Axtklinge - Das "Bahnende"

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Axtklinge - Das "Bahnende"

Beitragvon DcMartns » 30.11.2010 15:44

ehrlich gesagt wusste ich nicht so recht, wo ich das posten sollte. ich hoffe, hier ist es ok...


Vielleicht kann mir jemand erklären, was unter dem Bahnende einer Axtklinge zu verstehen ist. Ich stehe auf dem Schlauch.

Zitat:
Richtiger ist die Bezeichnung "Hammeräxte", da bei beiden das Bahnende im Gegensatz zu unseren heutigen Axtklingen stark kubisch verdickt ist.



wie kann ich mir das vorstellen?

Ich danke im Voraus!
DcMartns
 

Beitragvon Thomas Trauner » 30.11.2010 16:28

Eine Axt hat eine Schneide und ..nun ja...das andere Ende. Das nennt man offenbar, wenn auch nicht ganz richtig "Bahn". Sollte an sich flach, sprich eben sein.
Eigentlich kommt das Wort "Bahn" tatsächlich vom Hammer. Der hat eine schmale querliegende Seite, die andere, tatsächlich flache Seite nennt man Bahn.
Im konkreten Fall der "Hammeräxte" (auch so ein Wort....) ist dieses Ende jedoch konisch, konkav. Das kommt von sowas. Weil man diese spätneolithischen Äxte als "Hammeräxte" bezeichnet, schleicht sich auch der Begriff "Bahn" ein.
Es gibt auch den Begriff "Knaufhammeraxt", weil eben die "Bahn" die Form eines Knaufes hat. Was nicht heißt, dass man das Teil dort anfasste....
:?

Ich hoffe, es wurde einigermaßen verständlich. Das Problem ist halt, dass man in der Arch. Begriffe braucht, um mit einem Wort eine bestimmte Form eines fundstückes zu bezeichnen. Und daher bedient man sich entweder mit Lehnwörtern oder mit zusammengesetzten Eigenkreationen, die dann oft missverständlich sind....

Thomas
Thomas Trauner
 

Beitragvon DcMartns » 30.11.2010 16:40

Super! Vielen Dank! Das hat wunderbar geholfen!

Vielleicht kannst du mir auch sagen, ob dir zur "stark kubisch verdickten" Bahn etwas einfällt? Hat dies irgend welche besonderen Eigenschaften?

Es geht ganz konkret um zwei Axtklingen der spätesten vrKZ, die in der Literatur als Werkzeuge beschrieben werden. Ich tendiere ebenfalls zu Werkzeug, möchte das aber für mich gern genauer klären/vorstellbar machen (Werkzeug vs. Waffe).

An anderer Stelle werden Äxte der Zeit nämlich auch als zu klein beschrieben, um mit ihnen Holz zu spalten. (die beiden Exemplare haben Längen von 11,5 und 8,5 cm). Mir persönlich würde bei der Größe die Arbeit eines Zimmermanns in den Sinn kommen. Eine Axt kann schließlich mehr als Scheite spalten! ;)
DcMartns
 

Beitragvon Thomas Trauner » 01.12.2010 10:58

So der Spezialist bin ich nicht in Sachen neolithischer Äxte....

„Stark kubisch“ wäre ja rechteckig oder würfelförmig.

Ungewöhnlich ist dies nicht. Die Bahnen der nicht-knaufhammer-förmigen Äxte sind tatsächlich Hammerförmig.
Die Verdickung in der Mitte, um das Bohrloch, sollen dabei die Bohrung stützen...

Zur Funktion: Na ja, es gibt aus Norddeutschland, Fundort ist mir jetzt nicht gegenwärtig, Publikation war nur in einem Heft, nicht in einer normalen Fachlichen Schriftenreihe, einen Fund einer „Hammeraxt“, mit extrem langen, fast 1,60 m langen Schaft.
Der Schaft war aufwändig mit Birkenrinde umwickelt, die Rinde dabei mit kleinen rautenförmigen Durchlochungen versehen. Damit ergab sich ein schönes Farbenspiel mit der weißen Rinde und dem schwarzen Birkenpech.

Nach meinem Eindruck handelt sich dabei um ein Rangabzeichen, einen Wichtigkeitsverstärker.
Die wirkliche Funktion der Hammeräxte ist für mich nicht so klar. Natürlich entsprechen die Axtköpfe einem realen Werkzeug, aber ob sich damit die Funktion und Bedeutung erschöpft, bin ich mir nicht sicher.
Die Eindringtiefe der Schneide ist ja schon aufgrund der Verdickung um das Bohrloch beschränkt, wirklich gut Holz spalten lässt sich m.E. damit nicht. Mich lässt auch der Gedanke an eine Waffe nicht los.....

Tut mir leid, außer Spekulationen nicht mehr bieten zu können.

Was ist denn bitte die vrKZ ? Hättest Du ein Bild der Äxte, um die es dir geht ?

Thomas
Vorrömische Kaiserzeit ??
:shock: :D
Thomas Trauner
 

Beitragvon DcMartns » 01.12.2010 13:00

jüngere vorrömische Kaiserzeit! :D
Es handelt sich um Großromstedt. Die Dokumentation ist recht schlecht, es gibt nur je eine Umrisszeichnug der beiden Exemplare. Wenn du sie trotzdem sehen möchtest, scanne ich sie ein! Ich beschäftige mich mit den Waffengräbern und benötige dafür natürlich eine klare Definition (Was zählt zu den Waffen?). Die wenigen Axt/Beilfunde (es kommt mir so vor als wäre die Unterscheidung von Axt und Beil nur bei den Neolithikern von Bedeutung?) der jüngeren vrKZ entlang der Elbe werden in der Regel als Waffen angesprochen. Unter anderem aus dem Grund, da relativ wenige Werkzeugbeigaben der Zeit bekannt sind (aber auch mind. so wenige Axtbeigaben!). W. Adler spricht die Äxte aus Großrst. als Werkzeuge an. Für mich ist es relativ wichtig, wie ich mit denen umgehe. Würde man sie als Waffe ansprechen, würden sich die beiden Bestattungen eben erheblich von den restlichen Waffengräbern unterscheiden. Des weiteren mein K. Peschel auf dem Gräberfeld auch Werkzeuge zu erkennen.

Kurz: Ich kann mich auf Adler stützen, möchte aber gerne noch ein paar unterschiedliche Meinungen einholen.


Jetzt doch gleich die Bilder:

Bild
DcMartns
 

Beitragvon ulfr » 01.12.2010 13:21

Nur anhand des Umrisses ist es immer schwierig, Geräte einzuordnen, aber ich könnte mir bei der linken Axt eine Funktion als Spaltgerät vorstellen (Holz, nicht Schädel! :D ) wegen der stark keilförmigen Ausführung und den Knicken vor dem Haus (so bezeichnet man heute das Schäftungsloch) in der Draufsicht. Das rechte Gerät erinnert vom design her wegen der Lappen unterhalb des Hauses ein wenig an die römischen Zimmermannsäxte.

Das Anbringen eines Knaufes hinter dem Haus ist bei (sub)modernen Äxten meist ein Zeichen für die Verwendung im Zimmererhandwerk. Für Zimmerer ist es ein nono!, Nägel mit dem unverstärkten Haus eines Beils oder einer Axt einzuschlagen, denn dabei verbiegt sich möglicherweise das Haus und kann sogar reißen.

Zur Unterscheidung Axt-Beil hatten wir mal einen thread, die Unterscheidung bzw. Definition gilt, wie Du schreibst, nur für die UFG. Axt = gelocht, Beil nicht.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
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Beitragvon DcMartns » 01.12.2010 22:36

die linke ist 8,3 cm lang (damit Holz spalten?) die rechte 11,3

wenn man sich Zimmermannsäxte ansieht, so haben diese meist ein sehr breites Blatt.
Der Ausgräber selbst beschreibt beide als zu klein für Waffen (aber wie sieht es mit Wurfäxten aus? Ich kenn mich da nicht aus, da ich nicht von der praktischen Seite komme).

Ich hätte gern, dass beide Exemplare keine Waffen sind! Aber so einfach geht das ja nun auch nicht... :lol:
DcMartns
 

Beitragvon Thomas Trauner » 03.12.2010 10:09

Huch, da bin ich wohl etwas von der Bahn gekommen.

Ich dachte es geht um Steinäxte, wohl ausgelöst vom Parallelthreat über die Holzbearbeitung mit LBK-Dechseln/Beilen....
Bei den frühen Germanen ist der Gedanke an Waffe natürlich naheliegend vor allem weil man leicht die Franziska im Kopf hat (Wortspiel..)

Ich denke, es kommt hier im Großromstedt wohl stark auch auf den Fundzusammenhang an. Gräber mit anderen Waffen/Werkzeugen ? Da könnte sich ein Analogschluß ergeben..
Oder Siedlungsfund ? Würde dann wohl eher für Werkzeug sprechen....
Klar, bei einer Bergung 1910 ist das schwierig, aber irgendwas wurde wohl doch notiert....

Bei der Beurteilung rein von der Form her hat Ulfr sicher recht.

Ansonsten, wie gesagt, Fundzusammenhang klären..

Viele Grüße
Thomas
Thomas Trauner
 

Beitragvon ulfr » 03.12.2010 11:59

Zimmermannsäxte haben nicht zwingend ein breites Blatt oder einen heruntergezogenen Bart, denn für jeden Einsatz gibt es spezielles Werkzeug. Beile mit breitem Blatt sind oft Behaubeile, nur dazu gedacht, Balken zuzurichten, in der Zimmerei wurden auch kleine Beile verwendet.

Literaturtipp:
Velter, A., Lamothe, M.-J. 1979: Das Buch vom Werkzeug, Weber-Verlag, Genf

Abb. daraus per PM auf Anfrage
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Beitragvon Fridolin » 03.12.2010 13:50

Thomas Trauner hat geschrieben: Zur Funktion: Na ja, es gibt aus Norddeutschland, Fundort ist mir jetzt nicht gegenwärtig, Publikation war nur in einem Heft, nicht in einer normalen Fachlichen Schriftenreihe, einen Fund einer „Hammeraxt“, mit extrem langen, fast 1,60 m langen Schaft. Der Schaft war aufwändig mit Birkenrinde umwickelt, die Rinde dabei mit kleinen rautenförmigen Durchlochungen versehen. Damit ergab sich ein schönes Farbenspiel mit der weißen Rinde und dem schwarzen Birkenpech.


Möglicherweise meinst Du diese Axt, Thomas. Wer hat's erfunden...?
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=f ... th%253Dent

sehenswert!

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Trebron » 03.12.2010 16:26

Sehr schön, danke für den Link !
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
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