Arbeitsweisen und Werkzeuge

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Beitragvon ulfr » 07.10.2008 11:34

Blattspitze hat geschrieben: gelösten Holzspänen


Ist mir nur ganz selten untergekommen, wenn die Schnabelwangen genau am Beil anliegen und die Wicklung stramm mit nassem Leder ausgeführt wird, das sich hinterher zusammenzieht, geht da eigentlich nix zwischen.

Trebron, die genauen Maße des Beils und des Schaftes stehen im Spindler "der Mann aus dem Eis" bzw. musst Du sie anhand der Fotos hochrechnen bzw. einen Scan so skalieren, dass Du die Umrisse erhältst.

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Beitragvon Trebron » 07.10.2008 12:07

ulfr hat geschrieben:
Trebron, die genauen Maße des Beils und des Schaftes stehen im Spindler "der Mann aus dem Eis" bzw. musst Du sie anhand der Fotos hochrechnen bzw. einen Scan so skalieren, dass Du die Umrisse erhältst.

ULFR


OK, Das Buch habe ich, nochmal lesen :oops:

Danke

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Beitragvon alpenueberquerer » 07.10.2008 18:15

moin moin
zum ötzibeil habe ich auch etwas zusagen.
das ding ist natürlich ein werkzeug wenn auch ein vielseitig verwendbares.
aber in erster linie glaube ich an ein dexelartiges werkzeug mit dem hang zur stoßaxt.
die stoßaxt ist ein werkzeug des zimmerers, das mit beiden händen geführt wird. die eine am hinteren griff, die andere im 90 gradwinkel auf dem klingenschenkel. der vorne die kurze nicht breiter als 6 -8cm klinge hat.
super werkzeug wenn scharf ist.
in diesem sinne.
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Beitragvon Blattspitze » 07.10.2008 19:41

Hmm ...
-die Spuren am Bogenstab sehen anders aus als mit einem Kupferbeil ?
-Nutzung als Stossaxt wahrscheinlicher ?
-zum Spalten nicht geeignet !?
-bei Eichenknästen (Ulfr) und bei Eibe (H. Paulsen) ist häufigeres
Nachdengeln erforderlich?

Als Fällaxt erscheint mir persönlich das Beil als zu leicht, es lässt sich eben einhändig waffenartig gut "schwingen" und in der Hand drehen (Schaftende unten mit eher rundem Querschnitt!) von scharf zu stumpf (Spass zu Ernst). Ebenso halte ich den vordersten Bereich der Rohhautbindung aufgrund nicht ausgebildeter Lippe/Vorsprung im vorderen Wangenbereich für sehr beschädigungsgefährdet. Auch die Nutzung des spaltanfälligen Eibenholzes für eine Wangenschäftung widerstebt mir. Bei feuchtem Holz und Arbeit im Rindenbereich spritzt manchmal Pflanzensaft auf die feuchtigkeitsempfindliche Rohhautbindung. Nach Spindler sinds von der Schneide bis zum Absatzartigen Wangenholz/Rohhautbindung nur sehr, sehr kurze ca. 3cm, für ein langstieliges Fällbeil eigentlich überhaupt nicht schön. Die Originalklinge hatte einen Lunker im Schneidenbereich, der bloss zugedengelt wurde.

Ulfr, Dein erfolgreicher längerfristiger Einsatz des Beils ist für mich das Hauptargument für eine primäre Werkzeugnutzung. Bin jetzt doch wieder bei 85% vornehmlich Werkzeugnutzung zu 15% Waffenwahrscheinlichkeit.
Ja, mit Werkzeugen lässt sich verletzen und töten aber Waffen lassen sich in Notsituationen eben auch als Werkzeuge einsetzen (Baumfällen mit der Mammen-Axt oder dem Ulfberth-Schwert!) und überhaupt, ich fälle mit einem Vorschlaghammer auch einen Baum wenn es sein muss.

Was ist mit dem Kupfer=selten/teuer/prestigeträchtig = Waffe Argument? Das wurde doch auch von einem Teil der Archäologen-Fraktion vorgebracht?
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Beitragvon Steve Lenz » 07.10.2008 19:48

Aufgrund der Schaftlänge gehe ich persönlich eher von einem Prestigeobjekt (Waffe eher denn Werkzeug) aus.
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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Beitragvon Blattspitze » 08.10.2008 07:09

Geht`s um Waffen und Verdreschen, erst mal mit dem Fachmann sprechen!

(Ich entschuldige mich hiermit bereits im Vorfeld für diesen undisziplinierten Zwischenruf. Schönes Signatur-Zitat von Siegried Lenz übrigens, Steve!!!!!)
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Beitragvon Thomas Trauner » 08.10.2008 09:06

Was ist mit dem Kupfer=selten/teuer/prestigeträchtig = Waffe Argument? Das wurde doch auch von einem Teil der Archäologen-Fraktion vorgebracht?


Halte ich nichts davon. In dem Zeithorizont finden sich Kupfergegenstände bei bestimmten "Kulturen" (Remedello, Altheim, etc.) sogar relativ häufig. Das seltsame ist nur, dass er offenbar "Kupferablehnende" Kulturen gab, die das Metall nicht verwendeten, die Nachbarkultur aber offenbar schon. Hmm.
Fundlücken, Bestattungsbräuche etc. verschieben die Überlieferungsbedingungen so, dass wohl keine ausreichend untermauerte Statistik gibt, die "selten" wirklich rechtfertigt.
Dann auch noch deshalb auf "Waffe" zu schließen...na ja.

Was ich halt für den Beleg als Waffe auch noch gerne hätte, wären die Schäden am humanen Knochenmaterial. Wenn da nichts zwingendes dabei ist, bleibe ich lieber bei der einfachen Erklärung Werkzeug als Intention, "Waffe" wenn?s denn mal sein muss.

Thomas
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Beitragvon Trebron » 08.10.2008 09:26

Habe ich gerade gefunden:

http://komxpress.lra-dgf.bayern.de/DynD ... rabung.pdf

ist wegen der Zeitangaben beim Baumfällen !

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Beitragvon ulfr » 08.10.2008 09:47

alpenueberquerer hat geschrieben: dexelartiges werkzeug mit dem hang zur stoßaxt.


Das kann ich nun gar nicht nachvollziehen, denn:

a) wäre ein Dechsel quer geschäftet und

b) sieht eine Stoßaxt ja nun ganz anders aus. Bei einer modernen Stoßaxt sind Klinge und Schaft ein Teil, am Ende ist ein kurzer Quergriff angeschweißt.

Bild

Dann müsste die Schneide der Ötzibeilklinge auch nur einseitig gefast sein. Eine Verwendung des Beiles, so wie es gefunden wurde, als Stoßaxt (außer im Notfall, um schnell mal einen vorstehenden Span wegzuputzen) halte ich für ausgeschlossen.

Marquardt, der Lunker in der Schneide ist sehr klein und nur im Röntgenbild sichtbar.

Die Beilklinge weist deutliche Spuren einer Benutzung auf, wobei natürlich fraglich ist, von welcher Benutzung. Kupfer ist bekanntlich relativ weich, und so wie allein bei der Bergung der Leich vorgegangen wurde, bin ich da mal vorsichtig. Wenn es sich jedoch um Arbeitsspuren handelt, so stammen sie doch wohl eher von der Bearbeitung von Holz denn von der menschlicher Körperteile...

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Beitragvon Blattspitze » 08.10.2008 10:32

Thomas, was das Prestige/Seltenheits-Argument angeht, bin ich bei Dir.
Aber "Negativabdrücke" der Kupferklinge im Human- Knochenmaterial als Beleg für Waffennutzung zu fordern, ist schon arg. Dann wären ja umgekehrt Flachhacken und Schuhleistenkeile gem. Talheim-Massengrab vornehmlich Waffen? Und wo sind die eindeutigen Werkzeugspuren des Kupferbeils? Am Bogenstab?
Ich glaube, wir sind teilweise auch dadurch verblendet, dass wir nachgebaute Werkzeuge vielfach im Arbeitseinsatz nutzen, funktioniert dann etwas, ist es für uns eben Werkzeug. Diesen positiven "körperlich spürbaren Erfolg" haben wir bei Waffen selbstverständlich nicht.

Vorschlag für Experiment: Schweinekadaver mit Ötzibeil "bearbeiten", Rechtsmediziner beurteilt Verletzungen.
Ergebnis möglicherweise: Schwere tödliche Verletzungen, aber Rohhautbindung weicht auf!
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Beitragvon Thomas Trauner » 08.10.2008 11:40

Aber "Negativabdrücke" der Kupferklinge im Human- Knochenmaterial als Beleg für Waffennutzung zu fordern, ist schon arg.

und
Dann wären ja umgekehrt Flachhacken und Schuhleistenkeile gem. Talheim-Massengrab vornehmlich Waffen?


ah...das alte Problem mit Beleg, Möglichkeit und Annahme.

Wenn wir einem "Werkzeug" (Intension: Werkzeug) auch die Möglichkeit zur Waffe (techn. Möglich, z.B. Messer, Beil etc.) unterstellen und damit auch die Annahme treffen, bleibt das solange eine Annahme, bis wir einen Beleg haben.
Bei Talheim haben wir mehrere sichere Belege.
Damit ist "auch Waffe" gesichert. Nicht nur Waffe, da ausser den Beilen kaum andere Funde als Verursacher der belegten Holzbearbeitung (Brunnen, sonstige Siedlungsfunde etc.) in Frage kommen.

Beim Kupferbeil haben wir die Belege nicht. Damit bleibt es eine (gut begründete) Annahme.

Ich denke, es ist eine Definitionsfrage. Da ich praktisch jedes Werkzeug als Waffe verwenden kann, ist an dieser Stelle die Definition sehr unscharf.
Letztlich wäre m.E. die Intension bei der Herstellung des Gerätes ausschlaggebend.
Ich kann mit einem Dolch schnitzen und ein Schwert, eine Lanze, eine Keule oder einen Pfeil als Hebel benutzen. Da diese Dinge sicher keine optimale Gestaltung für den Zweck haben, sondern über weitere Eigenschaften verfügen, ist hier die Intension offensichtlich eine andere.
Das gleiche gilt für Werkzeuge. Beim Beil ist dies allerdings wirklich schwer zu entscheiden, ergo bleiben grundsätzlich beide Möglichkeiten.
Deshalb fehlt als Beleg eine Spur als Waffe.
Ich gebe zu, man kann über die Kulturkontinuität argumentieren. (neolithikum). Aber sicher nicht mit "Wert".

Thomas
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Beitragvon Blattspitze » 08.10.2008 11:49

Die entscheidende Spur zur Waffe statt Werkzeug:
Die Fundsituation, die eine kriegerische Auseinandersetzung belegt.
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Edit: Warum handelt es sich bei dem Ötzi Beil zuallererst um ein Werkzeug, dessen Waffeneignung zunächst Annahme ist? Man kann es auch genau umgekehrt sehen.
Zuletzt geändert von Blattspitze am 10.10.2008 11:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Trebron » 08.10.2008 13:38

Blattspitze hat geschrieben:Die entscheidende Spur zur Waffe statt Werkzeug:
Die Fundsituation, die eine kriegerische Auseinandersetzung belegt.
Marquardt


Wenn ich die noch richtig im Kopf habe, lag das Beil auf einem Felsen, abseits von Ötzis Liegeplatz, bei der Trage und dem Bogen. Lediglich die zum-O- geformte rechte Hand deute darauf hin, dass er sein Messer in der Hand gehabt haben könnte.

Wenn da oben alles weiter abtaut, findet man vielleicht noch eine Eismumie mit eingeschlagenem Schädel und Ötzis Axt passt dort rein :shock:

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Beitragvon Mela » 08.10.2008 13:40

Mein Haus- und Hofzimmerer teilt Ulfrs Meinung zum Ötzibeil - weder Dechsel noch Stossaxt.

Bei der von uns postulierten Gusstechnik (offene, einschalige Form) sind solche kleinen Lunker sehr häufig - und nach dem Überdengeln auch nicht wirklich ein Problem.

Häufigkeit: ich habe irgendwie die Zahl von 3% der Männergräber im Gräberfeld von Remedello im Kopf, die im Besitz von Kupferbeigaben (Beilen) waren - ich würde das zwar nicht "häufig" nennen, aber auch nicht besonders selten... (Ob Grabbrauch die Realität widerspiegelt, lassen wir mal aussen vor)

Liebe Grüsse

Mela
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Beitragvon ulfr » 08.10.2008 13:47

Blattspitze hat geschrieben: aber Rohhautbindung weicht auf!


Das glaube ich nicht, da müsstest Du den Kadaver schon extrem lange "bearbeiten". (als "nicht Gedienter" kenne ich mich da nicht so aus, aber generell sollte doch ein platzierter Schlag ausreichend sein, oder?) Ich hab das Ötzibeil übrigens auch im Regen benutzt, no Problem. Allerdings war die Wicklung aus vegetabil gegerbtem Leder, aber das dürfte keinen großen Unterschied machen. Laut Spindler ist auch gar nicht geklärt, ob es Leder oder (Roh)Haut war.

ULFR

Edit: Die Schaftlänge ist imho auch kein Argument für oder gegen Waffe oder Werkzeug, viele neolithische und bronzezeitliche Beilholme sind genauso lang oder sogar noch länger als der Schaft des Ötzibeils.
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