Keltenrezeption - "Celtic Nations" heute

"Kelten"

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Keltenrezeption - "Celtic Nations" heute

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 14.12.2006 07:56

Aus aktuellem Anlaß: Überleben der Kelten bis heute ? Woher stammt unser Keltenbild ? Wer vermittelt es ? Warum gibt es so gruslige Veranstaltungen mit Dudelsäcken und berockten Männern, die einige hier auch schon genießen mußten ?
Ein Einstieg in die Diskussion: Die Celtic Nations.
http://en.wikipedia.org/wiki/Celtic_nations
Die Wiki. geht hier von sechs "Nations" aus und macht das klar an der Sprache fest. Begrüßenswerte Herangehensweise. Anderenorts und auch wg. einiger iberischer Nörgler werden sieben oder acht, manchmal sogar neun Nationen gezählt: In Spanien Galicia, Asturias und Cantabria. Dort gibt es sogar eine archäologisch celto-iberische Kulturschicht vor den ?ömern, aber bereits römische schriftliche Quellen taten sich schwer die Gebirgsstämme zu den Kelten zu zählen. Und Kelten kannten die Römer zu diesem Zeitpunkt schon recht gut. Was blieb bis heute in den Celtic Nations, die keine keltische Sprache mehr sprechen: Eine Mythologie (Asturien), der ich römische Hintergründe bescheinigen würde, eine Folklore (Asturien, Galicia), die eher Wurzeln im Hochmittelalter hat. Da werden dann die Cantigas de Santa Maria aus dem 13. Jhd. auf CD?s als celtische Folklore verkauft. Oder Neubesinnungen (Asturien), die eher romantischen Charakter haben.
Man ist also "Kelte", weil man nicht Spanier sein will (So war es in Irland einst auch aber mit "Briten") und spricht einen Dialekt aus dem Mittelalter, der dann national celtisch uminterpretiert wird. Don Merlin ist also ein Politiker, weniger ein "Kelte".
Ich bin der Schleuderer, der stets aufschreit und das mit Recht, denn alles was nicht schleudert, ist wert das es auch untergeht, so ist denn alles, was ihr Schleudern nennt, mein eigentliches Element...
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Beitragvon Joachim S » 14.12.2006 10:32

Die heutigen Sprachkelten haben genetisch wenig mit den Leuten der Latenezeit in Mitteleuropa zu tun, wenn man davon ausgeht das diese an Ort und Stelle geblieben sind.
Von einem Massenexodus westwärts nach (zeitlich) Alesia ist ja wohl kaum auszugehen.
Interessant is das die heutigen "Kelten" obwohl sie eine indogermanische Sprache sprechen fast kein "Indogermanisches" Erbgut aufweisen (Y-Chromosom).
Das ist nun so, ich mach mal ein provokatives Gedankenspiel, als hätten in naher Zukunft in Namibia ein paar deutschsprechende Afrikaner (Ex-Kolonie) überlebt, während in Europa nun alle English reden....und ein paar der Afrikaner sich nun wegen ihrer Sprache als die deutsche Nation beszeichnen :D
Joachim S
 

Beitragvon Nika E.S. » 14.12.2006 12:49

:D
Klasse Beispiel, Joachim!
Werd ich mir merken!

...wobei auch das gaelische nicht keltisch ist...
Die keltische Sprache als solche ist ja bis auf wenige Ausdrücke in römischen Quellen und Zeugnisse von 'Dialekt' nicht erhalten.
Ebenso wie die Irische (und auch schottische) Bevölkerung ist sie ein buntes Gemisch: Es gab zwar mal ein paar keltische Einwanderer, aber genauso christliche Missionare, angelsächsische Eroberer, Wikinger, Normannen...
Daß sie keltisch seien ist dagegen eine Idee die aus der Renaisance stammt...
(siehe auch Christin Osterwalder Maier; Rache der Unterlegenen: ...)
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Beitragvon S. Crumbach » 15.12.2006 08:25

Prima Joachim :? :wink:
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Beitragvon Thomas Trauner » 15.12.2006 09:36

Eigentlich ist es doch einfach - ein sprachwissenschaftlicher Begriff, ein kultureller und ein archäologischer passen hier halt einfach nicht zusammen. Das gibt es doch öfter. So wie "Kinderschnitzel" :D

Und was die "nationale" Rezeption angeht: Das ist auch nicht nur beim Keltenbegriff so. Noch schlimmer ist es bei archäologischen Funden, die mit den ethnozentrischen Weltbildern nicht zusammenpassen, wie z.B. der Schädelfund aus den USA, dem "europide" Züge zugeordnet werden oder den "europiden" Eismumien aus der Mongolei.
Ebensowenig haben die rezenten Ägypter irgend etwas mit der Stein/bronze/früheisenzeitlichen Kultur dort zu tun.

Kleopatra war, kulturell gesehen, eher wohl Griechin.

Das 19.Jh. feiert halt immer wieder fröhliche Urständ.
Eigentlich wäre das ja geradezu eine klassische gesellschaftspolitische Aufgabe der VG-Forschung solche Vorstellungen überwinden zu helfen, und damit einen echten Beitrag zu dem oft beschworenen "aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen" zu leisten.

Im Forum jedenfalls geben wir uns ja alle Mühe.

Th.
Thomas Trauner
 

Beitragvon Nika E.S. » 15.12.2006 11:20

Kleopatra war, kulturell gesehen, eher wohl Griechin.


Ptolemäerin war sie. :)

Vielleicht sollten wir den threat teilen und den Rest zu den Ethnien verschieben... :roll:
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Beitragvon Fredewulf » 21.08.2007 22:04

Bemerkenswert an den 6 heutigen Keltennationen ist vielleicht die Tatsache, dass die andere oder andere bereits nicht mehr existiert. :lol:
Wenn man das sprachliche Argument für wesentlich hält, so trifft es die Karte nicht ganz auf den Punkt. Tatsächlich kann keine der verzeichneten Regionen als halbwegs geschlossen keltisches Sprachgebiet gelten.
Ferner ist das Manx, die Sprache der Isle of Man, im 20. Jahrhundert ausgestorben. Das Kornische starb bereits im 18. Jahrhundert aus.
Immerhin ein Drittel der Iren sprechen Gälisch. 20% der Waliser sind des Welsh mächtig. Schlappe 1,16% der Schotten können noch etwas Gälisch.
Tja, linguistisch gesehen, sind das wohl zum größten Teil Engländer oder Franzosen. :twisted:
Mit etwas Glück entwickelten sich die noch verbliebenen keltischen Sprache im Laufe des Jahrhunderts zu ebenso lebendigen Sprache wie Latein oder Altgriechisch. :roll:
Fredewulf
 

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 09.12.2008 11:43

Noch einen Nachtrage zu den "celtischen Nationen"
http://user.uni-frankfurt.de/~hradatz/R ... eutsch.pdf
Sehr humorvoll zum Teil. In Bezug auf Wales zum Beispiel: ... kann noch 500 000 echte Muttersprachler aufweisen! Der Preis ist offenbar ... der konsequente Verzicht auf Dudelsäcke.
Saludos de Turms
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MOder celtic Studies

Beitragvon Joze » 10.12.2008 14:08

Hallo!

Hat jemand Interesse dafür?

http://admin.exeter.ac.uk/cap/publicati ... %20MCS.pdf

Irische Dolmens:

http://www.fotosearch.com/DSN023/1806228/

Mal was entferntes dazu:

http://novascotia.com/en/home/aboutnova ... tions.aspx

und Ein Australisches Ort - wo mein Onkel wohnnt (hat mir dort gemachte keramische-Töpfe mit den "Glen-innes-Standing-Stones" Bildnis mitgebracht):

http://www.australiancelticfestival.com ... page_id=27

http://www.australianstandingstones.com/

und: http://members.ozemail.com.au/~kevrenor/cca1.htm

Die Irländische Auswanderer haben so ein Stück von ihrer einheimischen Kultur nach Australien mitgebracht.

Grüsse!

Joze
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Beitragvon marled » 10.12.2008 18:30

Auf dem workshop http://www.uni-trier.de/index.php?id=23134der 'celtic-uni-trier' wurde übrigens die These erörtert, dass die HEK evtuell NICHT keltischen Ursprungs war. So brauchen wir uns hier dieser Nachfahrensfrage gar nicht zu stellen!
:roll:
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Beitragvon magali » 11.12.2008 10:09

Turms Kreutzfeldt hat geschrieben:Noch einen Nachtrage zu den "celtischen Nationen"
http://user.uni-frankfurt.de/~hradatz/R ... eutsch.pdf
Sehr humorvoll zum Teil. In Bezug auf Wales zum Beispiel: ... kann noch 500 000 echte Muttersprachler aufweisen! Der Preis ist offenbar ... der konsequente Verzicht auf Dudelsäcke.
Saludos de Turms


Gracias Turms! Ich habe mich schon länger nicht so amüsiert! Ich habe dieses "Dudelsack=Kelten" schon so satt, ganz zu schweigen von diesem "wir-sind-alle-kelten-quatsch" *sigh* Und die diversen Völkerwanderungen bzw. -bewegungen einfach so huschusch unter den Teppich kehren??? :roll:
magali
 

genau!

Beitragvon Joze » 11.12.2008 10:23

Hallo!

Genau - Magali! :wink: Den Artikel "mit dem Dudelsack" kenne ich auch schon - und wenn man nur Stichwort "celtic reconstructionists" googelt - wird mit den "Kelten" noch schlimer...
Scheinbar sind ernsthafte und an historische Kelten orientierte Interesse mehr oder weniger an Mittel-Europäischen Raum begrenzt.

Habe einmal wegen Bretagne recherchiert (Thread in FG) - und habe kaum was wirklich historisches dazu entdeckt, dafür aber wieder reichlich von dem Kram oben.

Grüsse!

Joze
Joze
 

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 11.12.2008 10:46

:D Ich therapiere mich nur selbst... :lol:
Und ich höre die Musik immer noch gern, die erwähnte Luar na Lubre zum Beispiel, die Ex-Sängerin Rosa Cedrón ist solo und macht wundervolle Musik und sie ist in einigen Liedern zum Castellano zurückgekehrt. Den im Artikel erwähnten maurischen Einfluss auf die galicische Volksmusik kann jeder bestätigen, der sie mal hardcore genossen hat. Aiiiiiaiiiiaiaia aiaiaiaiaiia a aiaiaiiaiaiia a aiai a..... (autsch, jetzt hat Steve mit was geworfen, das hart war)
Und zum Schluss noch ein paar Hörnerhelme ?
http://de.youtube.com/watch?v=fcPEvj10TjM
iiiih galicisch mit portugiesischen Akzent, wie kann man nur :lol: :lol: :lol:
och, ich kann es nicht lassen: Kennt ihr schon den berühmtesten Kelten:
http://de.youtube.com/watch?v=e8-EClbyU ... re=related
:lol:
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Beitragvon magali » 11.12.2008 21:58

ppffffff... Turmsi laeuft zu Hochform auf (los gallegos went in two by two, hurrah!)!!!! Ich bin eine grosse Anhaengerin der galizischen und asturischen Folkmusik. Nur wenn irgendjemand sie mir als "keltische Musik" verkaufen moechte, faengt mein Magengeschwuer an zu bumpern! Wie bei dem Begriff "Keltische Musik" im Allgemeinen! So und jetzt iss abba Schluss, sonst wird der Chef sauer! :twisted:
magali
 

Beitragvon Turms Kreutzfeldt » 12.12.2008 10:58

hallo magali,
hier gibt es noch eine interessante Mischung: Schon Hevia ist ja orientalisch geworden. Der etwas schmalzige Carlos Núñez ist hier zusammen mit Noa zu sehen, einer aus dem Jemen stammenden, in New York aufgewachsenen und jetzt in Israel lebenden Sängerin:
http://www.youtube.com/watch?v=ghnByR9QWvY

Viel Spaß Dir und Grüße, Turms
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