Hallo allerseits,
in der neuesten Ausgabe der "Archäologischen Informationen" (14.10.2013) stieß ich auf einen interessanten Artikel von Christoph Huth (Freiburg):
http://www.dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_Huth.pdfDer Artikel des Universitätsarchäologen C.H. sieht die aktuelle Situation in Deutschland so, dass die Haltung der archäologischen Landesämter gegenüber der Sondengängerei von "Unnachgiebigkeit" und "Verbot" dominiert sei, was einer Zusammenarbeit im Wege stehe. Wir hatten in der Diskussion der letzten Monate schon den Hinweis auf einen guten Beitrag von Raimund Karl zur ähnlichen Situation in Österreich (AI Band 35), dennoch mal ein paar Anmerkungen, die dem entgegenzuhalten sind. Raimund Karl beklagt ja auch zu recht, dass das Österreichische Denkmalschutzgesetz „nicht exekutierbar“ sei. Das ist aber keine Kleinigkeit, sondern natürlich für einen Teil der Szene, sprich: kriminelle Sondengänger/Raubgräber der Dreh- und Angelpunkt, weshalb sie locker auf eine Kooperation mit den Ämtern pfeifen!
Es ist – wie Huth schreibt - richtig, dass die Denkmalschutzgesetze der deutschen Länder das Ausgraben ohne Genehmigung verbieten und die Ämter bis auf Ausnahmen nicht mit Sondengängern zusammenarbeiten. Leider erweisen sich die von ihm verwendeten Begriffe "Unnachgiebigkeit", "Verbot" und "restriktive Haltung" jedoch als zahnloser Papiertiger, denn bis auf eine Handvoll Einzelfälle (Himmelsscheibe etc.) gibt es in Deutschland keinerlei Strafverfolgung von Sondengängern/Raubgräbern. Es gibt also keine juristischen Präzedenzfälle, die unterhalb der ganz hoch gehängten Fälle verfügbar wären und archäologisches Kulturgut allgemein strafrechtlich relevant machen. Selbst das Durchsetzen von Ordnungsstrafen beim Nachgraben und In-flagranti-Erwischtwerden ist ein mühevoller Behördenweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine nennenswerte Zahl von Raubgräbern jemals von der Möglichkeit einer Ordnungsstrafe hat abschrecken lassen.
Aus Sicht der Archäologie sollte also eher die Frage gestellt werden, wie die Ämter in Zukunft ihre Interessen bei der Strafverfolgung durchsetzen können, um die Sondengängerei/Raubgräberei einzudämmen. Es ist mir ein Rätsel, warum Kollegen meinen, Sondengänger seien überwiegend kooperativ gegenüber den hauptamtlichen Archäologen und der englische Weg sei deswegen eine Erfolgsgeschichte. Und selbst wenn es kooperative Sondengänger gibt, dann wäre eine Legalisierung ein Persilschein für die schwarzen Schafe, denen dann gar nicht mehr "in flagranti" beizukommen ist, denn sie führen ja die Fundbergung nur durch, um die Funde ehrenwerterweise beim Amt abzugeben (behaupten sie)…
Das englische "Portable Antiquity Scheme" zeigt letztlich nur, dass dort im letzten Jahrzehnt riesige Mengen von Metallfunden undokumentiert ausgebuddelt wurden. Ich bin nicht so naiv zu behaupten, alle Funde wären sonst sachgerecht archäologisch geborgen worden. Aber 10% sachgerecht geborgen sind immer noch besser als 100% ohne Befundzusammenhang. Außerdem: Wer kann prüfen, ob das wirklich alles nur flache Löcher im Acker oder Waldhumus gewesen sind? Die Engländer werden es in einigen Jahrzehnten sicher bereuen, wenn die Naturwissenschaften ganz andere Fragestellungen ermöglichen und dann kaum noch was im Boden ist.
Fazit: Es ist sicher gut, dass die Diskussion über das englische PAS mal in einer deutschen Zeitschrift angestoßen wurde, da dieses dort seit 10 Jahren als großer Feldversuch läuft. Das Credo des Artikels diskutiert allerdings völlig an der Realität in Deutschland vorbei, denn hier geht es erstmal um die Frage, warum Raubgräberei de facto als Kavaliersdelikt durchgeht und Sondengängerei gar kein Delikt ist. Ein Blick nach Skandinavien (statt nach Schottland und Österreich) hätte gezeigt, dass es möglich ist hohe Strafen für Sondengänger zu erlassen.
Gruß L.