Ja, das mache ich sehr gerne
Da die Dokumentierung aufgrund von Verzögerungen durch die zurückliegende Hitzewelle in weiten Zügen von mir noch nachzuholen ist was noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, kann ich das an dieser Stelle gerne zwischenschieben.
Einige wesentliche interessante Erkenntnisse bzw. Erfahrungen haben sich im Herstellungsprozess der Vase ergeben, der in Weiten Zügen nicht unbedingt vorhersehbar war, hier die m.E. wichtigsten:
- wenn historische Artefakte wie "abgedreht" wirken (z.B. ein- oder zweipunktgelagertes Abdrehen, z.B. Drehbank, siehe zum Vergleich eine Drechselbank) sind sie dies nicht zwangsläufig. Das ist von großer Bedeutung für die Einschätzung der Herstellungsmethoden von Artefakten.
- eine der wesentlichsten Erkenntnisse war die sehr gute Bearbeitbarkeit von dem hier verwendeten Weichgestein (gilt aber bei Einhaltung entsprechender Parameter für eigentlich viele Gesteinsarten und -härten) durch die Bearbeitungsweise, die ich erstmal "indirektes Beklopfen" nenne: Nicht das Werkstück wird mit einem anderen Stein beklopft, sondern das Werkstück wird in eine oder beide Hände genommen und z.B. auf einem am Boden liegenden geeigneten größeren Stein "beklopft" und dabei geformt. Diese Erkenntnis ist nicht neu, zeigte sich jedoch erstaunlich in der Ausführung.
Der "Großvater" des Flintschlagens, wie ich ihn nenne, hat diese Technik auch praktiziert (den Link suche ich noch raus).
-Gesteinskanten (rauhe und auch scharfkantig geschnittene etc.) können sehr gut dazu dienen, ein Werkstück kratzschabend zu bearbeiten (vergleichbar ist das in etwa mit der moderneren Edelsteinschleiferei und dem dort angewendeten Facettieren, nur dass sich dabei kein Schleifwerkzeug dreht. Im weitesten Sinne handelt es sich bei dieser Bearbeitungsstechnik von Gestein m.E. um "abrollendes Beschleifen".
- Rundformen aus Stein können bis zu einer bestimmten Größe (abhängig von Material und Größe, resp. Volumen) durch Abrollen mit relativ großer Präzision hergestellt werden. Die Herstellungstechnik eines "abgerollten" steinernen Körpers unterscheidet sich wesentlich von einem abgedrehten (siehe oben), kann aber m.E. (je nach Ausführung) grundsätzlich mit diesem verwechselt werden.
-Bearbeitungen wie die hier im Themenabschnitt durchgeführten erzeugen (je nach Parametern) sehr interessannte Oberflächenstrukturen, die z.B. im Bereich der Restaurierung von Objekten aus Weichgestein sehr interessant sind (z.B. erzeugte das Abrollen des Rohlings aus Baumberger Kalksandstein in Verbindung mit dem verwendeten Quarzsand eine Struktur, die der von bestimmten artefaktischen Klopfsteinen ähnelt.
-besonders interessant war für mich die Anwendung der abrollenden Markierung auf einer eingefärbten glatten Fläche, die sich als Idee im Prozess ergeben und entwickelt hat (siehe Drucktechniken und Rollsiegelprinzip).
- von großer Bedeutung war für mich die Beschleifung eines Rundobjekts in einem mit Abrassivs gefüllten engen Gefäß (z.B. unter Verwendung eines Kuebelbohrers auf den das Objekt aufgeschüttet wird): Im engen Gefäß entsteht bei Anwendung dieser Technik und passenden Parametern automatisch ein Schleifdruck mit dem das Abrassiv auf die zu beschleifende Oberfläche wirkt. Ich kann mir vorstellen (qed), dass sich die Rundheit von Objekten bei entsprechend intensiver Anwendung dieser Technik positiv beeinflussen lässt (siehe zum Vergleich auch Brandungsschleifen und Kollergang). Diese Besrbeitungsweise weist Affinitäten zum Hohlbohren auf und lässt Schlussfolgerungen für die beim Hohlbohren wirkenden stellenweise physikalischen Prozesse zu (siehe Bohrerverschleiß, Bohrerform und Kernausformung).
- kratzschabend lässt sich eine Rundform (hier aus Weichgestein) mit und ohne Anschlagen z.B. an einen Kratzschaber sehr präzise bearbeiten und z.B. effektiv verzieren. Die Methodik unterscheidet sich dabei wesentlich von eigentlich heutzutage üblichen Praktiken von Steinmetzen und Steinbildhauern.
- kratzschabendes Einziehen von Profilierungen an sehr weichem relativ homogenen Gestein ist mit entsprechend geeigneten Zieh- bzw. Schiebschablonen möglich; das ist aber eigentlich keine neue Erkenntnis, sondern stellenweise heute üblich und bekannt (wenn auch vielleicht nicht in dem hier im Thema angewendeten Ausmaß; siehe zum Vergleich das Gipsziehen der Stukkateure).
- zuguterletzt eine Erkenntnis, die bekannt und uralt ist, von vielen Anzweiflern aber nicht geglaubt wird:
Entsprechend ausgebildete Handwerker resp. Kunsthandwerker (u.a.) verfügen häufig über einen ausgeprägten Sinn für Symetrien und Oberflächengüte, die in der Anwendung Ergebnisse erzeugen kann, die wie komplex "vermessen" wirken, es aber nicht zwangsläufig sind.
Außerdem:
-Kupfer ist aufgrund seiner guten Formbarkeit ein sehr dankbares Material in der Weichgesteinsbearbeitung.
Das waren erstmal die wichtigsten Erkenntnisse und Beobachtungen die mir eingefallen sind.
[Nachtrag: Ich finde die Filmquelle zum Flintschlagen leider nicht wieder. ich hatte das hier im Forum irgendwann einmal irgendwo gepostet...
]
[Nachtrag 02.07.2023:]
Ein wichtiger Punkt den ich gestern vergessen hatte: Besonders interessant und aufschlussreich war auch der Bearbeitungsprozess des Aushöhlens der kleinen Vase: Hierfür eignete sich am besten der auf den langen dünnen Rundholzstab (Drumstick aus Hickory) "aufgeschäftete" Kupferring kleinen Durchmessers aus Kupferdraht, 3 mm Durchmesser. Durch Aufrauhen der Oberfläche des Drahts erhielt ich einen effektiven Kratzschaber. Der Stab diente dabei gleichzeitig als "Messwerkzeug": optisches peilen des Anstellwinkels und kontrollieren der Eindringtiefe des Werkzeugs ermöglichten einen guten Überblick über die Ausformung der Aushöhlung (der Stab diente quasi gleichermaßen als Taster). Die Gestaltung des Vasenrandes unterstützte den Aushöhlprozess: Der Kratzschaber konnte so wie ein "Quirl" bzw. Rührlöffel geführt werden, wurde damit gleichzeitig arretiert und rollte sich um die eigene Achse drehend auf dem Innenrand der Vase ab, während Kalksteinmaterial ausgeschabt wurde.
[Nachtrag Ende]