Löwenmensch 2.0

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Beitragvon ulfr » 15.07.2009 18:54

Ich schnitze jedenfalls mit Flintgerät. So auch am vergangenen Wochenende vor dem Ulmer Museum und dem Fundplatz der Skulptur, dem Hohlen Stein im Lonetal

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Es waren viele Besucher da, die regen Anteil an meiner Arbeit genommen haben und viele Fragen hatten.

Inzwischen ist der Pursche soweit gediehen:

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In den Konturen bin ich schon um einiges weitergekommen, aktuell arbeite ich am Einschnitt, der mal die Kehle werden soll. Der Arm ist freigestellt und muss jetzt nur noch "untertunnelt" werden

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Da ist noch einiges zu tun, deshalb ab in die Werkstatt.
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Beitragvon ulfr » 22.07.2009 09:59

So, langsam gehts dem Ende entgegen, und ich muss sagen, meine Ausdauer und Geduld sind bei diesem Projekt doch sehr beansprucht worden. In den letzten drei Tagen habe ich 20 Stunden geschabt und gekratzt, und eigentlich sieht man jetzt nur, was mal der Kopf werden soll. Mir tun die Finder weh, und ich bin nur knapp an einer Sehnenscheidenentzündung vorbeigeschrammt. Bisher hatte ich immer maximal 4 Stunden/Tag gewerkelt, da nun aber die Zeit drängt, das etmal verdoppelt, und da bin ich an meinen persönlichen Grenzen angekommen. Alles weitere tut nur weh. Deshalb lege ich heute mal den Schongang ein und schreibe Texte für die Ausstellung usw.
Der Werkzeugverbrauch wird auch langsam problematisch, andauernd muss ich Stichel nachschärfen oder neue Schaber schlagen, da die alten absolut nicht mehr zu gebrauchen sind. Im Anfang, als ich noch mit Wasser gearbeitet habe, wars etwas besser, da hielten die Schneiden länger. Allerdings habe ich da auch eher gemütlich gearbeitet, nicht ahnend, wie lange das Ganze dauern wird. Wasser lasse ich inzwischen weg, kostet zuviel Zeit und macht Sauerei.
Bis Ende August hab ich ja noch Zeit, werde aber wohl irgendwann aus Zeitgründen auf Metallwerkzeug umsteigen müssen. Und da ich ja mehr als eine komplette Hälfte authentisch geschafft habe, sind auch keine Fragen mehr offen.
In den nächsten Tagen folgt die Feinarbeit am Kopf.

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Beitragvon ulfr » 22.07.2009 10:54

Für Dr. Seltsam

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Beitragvon KHC » 22.07.2009 11:28

Ah genau so ein Fake wies Original :razz: nur schöner.

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Beitragvon LS » 22.07.2009 14:36

Wird grinsend zur Kenntnis genommen...
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Beitragvon Indy » 22.07.2009 15:37

Astrein, chapeau und mucho Rehspeck!
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Beitragvon Hans T. » 22.07.2009 16:25

Wunderbar. Wie hoch schätzt du denn den Gesamtaufwand? In Stunden, bei Originalwerkzeug, alles in allem (inkl. Werkzeugfertigung etc)?

H.
"Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluß stellt sich dann heraus, daß alles ganz anders war."
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Beitragvon Thomas Trauner » 23.07.2009 07:52

Sehr beeindruckend.
Ich geh mal davon aus, dass der Schnitzer des Originalstücks keine Sonderausstellung mit Termindruck auf sich zukommen sah...
Irgendwie gehen solche Sachen mit Termindruck einfach nicht richtig. Man/frau macht?s ja oft das erste mal.
Wer hat schon Erfahrung in der Serienfertigung von Löwenmenschen aus Mammutelfenbein.
Seit dem Urknall offenbar nur zwei.....

Thomas
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Beitragvon ulfr » 23.07.2009 11:13

... und ich bin der zweite :shock:

Gestern vormittag hatte ich bereits 208 Netto-Arbeitsstunden auf der Uhr, und ich schätze, bis der Bursch fertig ist, wird locker das Doppelte ins Land gehen. Allerdings werde ich das wie geschrieben hochrechnen müssen. Auf jeden Fall ist es sehr viel mehr als ich geschätzt habe, und das war ohne jeden Anhaltspunkt aus dem Bauch heraus.

Wir haben es also mit einer allein vom Arbeitsaufwand her ungeheuren Kulturleistung zu tun, die es - imho - in Ihrer Bedeutung relativ gesehen durchaus mit der Sixtinischen Kapelle oder ähnlichen Zeugnissen menschlichen Schaffens aus späteren Epochen aufnehmen kann.
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Beitragvon Gerald der Uhl zu Wilhaim » 23.07.2009 21:53

ulfr hat geschrieben:.
Wir haben es also mit einer allein vom Arbeitsaufwand her ungeheuren Kulturleistung zu tun, die es - imho - in Ihrer Bedeutung relativ gesehen durchaus mit der Sixtinischen Kapelle oder ähnlichen Zeugnissen menschlichen Schaffens aus späteren Epochen aufnehmen kann.


die Aussage finde ich ausserordendlich ansprechend.

Respekt wieder einmal vor unseren Vorfahren, soviele "moderne" Zeitgenossen verkennen die Leistung die hinter so einer Skulptur steckt, und gehen so Verächtlich mit der "so genannten Naiven Kunst" um.
Schade um sie ... "unsere Zeitgenossen" :evil: Statt Management und Brokerkurse sollen diese mal einen Schitzkurs belegen um wieder etwas mehr respekt zu bekommen.

Respekt auch vor deiner Leistung!

Gruoss
der Grobmotoriker
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Beitragvon ulfr » 29.07.2009 16:13

Letzte Meldungen aus dem Bestiarium:

Der Kopf ist jetzt nach einer Woche Amokschaben von den Maßen her ziemlich nah am Original, auch der Rest vom Körper bis auf links Arm und Bein.
Das eigentliche Experiment, die Arbeit mit Flint, beende ich jetzt, genug ausprobiert und an allen heiklen Stellen getestet. 245 h sind ausreichend, um eine Schätzung der Gesamtarbeitszeit abgeben zu können.

Meine beiden Daumenkuppen sind relativ gefühllos und sehr hornig, aber das waren sie schon vorher... Es war am Schluss sehr anstrengend, weil ich ständig die Details kontrollieren musste, hier ein zehntel mm weg, da auch, usw., das hat sehr aufgehalten. Der Steinzeitschnitzer musste ja keine fertige Statuette kopieren, der war hier bestimmt etwas sicherer und schneller als ich, der hatte nur sein Bild von der Figur im Kopf. Dafür ist mir der Ausdruck aber, wie ich glaube, einigermaßen gelungen.

Nachher schneide ich noch das Maul ein, und dann ist Schicht im Schacht. Natürlich ist überall noch Feinarbeit nötig, aber jetzt mach ich erstmal ein paar Tage Pause.

ULFR
*träumt schon proportional*

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Beitragvon Thomas Trauner » 29.07.2009 16:58

Der Steinzeitschnitzer musste ja keine fertige Statuette kopieren, der war hier bestimmt etwas sicherer und schneller als ich, der hatte nur sein Bild von der Figur im Kopf.


Das ist ein sehr wichtiges und einschneidendes Argument in Sachen Zeitberechnung.

Stellen wir uns eine normale Pfeilspitze vor. Dauert, sagen wir 10 Min. Die gleiche Spitze heute auch 10 Min.
Eine Kopie unter Beachtung aller Retuschen...äh.... :shock: :shock:

Thomas
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Beitragvon LS » 29.07.2009 21:17

Das Orschinal war sicher aus leicht angewittertem Elfenbein, wie die diversen lamellig abgeplatzten Bruchflächen zeigen. Ging also ab und zu mal leichter, mit dem gewissen Schneps ... ab war die Lamelle. Aber auch riskant, und wer weiß - vielleicht war ja der rechte Arm am Original nie wirklich dran??? Gebrüll im Hohlenstein (32.000 BP), gefolgt vom Platzverweis ? Welch Sakrileg, das öffentlich auszusprechen...
Also besser immer schön aus dem Vollen und schön symmetrisch bleiben, alter Südschwede:-)

Herzl Gr Leif.
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Beitragvon ulfr » 30.07.2009 07:56

Dr. Seltsam hat geschrieben: und schön symmetrisch bleiben


DAS war das größte Problem, denn das Orschinal ist keinesfalls symmetrisch, Oberkörper und Kopf drehen sich nach rechts, der Kopf liegt leicht schief usw. Musste höllisch aufpassen
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Beitragvon LS » 30.07.2009 09:03

Wäre eine kleine Diskussion wert, ob die leichte Verdrehung des Körpers nicht nach der Herstellung passiert sein kann. Elfenbein verzieht sich ja bekanntlich gerne. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn der Körper gerade ist.
Die Schiefe des Kopfes ist sicher eine echte Asymmetrie, so wie auch das Ausstreichen der Lamellen am rechten Haxen, während links die Außenfläche der Lamelle durchläuft.

Also, viel Glück weiterhin, oder
"Hals- und Lamellenbruch"
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