Lederkunst

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Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 20:17

Ich bin mal auf die Schnelle meinen Fundus durchgegangen:

Hier ein Beispiel vorgeschichtlicher Flechtarbeiit von Rohhaut in Kalbsfell.
Es ist ein Kraxe aus dem Salzbergwerk in Hallstatt, im dortigen Museum. Identische Stücke auch in NHM in Wien.

Bild

Datierung: Urnenfelderzeitlich / sagen wir mal 1000 bis 700 v.Chr.

Detail:

Bild


Das dazu passende Schuhwerk...FO/AO auch Hallstatt, Datierung auch Urnenfelderzeitlich. Man beachte das durchgezogene Band am oberen Rand

Bild

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Hans
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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 21:01

Super Bilder - ich bin begeistert. Diese Flechttechnik wird heute noch z.T. von südamerikanischen Gouchos verwendet um (Pack-)Beuteln ("Seesackform") eine gewisse Stabilität zu geben.

Sehe ich das richtig, daß auf der abgewandten Seite des Schuhs so eine Art (Verschluß?-) Knebel ist?
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 22:10

Mongol hat geschrieben: Diese Flechttechnik wird heute noch z.T. von südamerikanischen Gouchos verwendet um (Pack-)Beuteln ("Seesackform") eine gewisse Stabilität zu geben.


Das ist das was ich mit 'same problem, same solution' meine. Niemand würde ja behaupten wollen, die Gouchos hätten diese Technik von den Kelten... 8)

Was den Knebel anbelangt: Nee, da steht einfach das Flechtband ein Stück raus.

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Beitragvon Mongol » 04.01.2006 22:17

Vielleicht nicht direkt von den Kelten - so aber doch (ursprünglich) von den Spaniern. Und ist es denn so unvorstellbar, daß diese Techniken im europäischen Raum verbreitet waren?
;)
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 04.01.2006 22:59

Das nenn ich wahre Imaginationskraft! :twisted:

H.
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Beitragvon Mongol » 05.01.2006 05:59

Bestimmt! Zumal es ja zwischen Völkern die rel. nebeneinander lebten bzw. Handel trieben niemals kulturellen/technischen Austausch gab - erst recht nicht bei solch verhältnismäßig einfachen Techniken :twisted:
Mongol
 

Beitragvon Hans T. » 05.01.2006 09:18

Jetzt blick ich es nicht mehr....wer lebte nebeneinander? Die Spanier und die Menschen der Urnenfelderzeitlichen Kultur?

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Beitragvon Mongol » 05.01.2006 11:32

Ich mein ja nur, daß es gar nicht mal so weit hergeholt ist, daß diese Technik bis ins heutige Spanien gelangt sein könnte (z.B. durch Handel oder kulturellen Austausch). Und daß Handwerkswissen von Generation zu Generation weitergegeben wurde/wird ist ja eigentlich nichts ungewöhnliches (zumindest bis zum Zeitalter der Industrialisierung).
Mongol
 

Beitragvon Thomas Trauner » 05.01.2006 12:07

Mongol, im Prinzip folgts du mit Deiner Suche nach Zusammenhängen im Handwerk einem alten Pfad, auf dem schon viele ArchäologInnen gingen. Zu einem Ziel führt er nur sehr, sehr selten. Die Menschen haben einfach, egal welche Zeit, egal welche Kultur, erstmal dasselbe Gehirn und die selben Hände. Es gibt wirklich über Zeiten und Räume hinweg immer wieder verblüffend ähnliche Lösungen für ein Problem. Steinbeile mit Knieschäftung sehen in der Jungsteinzeit Mitteleuropas um 3000 v.Chr. genauso aus wie die, die noch im 20.Jh.n.Chr im Mela- und Mikronesien verwendet wurden. Was dann damit endete, dass man den Mela- und Mikronesiern den Stempel einer angebl. "Steinzeitkultur" aufdrückte. Nur - der Gag ist, gib einem durchschnittlich begabten Mitteleuropäer/in dasselbe Material und dieselbe Aufgabe - ich wette 1:10, daß die selbe Lösung wieder dabei herauskommt.
Technik und Handwerk ist nicht "evolutionär" oder "sich selbst verbreitend, weil gute Lösung". Sie wird immer wieder neu und unabhängig voneinander "erfunden" und gestaltet.
Deshalb gibt?s Klappmesser und kleine Tonringe, welche einen Gebährmuttervorfall verhindern, schon in der Hallstattzeit, beides war dann erstmal wieder weg, bevor jemand wieder drauf kam. Die Südamerikaner hatten natürlich schon lange "vor Kolumbus" das Rad, sie verwendeten es bloß nicht, weil sie keine Zugtiere hatten.
Oft verläuft die Entwicklung NICHT von einfachen zum komplizierten sondern umgekehrt.

Geschichtliche Technische oder künstlerische "Entwicklung" läuft nicht so, wie man es selbst persönlich als Lernender und im Berufsleben erfährt. Ausserdem leben wir erst seit 1950 in einer "Informationsgesellschaft" in der schnell Informationen ausgetauscht und "verbessert" werden. Niemand kann heute mehr einfach mal so eine Dampflokomotive bauen, nur weil es sie "schon mal gab". Die NASA hätte die größten Probleme die Saturn V Mondrakete noch mal zu bauen.
Genau dieser Analogieschluss von sich selbst oder der Geschichte des 20.Jh., dem technischsten Jahrhundert der kompletten Menschheitsgeschichte, auf Vorgänge der Vor- und Frühgeschichte führt immer wieder zu falsche Annahmen und verursacht viel Arbeit, die letztlich auf falschen Grundannahmen beruht.
Ähnliche oder gleiche Lösungen sind in aller Regel nur dann wirklich voneinander beeinflußt, wenn eine ganze Menge anderer Anzeichen für Kulturkontakte nachzuweisen sind.

Kürzer ging?s nicht, sorry.

Thomas T.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Mongol » 05.01.2006 15:49

Ok das ist halt Wissenschaft: selbst herauszufinden, daß man sich evtl. auf einem Holzweg befindet, bringt einen weiter.

Ansonsten ist auch klar, daß sich vergleichbare Problemlösungen unabhängig voneinander entwickeln können. Ebenso wie durch entsprechenden Austausch - wobei es da, wie schon richtig gesagt, immer recht schwierig mit der Nachweisbarkeit ist.

Wie auch immer - mein Interesse gilt nach wie vor der Lederkunst in frühen Zeiten (also Punzieren, Nähen, Flechten, Färben usw.) - egal ob man da nun einen nachvollziehbaren Verlauf zur heutigen Zeit findet oder nicht.
Mongol
 

Litauen

Beitragvon Metellvs » 01.03.2007 09:17

Ich schau mal nach, aber ich kann Dir glaube ich auch ein paar Sachen aus Litauen anbieten. Text allerdings auf polnisch...
Metellvs
Metellvs
 

Beitragvon Joachim S » 01.03.2007 16:45

Der Glauberggurt war weisst Punziermuster, Ziernieten und Zierkettchen auf, wenn ich mich recht entsinne, müsste zuhause noch mal nachschauen
Gruss
Joachim
Joachim S
 

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