von Thomas Trauner » 30.09.2009 14:16
Recht komplex, das alles......
Ich habe mich erstmal auf die Frage konzentriert, ob die Neolithisierung hier positive Änderungen erbrachte.
Dies denke ich immer noch. Weil die Bevölkerungsexplosion und die zunehmende Landnahme ja tatsächlich Fakt sind.
Ich denke, dass sich evolutionär nichts geändert hat, also Rezeptionsbereitschaft und Fruchtbarkeit keine positiven Veränderungen fanden.
Die stabilere Lebenssituation förderte m.E. die erfolgreiche Schwangerschaft und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Kinder.
Da, jetzt mal unabhängig von der Reproduktionsrate, mit der Neolithisierung größere Gruppen gebildet wurden, die ersten Schritte zur Urbanisierung stattfanden, denke ich, dass gleichzeitig die sozialen Regelungen komplexer wurden, bis hin zur Erfindung und Ausarbeitung komplexerer, quasi urbaner Religionsvorstellungen zur Überwachung dieser Regeln.
Nicht nur wegen irgendwelcher Schwangerschaften, Eifersucht, Vergewaltigung, Inzest, Versorgungsfragen der Nachkommen, sondern um die Gemeinschaft grundsätzlich zu regeln.
Was die oben genannten Analogschlüsse angeht:
A) Die Frage, ob überhaupt und ab wann und in welcher Kultur der Zusammenhang zwischen Sex und Schwangerschaft erkannt wurde, ist äußerst interessant und wohl auch wieder von verschiedenen Faktoren abhängig.
B) Die ?Wunschanzahl? von Kindern ist, denke ich, recht eindeutig kulturell bedingt. Wirtschaftliche Prosperität und daraus resultierende Fragen wie Erbrecht und Versorgungsproblematik der alten Menschen spielen hier eine große Rolle, nicht nur das reine Sexualverhalten.
Um B, die Anzahl der Kinder, zu regeln, muss A, Kenntnisse in Sachen Sex/Schwangerschaft beantwortet werden.
Zur grundsätzlichen Frage ob in der neolithischen Gesellschaft der Zusammenhang zwischen Paarung und Geburt bekannt war...
Drei Beobachtungen:
- zumindest ab der Bronzezeit wissen wir es. Sonst wären die entsprechenden Kapitel in der Bibel oder in etwa zeitgleichen anderen Quellen nicht vorhanden. Onan hätte kein Problem, Sodom stünde noch, Gilgamesch hätte kein Problem mit seinem Freund Enkidu und Ödipus könnte prima sehen. **
Bestünde keine ?korrekte? Vorstellung von Sexualität, wären ja deren nichtrezeptionellen Spielarten nicht geächtet....
- in die Wiege gelegt wird uns, außer Lust, Begierde und Liebe nichts. Wir erkennen zwar eine/n Partner/in und wissen wohl auch irgendwie und wann, was in etwa zu tun ist, wissen jedoch nur über Lernen, was was bewirkt.
- Abergläubische Riten, um erfolgreiche Schwangerschaften zu erzielen, laufen durch alle Zeiten.
Die Erkenntnis der Wirkungszusammenhänge ist auch erstmal tatsächlich schwierig.
Aber: Dass eine Jungfrau nicht schwanger wird (oder lügt...), dass gleichgeschlechtliche Paare keine Kinder hervorbringen, ist nicht so schwer zu erkennen. Zu wissen, was, außer Sex, genau wann und wie geschehen muss, um tatsächlich eine Schwangerschaft zu erzielen, ist eine andere Frage.
Dass zumindest die Paarung nötig ist, muss aber im Neolithikum bekannt gewesen sein, da zur Domestikation von Tieren auch deren Zucht nötig ist.
Da nicht jede Paarung eine Schwangerschaft hervorbringt, ist die Frage, inwieweit nicht zusätzlich göttliche Einwirkung gefordert wurde, um eine Schwangerschaft zu garantieren.
Dies würde die zusätzlichen Riten oder die Überhöhung der ?Mutter? gut erklären.
Aber dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen Paarung und Schwangerschaft erkannt wurde, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Hypothese:
Dass die Voraussetzung für Schwangerschaft eine vollendete Paarung ist, war bekannt. Warum jedoch die eine Paarung Schwangerschaften hervorbringt, die andere jedoch nicht, nicht.
Davon ausgehend, denke ich, dass bei Kinderwunsch häufige Paarungen, z.T. natürlich sinnlos im Sinne der Schwangerschaft, stattfanden und danach fest gebetet, geopfert oder sonstige zusätzliche Riten folgten. Wurden Kinder nur in Kauf genommen...na ja, dann halt ohne folgende Riten.
Sollten keine Kinder folgen, waren entweder nichtrezeptionelle Praktiken oder gar Enthaltsamkeit das Mittel der Wahl.
Genauere Methoden zur Schwangerschaftsverhütung trotz vollendeter Paarung korrelieren m.E. mit generellem Wissenszuwachs.
Da wäre jetzt meine Arbeitshypothese, dass dieser Wissenszuwachs mit Überschussproduktion, zunehmender Kommunikation und entsprechend geänderten Sozialstrukturen zusammenhängt.
Erst dann wird ja Arbeitskraft frei, um entweder erstmal über die Problemlage nachzudenken und/oder Berufliche Qualifikationen und Arbeitsteilung hervorzubringen. (Hebamme, Ärzte/innen)
Ich denke also, dass sich, so komisch dies jetzt klingt, tatsächlich erst mit Webstuhl, Pflug und Rad eine gezielte Schwangerschaftskontrolle ergab.
Anmerkung: Die reine Geburtshilfe, die natürlich auch während der Jäger/Sammler/innen-Steinzeit zu fordern ist, hat damit nichts zu tun. Hier werden natürliche Abläufe unterstützt und vielleicht optimiert, jedoch kaum beeinflusst. Hier genügt reines Erfahrungswissen aufgrund einfacher Beobachtung.
Nun noch zur Frage der sozialen Erwartung in Sachen Kinderzahl:
Da die Anzahl der Kinder in einer Gruppe die Prosperität der Gruppe deutlich beeinflusst, denke ich, dass jede Rollenzuweisung an die Frau und damit deren ?Pflicht? lebende Kinder zu haben, sich aus der wirtschaftlichen Lage ergibt.
Was hier wiederum auffällt, ist die Erhöhung der besiedelten Flächen bei gleichzeitiger Verkleinerung der Häuser und Siedlungsareale ab dem späten Mittelneolithikum bis hin ins Endneolithikum. Es findet offenbar eine Verkleinerung der ?Kerngruppen? statt, der Verdacht fällt auf eine Gruppe, die wir heute als ?Familie? bezeichnen.
Das lässt vermuten, das die zunehmende Prosperität und stabile Überlebensraten der Kinder, die ?Familie? als Kernorganisation und Grundlage einer sozialen Ordnung wichtig werden ließ. Der Zusammenhang zwischen Sex-Gesundheit-Prosperität-Familienbildung-Sozialstruktur anhand von Reichtum und Verwandtschaft bildete sich jetzt wohl aus.
Damit hat sich dann wohl auch die Erwartung an die Frau als Wirtschaftsfaktor ?Mutter? etabliert.
Und damit auch die ?Privatisierung? der Kinder- und vor allem der Altenversorgung.
Wobei wir dann bei der absurden und paradoxen Situation sind, dass arme Familien viele Kinder........
Nun gut.
Vielen dank für Lesen. Mich hat einfach der Denksport gereizt....
Thomas
***Und der liebe Gott Abrahams wäre sicher keine Vaterfigur mit Bart, sondern eine Frau, dick und glücklich.......