Neandertaler rothaarig, hellhäutig und sprachgewaltig !?:

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Beitragvon ulfr » 10.11.2008 09:33

Ein Leserbrief meinerseits an National Geographic ist schon unterwegs. In dem Artikel in der November-Ausgabe wird mal wieder behauptet, die Neandertaler hätten ihre Fellkleidung grob zusammengefügt, weil es bisher keine Hinweise auf Nähutensilien gibt. Dazu ist eine Neandertalerin abgebildet, die wie ein wandelnder Heuhaufen aussieht (Bärenfell locker über die Schulter drapiert, barfuß) und mit eingelegtem Speer auf ein imaginäres Tier losgeht...
Das mag ja für die alten Neandertaler der Warmzeit noch zutreffen, aber spätestens mit dem Einsetzen der letzten Eiszeit ist es mit solch modischem Firlefanz doch vorbei. Wir haben schon vor ein paar Jahren Fellkleidung angefertigt, die schlicht, aber funktional und am Köper anliegend ist, und das (nur) mit einem Knochenpfriem und Sehnenfaden, also ohne Nähnadel. Ohne einigermaßen dichte und gut sitzende Kleidung ist man im paläolithischen Winter draußen verloren, auch als Neandertaler.

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Beitragvon Hans T. » 10.11.2008 09:48

Dieses Bild ist kaum auszurotten, Wulf. Selbst in Mettmann sind die Neandertaler recht zottelig ausgestattet. Aber die Bildarchive der Journaille sind eben voll von solchen Darstellungen, wo soll der Redakteur denn 'ordentliche' Bilder her bekommen. Ich selber kenne ja auch nur eine einzige Vollrekonstruktion in einem Museum, die 'sauber' bekleidet ist...eben unsere. Aber wie bekommt man sowas in die Bildarchive?

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Beitragvon Steve Lenz » 10.11.2008 10:19

In Mettmann ist sogar der Neolithiker zottelig gekleidet (und wischt sich eher den Ernteschweiss ab, als dass er sich der Felljacke entledigt). :roll:

Ich habe bei dem Konterfei erst gedacht, Mickey Rourke dreht einen neuen Film...bis ich dann feststellte, dass es eine Frau sein sollte.... :|
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Beitragvon Blattspitze » 10.11.2008 14:49

Auch ich erzähle immer, dass HN ohne enganliegende warme Kleidung nicht überlebt hätte.
Allerdings, was ist denn ohne Hosen/Leggins/Schurz/Hemden/Jacken möglich? Wenn ich an die Feuerland-Indianer denke, so haben die doch ohne die o.g. Kleidungsstücke nur mit Schuhen, Mütze und "Umhang" unter äußerst widrigen (aber vielleicht nicht hochglazialen) Bedingungen überlebt.
HN war eine andere Hominiden-Art und extrem widerstandsfähiger als wir? Extrem an eiszeitliche Bedingungen angepasst? Evtl. mit "Ober- und Unterfell" statt nur "Körperbehaarung"?
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Beitragvon ulfr » 10.11.2008 17:50

Die eindrucksvollen Bilder von den Feuerland-Indianern sind meines Wissens im dortigen Sommer entstanden...
Klar, Leute, die an Kälte gewöhnt sind, ertragen einiges (bzw. müssen einiges erdulden - (Berg)Bauern, Fischer, Seeleute. Aber gegen Erfrierungen hilft auch kein Unterfell (interessanter Gedanke, Plüschneanders zum Knuddeln...)

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Beitragvon Blattspitze » 10.11.2008 19:21

?Plüschneander?-Yeti oder nackich?
-bei den Bären hilft das Unterfell? Aber im Ernst, ich bin stets bemüht, dem vielfach vorherrschenden Bild zu großer Primitivität bei Neandertalern entgegenzuwirken. Aber unabhängig der wahrscheinlich großen intellektuellen Leistungsfähigkeit der Neandertaler, solange uns die Genetiker noch nichts konkreteres sagen können, wer weiss ob die nicht wirklich einen ?Ganzkörperbart? trugen. Nur wir als konkurierende Art würden (und haben ?) dies als Merkmal vermeintlich größerer Primitivität gewertet, dabei wäre es ausschließlich eine bessere biologische Anpassung? Unsere Art ist ja erst "vor kurzem" aus dem warmen Afrika immigriert. Unsere "Rest-Haare" dienen überwiegend der Geruchsverbreitung. Wir haben bislang keine Möglichkeit, den Grad der Körperbehaarung irgendwie archäologisch zu fassen. Kann man hier in diesem Forum doch äußern, oder?
Im Müller-Beck ? Artikel in ?Urgeschichte in Baden-Würtemberg? wird 1983 (meine ich) erstmals ein Neandertaler mit Hemd und Hose dargestellt?
Zu den Feuerlandindianern:
Die hatten nicht mehr anzuziehen ?:
http://de.wikipedia.org/wiki/Selk%27nam
Bilder u.a.:
www.thomas-kunz.com/Feuerlandindianer.htm
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Beitragvon Thomas Trauner » 11.11.2008 08:58

Hmmm...Eichenlohe...da ist doch noch die Sache mit dem Werkzeug, an dem Eichenlohe festzustellen war. Mein Gedächtnis sagt mir jetzt leider nicht wo, jedenfalls Deutschland, und nicht, wann, jedenfalls H.N oder früher.
Das wäre für mich ein stärkeres Indiz als die Feuerländer, die dem H.S. angehören, der seit ca. 35.000 Nadeln hat...

Th.
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Beitragvon Blattspitze » 11.11.2008 09:41

Eichenlohe soll in Neumarkt Nord (ca. 100.000) nachgewiesen sein, ist aber auch ein sehr indirekter Hinweis, evtl. für Leder-Ausrüstung /Zelte /Windschutz oder eben nur Umhänge?
Die Kleiderlaus gibts seit 70.-100.000 Jahren (Mitochondrien DNA), aber evtl. nur auf HSS beschränkt, bzw. überlebt auch in Umhängen?.Tja und die zahlreichen Ahlen ...
Ok ok, Indizien für Kleidung sind eindeutig vorhanden, aber die Frage ist ja, ob eng anliegende Hosen u. Hemden, oder eben nur Umhänge.
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Beitragvon Thomas Trauner » 11.11.2008 12:20

ch denke, dass alles möglich war, vom Umhang bis zu geschnittener Kleidung.
Er hat das Material, er kann gerben und er kann im Kopf Modelle von dem entwickeln, was er vorhat.
Vermutlich war das Spektrum sehr breit. So vom HSS Feuerländer bis zu, na ja, jetzt nicht Joop, aber doch Ötzi. Aus einem Umhang eine geschlossene "Tunika" zu machen, ist nicht gerade "Rocket-Science".

Ich habe mich bei unsere NHG-Darstellung gefragt: Welche Theorie haben wir denn, die dem H.N eine solche Fertigkeit verweigert ?

Thomas
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Beitragvon Steve Lenz » 11.11.2008 12:28

Mal so praktische Erfahrungswerte: Ich kann - trotz meines mangelhaften Körperbaus für Kaltregionen - selbst sehr tiefe Temperaturen auch im T-Shirt noch gut ab. (Meine Teamkollegen am Federsee sahen und schauderten...)

Auch Wind ist noch drin bis zu einem gewissen Grad. Ich habe zwar Gänsehaut mitunter, aber ich friere nicht. Ist bei mir wohl echt eine Kopfsache.

Wenn dann allerdings Nässe dazukommt, ziehe auch ich eine Jacke an.

Ich hab?s in Alaska erlebt: Inuit stehen auch mal im Shirt draußen, während die Touris dick vermummt danebenstehen. Es ist wohl zu einem großen Teil eine Frage des Selbstbewusstseins.

Und während der Glaziale war?s wohl dann wohl doch eher eine feuchte Kälte in Mitteleuropa, oder? Und die macht entsprechende Bekleidung notwendig. Da reicht ein Umhang rein des GMV folgend nicht mehr aus. Belegforderung hin oder her.
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Beitragvon Claudia » 11.11.2008 12:32

Steve, das ist nicht eine Frage des Selbstbewußtseins, sondern Gewohnheit, Abhärtung und genug körperliches Training, um genügend "heizende" Muskelmasse zu haben. Und daran mangelt es Dir ja nun nicht :D

Und wer damals nicht fit genug war, um das aushalten zu können, der war nicht lange auf dieser kalten Welt...


soviel von einer bekennenden Frostbeule :lol:
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Beitragvon Steve Lenz » 11.11.2008 12:37

MEEEP - Muskeln sind nicht so effizient als Heizung wie Fett! Und die Energiezufuhr muss permanent erfolgen, damit es funktioniert. Fett hingegen ist eine "Standheizung". Sich die Altvorderen als wandelnde Modellathleten vorzustellen halte ich für falsch. (OK, der Riese von Sungir war eine Ausnahme.)

Zeitweise war?s wohl mehrheitlich eine JoJo-Diät. Und wenn, dann sportliche Frauen und Männer mit "Athletenplautze" - wie Gorillas. Ach ja - eben gefunden:

http://www.franz-josef-adrian.de/Raetse ... orilla.jpg
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Beitragvon Claudia » 11.11.2008 14:52

Nach allem, was ich weiß, brauchts die Fettreserven für den Energienachschub - aber selber heizen können Fettdepots nicht, das müssen die Muskeln tun. Deswegen frieren ja Fettklöße ohne Muskeln so leicht...
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Beitragvon Fridolin » 11.11.2008 15:05

Siehe

http://de.wikipedia.org/wiki/Fettgewebe

vor allem den Abschnitt "Braunes Fettgewebe" (oder einfach weitergooglen...)

Bibber, hier kühlt es schon ab, ich wollt' ich hätt' mehr braunes Fett.....

Grüße

Fridolin
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