Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern ?

Palaeozoologie, Palaeobotanik und alle archäologischen Hilfswissenschaften, sowie Methodendiskussionen innerhalb der Archäologie.

Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Monolith » 19.04.2023 16:23

Danke für Deine Meinung und Unterstützung, Sculpteur! Ich stimme auch Deiner Ansicht zu Wikipedia vollkommen zu. Ich hab Hern Kunze inzwischen vom Forum ausgeschlossen, denn die Debatte ging inzwischen deutlich an dem vorbei, was wir hier eigentlich diskutieren wollen.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Monolith » 19.04.2023 16:34

Addendum: Falls jemand außerdem noch Fragen zur wahren "Gesinnung" von Herrn Kunze hat - auch er hat einen Auftritt bei Wikipedia, der keine Fragen mehr offenlässt.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 19.04.2023 19:50

Sehr geehrter Monolith,

auch ich halte die Indogermanen, sowie die häufig synonym bemühten Indoeuropäer, für ein Konstrukt der Kolonialzeit. Soweit ich weiß, wurde diese Theorie in Deutschland zunächst von Friedrich Max Müller vertreten, welcher seinerseits von Thomas Babington Macaulay gefördert wurde. Als Jörgen Alexander Knudtzon unter den im Tell Amarna gefundenen Tontafeln die beiden Arzawa Briefe entdeckte, glaubte er zunächst damit einen wichtigen Beleg für die bis dahin lediglich rein theoretisch existierende indoeuropäische Sprache entdeckt zu haben. Als Hugo Winckler die sog. Arzawa Briefe dann jedoch als einen schriftlichen Ausdruck der hethitischen Sprache identifizierte, revidierte Knudtzon seine anfänglich dazu geäußerte Meinung und schloss sich der Auffassung von Winckler an. Wenig später kam dann zudem Emil Forrer zu der Einsicht, dass sich das Indische unter den insgesamt acht hethitischen Sprachen nicht nachweisen lasse. Schließlich räumte sogar Bedrich Hrozny ein, das sich eine Einwanderung der Indogermanen bzw. Indoeuropäer nach Anatolien in der ursprünglich angenommenen Weise nicht nachweisen ließ. Da trotz intensiver Bemühungen weder eine geschichtliche, noch eine archäologische Beweisführung gelungen sei, sei eine Darstellung der Historie der Indogermanen resp. Indoeuropäer unter fachlichen Gesichtspunkten nicht möglich, so Hrozny damals weiter. Doch man hörte damals nicht auf das, was Winckler, Forrer und Hrozny dazu mitteilten, sondern folgte stattdessen der von Gustaf Kossinna angeführten Schule und argumentierte seither abseits der tatsächlichen Faktenlage.

Soweit zu den Indogermanen resp. Indoeuropäern. Die frühen Hethitologen hatten sehr bald erkannt, dass sich ein entsprechender Nachweis nicht führen lässt, weil es keine archäologischen Funde gab, welche dies rechtfertigen würden.

Sodann möchte ich jedoch die folgende, von dir gemachte Aussage über Herrn Kunze widerlegen. Du sagtest über ihn :
Bisher war alles, was Sie hier erbracht haben falsch und für andere ... irreführend.
Diese Behauptung ist schlicht unzutreffend !

Auch wenn ich die eher beiläufig von Herrn Kunze geäußerte Meinung über die Historizität der Indogermanen ausdrücklich nicht teile, möchte ich mich an dieser Stelle doch ebenso ausdrücklich bei Herrn Kunze für den folgenden Beitrag bedanken, welchen ich in dem von ihm zitierten Blog von Ingo Bading als Quelle angegeben fand :

Link : https://www.biorxiv.org/content/10.1101 ... 1.full.pdf

Zitierweise : Brami, Maxime ; Winkelbach, Laura et alias : Was fishing village of Lepenski Vir built by Europe's first farmers ? Mainz 2022.

@ Klaus : In diesem Beitrag habe ich das für eine Darstellung der mesolithischen Wanderung fehlende Material gefunden und darf dies entsprechend der dazu gegebenen Lizenz sogar präsentieren. Vielen Dank für das Einstellen dieses Beitrages ! Den hätte ich alleine nicht gefunden.

Aus demselben Beitrag sei hier eine Karte gezeigt, welche die Einwanderung aus der Konya Ebene kommend über Lepenski Vir nach Europa darstellt.

Gruß in die Runde

Pitassa :rhino:
Dateianhänge
Lepenski_Vir_Karte_Mesolithische_Wanderung_der_anatolischen_Bauern_Quelle_Brami_Winkelbach_et_al._Lepenski_Vir_Mainz_2022_S.31_Fig._S2_B_Lizenz_CC_BY_NC_ND_4.0_.jpg
Karte zur mesolithischen Wanderung ca. 9500 - 5500 BC. Distribution of the 174 radiocarbon - dated sites with C 14 dates falling within the intervall 9.500 - 5.500 BC. Geographic coordinates from literatur. Quelle : Maxime Brami ; Laura Winkelbach ; Ilektra Schulz ; Mona Schreiber ; Jens Blöcher ; Yoan Diekmann ; Joachim Burger : Was fishing village Lepenski Vir built by Europe's first farmers ? Mainz 2022. Lizenz : CC-BY-NC-ND 4.0.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon ulfr » 19.04.2023 22:57

Ich denke, Monolith hat nicht explizit nur diese neuen Posts des Herrn Kunze gemeint, sondern dessen - gelinde gesagt - etwas wirren posts insgesamt seit seinem Aufschlag hier im Forum, und ich bin völlig mit Monolith d´accord: Brauchen wir hier nicht.
Was den zitierten Artikel von Brami et.al. angeht, kann ich nicht über ihn urteilen, dazu fehlt mir das Fachwissen, aber beim Durchblättern ist mir die Illu auf S. 25 aufgefallen - finde den Fehler ...
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 19.04.2023 23:41

Ich habe meine Meinung dazu gesagt.

@ S. 25

Gut beobachtet ... . :3:
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Monolith » 20.04.2023 06:02

Danke für Deinen Beitrag und Deine Meinung, Pitassa. Ich bezog mich in meiner Aussage ausschließlich auf Herrn Kunzes Darstellung der sogenannten Indogermanen sowie die der Wanderung von Mesolithikern in ehemals bandkeramische Siedlungsräume, die schlicht falsch sind und einem in jedem Proseminar und die Ohren fliegen würden, würde man sie behaupten. Der von Herrn Kunze zitierte Blogger sowie er selbst agieren nachweislich auf der rechten Seiten der Gesellschaft und was viel schlimmer ist, ist, dass sie dafür wissenschaftliche Daten so lange biegen oder erfinden, bis sie in ihre kruden Theorien passen. Ich denke nicht, dass das auf dieser Plattform irgendeinen Rahmen dafür geben sollte.
Die Bildunterdchrift der von Dir gezeigten Karte spricht übrigens fälschlicherweise von einer mesolithischen Wanderung, zeigt aber die Wanderung neolithischer Gruppen, denn eine mesolithische Wanderung gab es in Südosteuropa in diesem Sinne schlicht nicht.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Sculpteur » 20.04.2023 07:16

@Pitassa:Entschuldigung, Pittassa: Aber Monolith hat - insbesondere als Administrator alles richtig gemacht.
Er hat Herrn K. gemäß den Forenregeln und Statuten dieses Forums zu einer wissenschaftlichen Arbeitsweise aufgefordert und ihm die Möglichkeit für eine Korrektur eingeräumt.
Alles andere wurde bereits gesagt.

Natürlich kann es vorkommen dass auch jemand, der diese Aufforderung bekommt, nicht nur falsches oder unfundiertes verbreitet. Der Gesamtkontext des Auftretens in einem Forum ist aber entscheidend für eine Person, die aus einem Forum ausgeschlossen wird.
Mit den experimentalarchäologisch tätigen ist es wie mit den künstlerisch tätigen: sie müssen AKTIV unterstützt werden. Ansonsten gilt für beide Gruppen wohlmöglich das gleiche wie für allmählich aussterbende Handwerke: es wird sie nicht mehr lange geben.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 20.04.2023 07:36

Hallo Monolith.

Du hast folgendes geschrieben :

Eine mesolithische Wanderung gab es in Südosteuropa ... nicht
.

Diese Aussage ist sachlich falsch und daher wirst du sie bitte zurücknehmen, denn das stört die inhaltliche Darstellung. Es gibt ein bewährtes Zentrum / Peripherie Modell welches besagt, dass es von der geographischen Lage der Fundorte abhängt, ob man für die Zeit von 9500 - 5800 BC von Mesolithikern, oder aber von Neolithikern spricht. Etwas besseres haben wir bislang nicht.

Ich empfehle dir dazu den Aufsatz von Harald Stäuble, Carmen Liebermann, Jörg Orschiedt und Wolfram Schier. Diese haben nach eigenem Bekunden zwar ein Problem mit "bäuerlichen Mesolithikern" und führen dann zudem völlig abwegig bronzezeitliche Mesolithiker ein, aber wenigstens haben sie das auf Lüning aufbauende Zentrum / Peripherie Modell grundsätzlich verstanden :

https://www.researchgate.net/publicatio ... Wildbeuter

Diese interessante Publikation erschien 2021 und ist online als Volltext auch bei Wikipedia im Artikel "Mittelsteinzeit" verfügbar.

Guten Tag
Zuletzt geändert von Pitassa am 20.04.2023 08:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon ulfr » 20.04.2023 08:09

Pitassa hat geschrieben: daher wirst du sie bitte zurücknehmen


:mammut1:

Vorschlag: "... daher würde ich gerne mit Dir darüber diskutieren"

:mammut3:

Der Ton macht die Musik, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und ein Aufsatz macht noch keine unumstössliche Theorie, auch wenn ich drei der AutorInnen persönlich kenne und schätze.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 20.04.2023 08:44

Bedauere Ulf, aber die Pauschalität der inhaltlichen Aussagen, mit denen Monolith in diesem Thema aufgetreten ist, gefällt mir nicht, zumal sie mitunter falsch waren. Die von ihm und mir gemachten Aussagen bedürften in der tat einer Diskussion, aber dann sollte man dazu halt ein entsprechendes Thema eröffnen. Genau diese Möglichkeit besteht in diesem Forum und daher bitte ich darum im Bedarfsfall auch davon Gebrauch zu machen.

Hier in diesem Thema jedoch wird über das für und wider der mesolithischen Wanderung gesprochen und dies darf durchaus kontrovers geschehen - muss es jedoch nicht.

Wenn ich Monolith vorhin nun um eine Richtigstellung seiner Aussage gebeten habe, so halte ich dies selbst im übrigen nicht für ungewöhnlich und ich denke, dass dies auch notwendig war, denn sonst wäre ein falscher Eindruck entstanden.

:rhino:
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Monolith » 20.04.2023 10:50

Pitassa hat geschrieben:Hallo Monolith.

Du hast folgendes geschrieben :

Eine mesolithische Wanderung gab es in Südosteuropa ... nicht
.

Diese Aussage ist sachlich falsch und daher wirst du sie bitte zurücknehmen, denn das stört die inhaltliche Darstellung. Es gibt ein bewährtes Zentrum / Peripherie Modell welches besagt, dass es von der geographischen Lage der Fundorte abhängt, ob man für die Zeit von 9500 - 5800 BC von Mesolithikern, oder aber von Neolithikern spricht. Etwas besseres haben wir bislang nicht.

Ich empfehle dir dazu den Aufsatz von Harald Stäuble, Carmen Liebermann, Jörg Orschiedt und Wolfram Schier. Diese haben nach eigenem Bekunden zwar ein Problem mit "bäuerlichen Mesolithikern" und führen dann zudem völlig abwegig bronzezeitliche Mesolithiker ein, aber wenigstens haben sie das auf Lüning aufbauende Zentrum / Peripherie Modell grundsätzlich verstanden :

https://www.researchgate.net/publicatio ... Wildbeuter

Diese interessante Publikation erschien 2021 und ist online als Volltext auch bei Wikipedia im Artikel "Mittelsteinzeit" verfügbar.

Guten Tag


Ich verstehe nicht, warum Du Dich so angegriffen fühlst, aber wir können das gerne ausdiskutieren. Also, das Neolithikum ist dort, wo die neolithische Lebensweise vorherrscht. Die neolithische Lebensweise kam mit migrierenden Gruppen aus dem Vorderen Orient, wie alle bisher zitierten Artikel zeigen. Ergo "wandert" das Neolithikum bzw. deren Träger und nicht das Mesolithikum. Eine mesolithische Wanderung von Getreidebauern (in einem Wort) ist also ein Oxymoron.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 20.04.2023 12:09

Sehr schön, lass uns also inhaltlich differenziert diskutieren. :23:

Es wird im allgemeinen die Auffassung anerkannt, dass es im Neolithikum zwei Lebensweisen gab, nämlich zum einen diejenige der Jäger und Sammler, sowie zum anderen die in dieser Zeit aufkommende Lebensweise der zunehmend seßhaft werdenden Bauern. Der Singular "neolithische Lebensweise" ist von daher also von vornherein unpraktisch.

Bislang konnte einzig für die in Anatolien befindlichen Fundgebiete sicher nachgewiesen werden, dass ein und denselben Gesellschaften die Transformation von einer oftmals jahreszeitlich bedingt nomadisch lebenden Jäger- und Sammler Gesellschaft hin zu einer bäuerlich wirtschaftenden, zunehmend seßhaft lebenden Gesellschaft gelang, ohne dass dabei ein Zuzug durch andere Völker erfolgte. In Anatolien wurde die bäuerlich landwirtschaftliche Kultur offenbar nicht durch die Einwanderung fremder Gesellschaften mit gebracht und eingeführt, sondern im Rahmen des Handels mit Obsidian als nützlich erkannt und aus eigenem Antrieb aktiv erlernt und adaptiert. Die Einführung aufkommender Innovationen wurde demnach also nicht passiv erlebt, sondern im Zuge der Adaption aktiv kreiert und dann substantiell eigenständig weiter entwickelt.

Nun kam es um 7200 v. Chr. zu einer deutlich erkennbaren Abwanderung anatolischer Bauern in Richtung Europa. Vielleicht setzte diese sogar bereits früher ein. Zwischen ca. 6250 - 5850 v. Chr. passierten die Angehörigen dieser von Bauern getragenen Wanderungsbewegung die Gegend von Lepenski Vir in Richtung Norden. Um 5300 - 5000 v. Chr. erreichten die Strichbandkeramiker offenbar das Gebiet von Brandenburg, wie aus den Darstellungen von Günter Wetzel, Ebenda, S. 156 - 162 hervorgeht. Will man die Wanderung der anatolischen Bauern bis zur Erreichung des Linienbandkeramischen Kulturraumes also chronologisch erfassen, so ist die Begrifflichkeit einer "mesolitischen" Wanderung sicherlich zutreffend und deutlich genauer, als wenn man hier auf eine Beibehaltung des chronologisch doch vergleichsweise weit ungenaueren Begriffs des Neolitkums besteht. Überhaupt ist allgemein anerkannt, dass Entwicklungen, welche in Südosteuropa und Anatolien bereits im Mesolithikum stattfanden, in Mittel- und Westeuropa erst im Spätneolithikum realisiert wurden und dies sollte man daher auch so darstellen dürfen. Es ist folglich gar nicht hilfreich, wenn man eine im Mesolithikum stattgefundene Wanderung als solche in Abrede stellt, zumal die Verwendung der Begrifflichkeit des Mesolithikums in dieser Hinsicht für Entwicklungen in Kleinasien durchaus üblich und chronologisch deutlich genauer ist.

Das von dir genannte Oxymoron wird meines Erachtens darin liegen, dass entsprechende Entwicklungen in der Umgebung von Lepenski Vir als mesolithisch, im geographisch nicht allzu weit entfernt gelegenen Neusiedler See jedoch bislang als neolithisch bezeichnet werden. Tatsächlich würden die dort stattgefundenen Entwicklungen einer bäuerlichen Landwirtschaft unter chronologischen Gesichtspunkten jedoch als spätneolithisch zu bezeichnen sein, denn sie setzen, soweit ich weiß, erst nach 5800 v. Chr. ein.

Pitassa :sticken:
Zuletzt geändert von Pitassa am 20.04.2023 12:39, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Monolith » 20.04.2023 12:36

Pitassa, mit allem Respekt. Ich brauche keine Vorlesung für Neolithisierung. Ich habe einen Magister und einen Doktor in Ur- und Frühegeschichte und bin spezialisiert auf das nordische Neolithikum sowie das südosteuropäische Neo- und Chalkolothikum. Und ich kann Dir sagen, dass Deine Auslegung der Begrifflichkeiten leider falsch ist. Wandern tun, wie gesagt, nur die Neolithiker (mit regionalen Ausnahmen, aber darum geht es hier nicht). Dort, wo das Neolithikum eintrifft und die dominierende Lebensweise wird, spricht man vom Frühneolithikum. Dementsprechend beginnt das Frühneolithikum in den verschiedenen Regionen bzw. je nördlicher man kommt, etwas später, heißt dort aber immer zuerst Frühneolithikum. Die Mesolithiker, die vorher dort waren werden verdrängt. Na klar findet das eindringen der Neolithiker dann statt während in den anderen Regionen noch das Mesolithikum vorherrscht, das macht es aber nicht zu einer mesolithischen Wanderung. Was Deine anderen Punkte angeht: in Brandenburg beginnt das Neolithikum mit der Trichterbecherkultur, allerdings gibt es regional einzelne Exklaven von Linienbandkersmikern, später auch stichbandkeramischen (nicht StRichband!) und rössener Gruppen. Sie expandieren in einen Raum, der vorher von den Linienbandkeramikern gemieden wurde. Ein interessantes Nebeneinander von Neolithikern und Mesolithikern bestand, dies führte aber dennoch nicht zu einer Neolithisierung der Region (wie Schier vermutet), denn dies geschah erst mit spätlengyelzeitlichen und micherlsberger Einflüssen im späten 5. Jahrtausend. Der Fall Brandenburg zeigt also, dass nicht alles in einem Zug geschah. Dennoch zeigen die genetischen Untersuchungen am Skelettmaterial Nordeuropa aus dem dortigen Frühneolithikum, dass die mesolithische Population nicht in die neolithische einging, sondern schlicht verschwand. Wenn Di möchtest, kann ich Dir eine Literaturliste zusammenstellen und Dir per Mail schicken.
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Pitassa » 20.04.2023 12:59

Lieber Monolith,

du hast selbst vorgeschlagen, dass wir das Thema "ausdiskutieren" sollten. Sobald ich dazu dann inhaltliche Ausführungen mache, äußerst du dich jedoch verärgert darüber, dass ich dich unnötigerweise belehren wolle :27:

Für den korrigierenden Hinweis auf die Stichbandkeramik bedanke ich mich; leider unterlaufen mir solche Fehler nur allzu leicht. Für die Zusendung einer Literaturliste wäre ich dir überaus dankbar und verbleibe

mit einem Gruße

Pitassa :strickdachs:
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Re: Gab es eine mesolithische Wanderung der Getreide Bauern

Beitragvon Sculpteur » 20.04.2023 16:48

@Monolith:
Da ich eines Tages einen größeren Überblick gewinnen und mich vom Hauptfokus altes Ägypten stellenweise auch lösen möchte, wäre ich Dir sehr dankbar, wenn Du mir die Litereaturliste ebenfalls zukommen lassen würdest?
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