2008 09:56

Im weitesten Sinne bin ich hier wohl richtig mit meiner Frage...

Ich war die letzten Wochen mit unserer Uni im Gotthardgebiet tätig - und wie erwartet sind wir ziemlich eingedeckt worden mit Kristallfunden.

Jetzt "streiten" wir uns gerade über die Interpretation eines Stückes - ich behaupte, es ist ein grosser Kratzer, mein Kollege meint, er könnte auch als Feuerschlagstein genutzt worden sein.
Hat das jemand von Euch schon mal probiert? Eignet sich Kristall überhaupt dazu???
:?: Ich hätte jetzt eher nicht mit dieser Verwendung gerechnet...

Liebe Grüsse

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Quarzaggregate

Beitragvon sebastian » 26.06.2008 10:00

also, ich habe als Schlagstein einen Karneol. das ist zwar ein faseriges
Quarzaggregat, aber eben auch ein Quarz. komt halt auch darauf an, womit du ihn zusammenschlägst, mit einem stahl müsste es schon gehen.
sebastian
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Beitragvon Mela » 26.06.2008 10:03

Mhmhm... Dann müssen wir das Ding wirklich unter dem Binokular etwas genauer ansehen... Theoretisch sind die Schlagspuren ja deutlich anders (war ich bis anhin zumindest überzeugt :wink: ) - Ich WILL nämlich lieber die Kratzerhypothese!

Liebe Grüsse

Mela (etwas neidisch, weil sie nicht mal mit gutem Silex Funken hinkriegt...)
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Beitragvon Steve Lenz » 26.06.2008 10:30

Es gäbe zum Vergleich einen HSN-Faustkeil aus Bergkristall (FO in Spanien). Würde also eher die Kratzer denn die Feuerzeug-These stützen.

Ausprobiert habe ich?s noch nicht. Ich nehme Flint und Pyrit.
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Beitragvon ulfr » 26.06.2008 10:30

Hoi Mela,

ich hab es noch nicht probiert, denke aber, dass es ohne Weiteres gehen sollte. Die Funktion des Materials, mit dem Funken aus einem eisenhaltigen Mineral herausgeschlagen werden, ist ja nur die, dass es

a) hart genug sein muss, um ein FeX-Partikel abzureißen und durch die Reibungshitze des Druckschlags zur Reation mit dem Luftsauerstoff zu zwingen
b) eine scharfe Kante aufweisen muss, damit eben dies passiert

Beide Voraussetzungen erfüllt Bergkristall als eine Quarz-Erscheinungsform

Wie ist die Datierung der Funde? Wurde stein/bronzezeitlich mit Pyrit/Markasit geschlagen oder HA/FMA-mäßig mit einem Feuerstahl? Bei Pyrit müsstest Du (bei guten Erhaltungsbedingungen) unter dem Mikroskop Restpartikel davon in der Schlagkante des Kristalls erkennen können, beim Feuerstahl Eisen- bzw. Eisenoxidreste.

Wenn Du willst, kann ich hier mal eine Versuchsreihe starten und Dir die Belegstücke als Vergleichsmaterial schicken. Schick mir auch mal ein Bild von dem "Kratzer" bitte, vielleicht kann ich dann schon mehr sagen.

Gruezi
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Beitragvon Mela » 26.06.2008 11:54

Danke Ulfr und Steve,
tja... die Datierung ist eben die Sache :wink: Es ist der einzige Fund aus der ganzen Struktur... (Prinzipiell ist zwischen Mesolithikum und früher Neuzeit alles drin...)

Ich frage meinen Chef, was er vorhat und ob ich Euch die Bilder mal schicken darf.

Liebe Grüsse

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Beitragvon Fridolin » 26.06.2008 19:16

Hi Mela,

Bergkristall, also kristalliner Quarz wurde tatsächlich zu Werkzeugen verarbeitet. Hier im fränkischen Jungneolithikum kennen wir Kratzer und nicht weiter ansprechbare Werkzeuge, Bergkristall ist ortsfremd. Ansonsten kenne ich Pfeilspitzen aus Bergkristall aus der Schweiz (dem Tessin, glaube ich) und ganz besonders schöne aus Portugal (Umgebung von Evora).

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon ulfr » 26.06.2008 22:03

Ein ganzes Ensemble von Klingen, Pfeilspitzen, Mikrolithen etc. aus Bergkristall liegt im Bozener Ötzi-Museum, Artefakte aus deisem Material sind gar nicht mal selten, aber immer wieder wunderschön anzuschauen. ich hab auch schon damit gearbeitet, ist bockelhart, das Zeug...
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Beitragvon Mela » 30.06.2008 09:29

Bisher habe ich ja immer auf die Frage der Kinder "Was war das schönste, das sie je gefunden haben?" mit Bergkristallpfeilspitze geantwortet - jetzt kann ich mit Bergkristallkratzer angeben! :wink:

Ich bin auch ganz fasziniert von dem Material (das neben Holzkohle eigentlich unser einziges Fundmaterial der Kampagne war).

Liebe Grüsse

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Beitragvon Mela » 30.06.2008 10:06

Ulfr, fällt Dir gerade zufällig ein Fundort zu den Bozener Sachen ein?
Wir rätseln hier noch etwas, die Stücke sind sehr gross (makrolithisch, wie mein Chef sagt) - der Kratzer ist gut Mela-Handtellergross.
Die besten Vergleiche, Cazis-Petrushügel, sind noch etwas kleiner...

Liebe Grüsse

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Beitragvon ulfr » 30.06.2008 10:35

Leider nein, und da man in Bozen nicht knipsen darf bzw. ich alles vom Ötzi, aber den Rest nicht fotografiert habe, als ich mal durfte, weiß ich nix mehr. Ich hab aber mal in

Lunz, R. (1986) Vor- und Frühgeschichte Südtirols. Band 1 Steinzeit

geblättert und mehrere Kratzer aus Bergkristall entdeckt, die aber allesamt mesolithisch und damit sehr klein sind, in der Regel Daumennagel groß. Einer ist dabei, der misst 4x2,5 cm (also deutlich kleiner als Dein Handteller, wenn ich mich recht erinnere) und stammt von der Fundstelle Cisles, Gem. St. Cristina, Prov. Bozen. Andere Fundorte mit viel Bergkristall liegen in den Zillertaler Alpen (Gsieser Törl) und wiederum im Bozener Raum (Stufels), dort ein Meso-Fundplatz auf einer Flussterasse mitten im Bereich einer eisenzeitlichen bzw. römischen Siedlung.

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Beitragvon Mela » 30.06.2008 10:45

Super, danke, da kann ich schon mal auf die Suche gehen... Problematisch finde ich momentan, das offenbar gerade beim mesolithischen gerne nur die "typischen" Geräte abgebildet und ausgestellt werden - und so alles an "Grossgerät", was nicht dem Mikrolithschema entspricht, unter den Tisch fällt... Ich denke, da wäre deutlich mehr zu finden...
Wir vermuten allerdings eher Kupferzeit/frühe Bronzezeit...
(Der Fundplatz liegt jedoch unter einer wahrscheinlich neuzeitlichen Wüstung - ungeklärter Funktion).

Liebe Grüsse

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Beitragvon Peter N. » 30.06.2008 11:22

Hi Mela,

den Namen und Adresse von eurem helvetischen Spezialisten für Feuersteine aller Art habe ich vergessen, kann mich aber erinnern, dass Er im Huber Verlag (?) ein Buch veröffentlicht hat, welches vielerlei Feuermach - Methoden aufzeigt. Er war letztes Jahr unter andrem in Unteruhldingen aktiv...

PM folgt...

Gruß Peter
Zuletzt geändert von Peter N. am 30.06.2008 15:10, insgesamt 1-mal geändert.
Peter N.
 

Beitragvon Mela » 30.06.2008 12:39

Müsste eigentlich Max Zurbuchen sein - den sehe ich nächstens sicher mal (und werde ihn auch befragen).

Liebe Grüsse

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Beitragvon ulfr » 30.06.2008 12:41

Brunner, Horst (1998) Feuer und Feuerschlagmesser. Huber Verlag

ISBN-10: 3719311562

Ist ?n ganz netter, der Horst, ein echtes Original, ich hab fürs SF (Pfahlbauer) mit ihm zusammengearbeitet.

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