Lederkunst

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Lederkunst

Beitragvon Mongol » 03.01.2006 10:45

Ich suche Informationen (Literatur etc.) zum Thema "Lederkunst" - genauer gesagt, über Ursprünge von Lederflechtungen & -punzierungen bzw. über Funde & Ausgrabungen.

Bisher hab ich nur die etwas schwammige Information bekommen, daß wohl die Phönizier viel damit gemacht hätten. Die Mauren haben das dann wohl übernommen und nach Europa gebracht (Spanien), von wo aus es dann in die neue Welt kam.

Weiß da irgendwer was genaueres - am besten mit Quellen!
Mongol
 

Beitragvon Nika E.S. » 03.01.2006 11:56

In Gold der Skythen aus der Leningrader Eremitage, dem Ausstellungskatalog 1984 München sind einige Stücke abgebildet - Gürtel oder Riementeile - bei denen Leder auf Leder appliziert wurde.

Ansonsten kannst du ja mal Unibibliotheken durchsuchen:
Mit dem OPAC System kannst du zu Stichworten Bücher finden. Ausleihen geht zwar nur wenn du irgendwo immatrikuliert bist, aber Titel, Autoren etc. bekommst du genannt, und die kannst du dann anderswo suchen.
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 09:07

Danke erst mal für den Tipp - aber entweder stelle ich mich zu dumm an oder es gibt einfach keine große Forschung in der Richtung.
Begriffe wie "Lederflechtung" & "Punzierungen" bringen keine Ergebnisse und "Lederverarbeitung" bringt nur ein Buch, das sich mit der Lederverarbeitung der Römer auseinandersetzt...

Möglicherweise liegt es ja auch daran, daß es einfach relativ wenig Fundstücke aus Leder gibt :shock:
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 09:31

Naja, wie auch. Leder als organisches Material erhält sich im archäologischen Fundgut eigentlich kaum. Es erfordert ganz bestimmte Erhaltungsbedingungen, zB Naßlagerung unter Sauerstoffabschluss oder andersrum extreme Austrockung. So sind beispielsweise die Schuhfunde (römisch) oder Schildhüllen (römisch) erklärbar. Aus vorgeschichtlichem Zusammenhang sind mir jetzt nur die hallstattzeitlichen Funde aus den Bergwerksschächten ( Salzlagerung) von Schuhresten bekannt.

Werkzeug (Punzen) sind m.W. auch nicht eindeutig nachgewiesen. Im römischen Zusammenhang gibts zwar Schuhwerk, das möglicherweise gepunzt ist ( Lochpunzen), aber das wars aber auch schon.

Hans
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 09:46

Das ist mir schon klar, daß es wenig Lederfunde gibt, weil das Zeug recht schnell verrottet.
Aber theoretisch sollten sich Ledersachen im Klima der Arabischen Halbinsel gut erhalten.
Vielleicht gibt es ja auch entsprechende (antike) Quellen, die von Lederarbeiten berichten...

Daß die Mauren Punzier- & Flechttechniken nach Spanien mitgebracht haben ist relativ leicht nachweisbar. Aber von wem haben's die Mauren. Eine meiner Quellen erwähnt da am Rande die Phönizier.

Leder ist nun mal ein Material, daß die Menschheit schon sehr früh verarbeitet hat - noch vor Metall...
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 11:04

Die Mauren etc sind ausserhalb des 'Geltungs- und Zuständigkeitsbereichs' dieses Forums. Gleichwohl: Mauren sind nie Phöniziern begegnet, wann denn. Von Mauren spricht man erst nach der Islamisierung Nordafrikas, da sind wir bereits ca. Ende des 7. bzw Anfang des 8. Jahrhunderts nach Christus. Und es sind Berberstämme. Die Phönizier dagegen waren ungefähr da, wo heute der sog. 'Nahe Osten' ist und mit denen war spätestens im 4. Jahrhunderts vor Christus Schluss, nach den Eroberungszügen Alexander des Grossens. ( Eigentlich schon vorher, aber das würde jetzt zu weit gehen). Selbst wenn man Karthago noch als phönizisch rechnet, das haben die Römer im 2. Jahrhundert v.Chr. abgefackelt. Bleiben also je nach Betrachtungsweise 800 bis 1000 Jahre Abstand zwischen Phönizier und Mauren. Ein bisschen viel für die Übernahme von Punziertechniken. :wink:

Handwerkstechniken müssen nicht immer irgendwo her kommen. Sie entwickeln sich sehr oft nach dem uralten Prinzip 'Same problem, same solution'. Bei Verzierungstechniken spielen natürlich auch Geschmack und Mode die Hauptrolle. Auch spielt der 'Entwicklungsaspekt' bei grundlegenden Techniken kaum eine Rolle. Es gibt da viele Beispiele daß nach Einführung einer bestimmten Grundtechnik ( also zB Töpferei oder Metallverarbeitung) schlagartig ( noch dazu an vielen Stellen nahezu gleichzeitig) alle nötigen Techniken fast vollständig entwickelt sind.

Natürlich bestätigen Ausnahmen diese Regel ( Beispiel Drehscheibenkeramik).

Bei der vergleichsweisen doch recht simplen Technik der Lederverarbeitung ist davon auszugehen, dass die Verarbeitungstechnik ausschließlich von den Ressourcen ( Keine Lohegerbung in der Eiszeit) und der Mode ( Beispiel von Ferro) abhing, nicht jedoch von Lernprozessen vorhergehender oder benachbarter Kulturen.

Ich würde dir deshalb raten, dich eher im völkerkundlichen Bereich zu informieren als im archäologischen Umfeld.

Grüße
Hans
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 11:14

na ja... als "vergleichsweise recht simpel" würde ich Lederverarbeitung wirklich nicht unbedingt bezeichnen... Aber dennoch danke für den Hinweis, daß dieses Forum für meine Problemstellung nicht zuständig ist - es hätte ja sein können, daß mir hier jemand hätte weiterhelfen können, der mehr in der geschichtlichen Materie steckt als ich.

Interessant find ich den Tipp von Ferro, daß die Skyten anscheinend schon recht gezielt mit Leder verziert haben...
Mongol
 

Beitragvon Steve Lenz » 04.01.2006 11:30

Der Hinweis
Die Mauren etc sind ausserhalb des 'Geltungs- und Zuständigkeitsbereichs' dieses Forums.
sagt nichts darüber aus, dass dies Forum für Dein "Problem" nicht zuständig sein soll!

Hans wollte Dir lediglich mitteilen, dass die Mauren weit nach dem hier eigentlich behandelten Zeitbogen mit der von Dir verwendeten Bezeichnung auftauchen. :D

Und Hans weiß, dass ich hier keine zeitlichen "Ausbrüche" haben mag! :idea:
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 11:42

Ist mir schon klar, daß Mauren mit z.B. Phöniziern nicht wirklich viel zu tun haben - aber es ist halt der Stand der Information bzgl. Rückverfolgung von Lederkunst der nach meinen Recherchen noch am sichersten ist.
Ich interessiere mich halt für die Usprünge bzw. früheste nachweiß Anwendung derselben - das können ja nu Reliefs, Schriften, Lederfundstücke oder sonstwas sein...

Man hat ja z.B. mal einen durchbrochenen sehr kunstvollen (germanischen?) Schuh im Moor gefunden (ist, glaub ich, im Museum in Schleswig) zu besichtigen. Eine Römische Legionärssandale ist ein auch recht aufwendiges Stück Handwerk (wenn auch für meinen Geschmack ziemlich schmucklos)...

Wie schon gesagt: ich forsche nach Wurzeln von Lederkunst(/-handwerk) im weitesten Sinne. Dabei ist zunächst erst mal egal aus welchem zeitlichen/kulturellem Zusammenhang, denn es gibt einfach nicht viele Informationen zu diesem Thema.
Sind genügend Daten zusammengetragen, kann man sich auch entsprechend ein Bild machen.

Es wäre z.B. denkbar (eigene Spekulation), daß jener legendäre Gordische Knoten aus Leder/Rohaut gefertigt war. (bei den "Cowboys" des 18 Jhd. finden sich ähnliche Techniken - und die beruhen im Endeffekt auf dem Wissen der Mauren)
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Beitragvon Nika E.S. » 04.01.2006 12:49

Hier hab ich einige Bilder gepostet, da kann man dann auch besser über Inhalte diskutieren als unter 'Publikationen'

Altai-Skythische Lederapplikationen
Zuletzt geändert von Nika E.S. am 04.01.2006 12:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 12:50

Mongol, solche weiträumigen und spekulativen Zusammenhänge sind aus rein archäologischer Sicht schwierig nachzuvollziehen. Da ist die Denke eine völlig andere. Wie ich schon sagte, ich meine, der völkerkundliche Blickwinkel ist für deine Problemstellung der mehr versprechende.

http://www.ledermuseum.de/

Das Museum hat auch eine eigene Publikationsreihe. Insbesondere die Kataloge scheinen mir da recht interessant für dich zu sein.

Grüße
Hans
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 13:02

@Hans

Danke für den Link - die Seite war mir schon bekannt (s. Linkliste meiner HP) und die Leute dort konnten mir leider auch nicht wirklich weiterhelfen...

Es ist halt recht schwierig, da Informationen zu finden, da es nur wenig Fundstücke gibt und sich anscheinend nur wenige Wissenschaftler dafür interessieren.
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 13:42

Ich denke, es liegt nicht am mangelnden Interesse, sondern an den wenigen Fundstücken - wobei ich nicht weltweit sprechen kann, sondern jetzt mal im Rahmen der deutschen (vielleicht noch angrenzendes Ausland) Vorgeschichte. Hier bleibt nichts anderes, als die jeweilige Originalpublikation (wenn es denn eine gibt) zum jeweiligen Fundstpück zu suchen und die Beschreibung zu lesen oder sich selbst vor Ort im jeweiligen Museum ein Bild zu machen.

Die Frage ist auf was willst du eigentlich hinaus. Wie wir schon festgestellt haben, ist die Quellenlage durchaus dürftig. Für eine Zulassungsarbeit an einem Lehrstuhl für Vorgeschichte reichts nicht.

Bei einer Rekonstruktion haben wir jedoch keine Hemmungen, zB Zierpunzen einzusetzen, die von Form und Geschmack her den Punzen entsprechen, die beispielsweise bei Metallarbeiten eingesetzt wurden. Und da gibts zB für die Hallstattzeit genügend Funde. So haben wir meinen HaD-Gürtel wie einen enstprechenden Metallgürtel / Gürtelblech punziert. Oder eine Messerscheide eines Jagdmessers auch nach Metallmotiven verziert.

Dies sind aber keine Fakten, allenfalls begründete Annahmen.

Und wie schon gesagt, eine "Kulturgeschichte der Lederpunzierarbeiten", die, so glaube ich, die wirds auch in absehbarer Zeit nicht geben.

Grüße
Hans
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 13:52

Ich hab z.Z. keinerlei Überblick, was es denn an Funden so überhaupt gibt, mit anderen Worten ich bin noch ganz am Anfang meiner "Suche".

Mit mangelndem Interesse bei Wissenschaftlern meinte ich die Tatsache, daß gerne und viele Daten/Fundstücke gesammelt werden, die dann in Archiven verschwinden und z.T. auch schlicht und ergreifend wieder vergessen werden. Möglicherweise ist auch noch niemand auf die Idee gekommen, sowas wie einen Überblick im Bezug auf "Lederarbeiten" zu erstellen...
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 16:25

99% wissenschaftlicher Arbeit ist Bibliotheksarbeit, langwierig und -weilig (mitunter). Und ob sie von Erfolg gekrönt ist, weiss man am Anfang auch nicht immer.

Die Frage ist also, weshalb sollte sich jemand hinsetzen und die allumfassende Kulturgeschichte der Lederarbeit schreiben. Ich kann mich nur wiederholen: Das ist kein archäologisches Thema, sondern ein völkerkundliches. Man nehme Kontakt auf zu den entsprechenden Museen und bitte um Benutzung der dortigen Fachbibliotheken. Die Bibliothek des Ledermuseums ist auch grösser als man denkt.

Um bei der Archäologie zu bleiben: Auch hier ernährt sich das Eichhörnchen mühsam. Am erfolgversprechensten ist noch der 'römische' Weg, denn da gibt es relativ viele Funde, wenn auch handwerklich unspektakulär. Die Funde sind aber über das ganze 'römische Reich' verteilt, so dass die Quellenarbeit auch eine langwierige ist.

Wir hatten/haben das Problem im Forum aber schon öfter, dass ein moderner Handwerker sich wundert, weshalb denn sich noch niemand Gedanken um eben sein Handwerk in vorgeschichtlicher Zeit gemacht hat. Typische Fragestellungen sind dann 'welche durchschnittliche Vickershärte haben hügelgräberbronzezeitliche Schwerter?' oder 'welche Auszugslänge haben eiszeitliche Ulmenbögen' ?

Solche Fragestellungen stellt sich in der Archäologie eigentlich niemand, sie sind für das Fachgebiet nicht sonderlich relevant....erst in der jüngsten Vergangenheit kommen auch Vorgeschichtler im weitesten Sinne drauf, dass vertiefte Analysen der Sachkultur, deren Rekonstruktion und Experimente mit den Rekonstruktionen sehr wohl einen Zugewinn an verlässlicher Information ermöglichen.

@Mongol,
das Fundstücke vergessen werden ist ein gängiges Vorurteil. Jeder Sammlungskurator kennt normalerweise sogar die Fundnummer seiner Sammlung auswendig. An was es mangelt, sind zB einheitliche Recherchesysteme. Aber da sei die Kulturhoheit der Länder vor :twisted: .

Grüße
Hans
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