von Fridolin » 04.12.2006 22:13
Hi,
zunächst zu den ?Wülsten?:
Thomas, es sind Lesefunde von Dachsberg bei Ergersheim (vgl. Archäologie in Bayern, Fenster zur Vergangenheit, S. 88), der wohl überwiegend im jüngeren Michelsberg besiedelt war, aber es gibt noch etwas, was wohl in die sog. Schulterbandgruppe gehört, ferner haben wir Altheimer und C14-datierte früh-endneolithische Hinterlassenschaften (das Wall-Grabensystem) sowie schnurkeramische und glockenbecherzeitliche Einzelfunde. Eine Lehrgrabung ist für Juli 2007 geplant. In den nächsten Tagen maile ich Dir Fotos und/oder Skizzen der Wülste zu.
Birkenpech:
Na ja, aus Pfahlbausiedlungen stammen etliche Birkenpechreste mit Zahnabdrücken, die stark an Kaugummi erinnern. Da das Birkenpech aus einer Mischung von unterschiedlichen Kohlenwasserstoffen besteht, die z.T. bei verschiedenen Temperaturen destillieren, waren Beschaffenheit und Eigenschaften des Pechs nicht immer identisch. Es gibt die Vermutung, dass manche rel. leicht flüchtige Bestandteile in Birkenpech berauschende Wirkung haben. (Damit sind wir endgültig wieder bei den Marlboros...)
Graphitton:
Die vom Grabungstechniker K.E. erwähnte Fundstelle liegt bei Beilngries und es war nicht nur der Fund von Graphitton (in einer ca. 1-3 cm dicken Schicht auf dem altem Laufhorizont und als Füllung von mindestens einer Grube) sondern auch der Rest eines Töpferofens, der z.T. selbst aus graphithaltigem Ton gebaut bzw. damit geflickt worden war (der Ton war in situ gebrannt). Auf dem Laufhorizont lagen u.a. gröbere, bis walnussgroße Brocken aus Rohgraphit, graphithaltigem Gneis und dgl., die aus dem Rohton ausgelesen worden waren. In der Keramik fanden sich nicht nur das o.a. Ammonitenfragment sondern auch typische Bestandteile von Auelehmen ("Rostflecken", Schnecken usw.) und Bestandteile des anstehenden Alm (= lockerer Kalktuff). Vielleicht haben die Kalktuffpartikel in der Graphittonkeramik zur Aufgabe der Töpferei geführt, die machen nämlich beim Brand oberhalb ca. 650-700°C oder beim Gebrauch der Keramik Probleme. Zeitstellung: vermutlich Mittellatene. Eine archäologische Bearbeitung fand nie statt, denn die Grabungsunterlagen und die Funde selbst sind nicht mehr auffindbar. Warum ich das weiß? Ich habe an der Grabung mitgewirkt und die Keramik mikroskopisch untersucht. Deshalb sind die einzigen Belegstücke, die derzeit zugänglich sind, meine Dünnschliffe, die dazugehörigen Schliffreste und eine abgepauste Skizze des Planums der Grabungsfläche... Seit Jahren suchen wir nach dem Fundmaterial, denn eigentlich sollte man das mal archäologisch bearbeiten und publizieren! (Aber es besteht noch Hoffnung: Vor ein paar Monaten wurde ein wichtiger neolithischer Fundkomplex im Amt wiedergefunden, den ich vor sage und schreibe 24 Jahren eingeliefert hatte!!! Ich hatte immer wieder ergebnislos nachgefragt. Ich verzichte mal auf einen Kommentar...).
Übrigens gibt es genügend andere Beispiele dafür, dass Graphitton auf der südlichen Frankenalb ab der Frühlatenezeit zu Keramik gebrannt wurde. Der zugemischte Ton (u.a. Alblehm) lässt sich häufig in der Keramik anhand der Kieselpartikel, Fossilreste usw. nachweisen.
Bei einem weiteren bisher singulären Gefäß der Frühlatenezeit besteht der Topfboden aus Graphitton und die Wandung aus granitgemagertem Molasseton, die wiederum hatte eine Engobe aus Graphitton. Das war kein gewöhnlicher Kochtopf, vermutlich hatte das Gefäß eine ganz spezielle pyrotechnische Funktion, was ich bei Gelegenheit mal untersuchen will. Ist schon ein witziges Stück.
Mein Bett ruft, guts Nächtle
Fridolin