von ulfr » 28.02.2023 23:33
Ich würde sie nicht als Mikrolithen ansprechen, denn die sind in der Regel geometrisch oder aber aus lateral retuschierten, oft sehr regelmäßigen und kantenparallelen Mikroklingen hergestellt. Hier sehe ich in erster Linie (Fig. 1-18) distale Bruchstücke von Abschlägen (also deren spitzes Ende), die vom Autor als Nanopoints bezeichnet werden - das "Nano" halte ich in diesem Zusammenhang für übertrieben, "Mikro" hätte imho gereicht. Die anderen sind fast alle, wenn ich das richtig sehe - korrigier mich, Blattspitze - oft sozusagen zweistufige Abschläge, sprich: man schlägt von einem Kern einen kleinen Abschlag ab (das Negativ ist auf auf den Flächen der Endprodukte noch zu sehen) und setzt gleich dahinter einen zweiten Schlag, der einen etwas größeren dreieckigen Abschlag vom Kern abtrennt. Dieser ist an der Basis des Dreiecks recht dünn, weil eben vorher schon der kleine Abschlag abgetrennt wurde. Das erleichtert das Schäften und erinnert an die so genannte "Fluting"-Technik oder "Kannelierung" der Clovis-Spitzen aus USA, wobei beim "fluting" das Ausdünnen aber hinterher am schon flächig retuschierten Werkstück stattfindet. Aber auch das Levallois-Konzept der Neandertaler funktioniert ähnlich.
Solche Abschläge können zufällig entstehen, aber auch Produkte einer gezielten Vorgehensweise sein. Da sie hier regelhaft auftreten, scheint es sich um einen konzeptuellen Vorgang zu handeln.
"Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich".
Mark Twain