Kleidung

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Beitragvon Hans T. » 07.03.2006 14:42

Wenn man sich nur informiert, wenig weitergeben kann ( man/frau hat ja auch noch Beruf und Familie ) kommt man/frau zu wenig zum wirklichen "Tun".


Nun, das betrifft fast alle hier. Keiner ist hauptamtlicher Rekonstrukteur. Jeder macht das neben dem Beruf und integriert die Familie soweit es geht.

Deshalb: Die "Wissenden" beraten, die Handwerker TUN es !


Hmm....hab ich nicht die besten Erfahrungen damit gemacht. Die vermeintlich Wissenden machen handwerklich unsinnige Vorschläge, die Handwerker akzeptieren wiederum oft bestimmte Fakten nicht, weil sie sie entweder für unsinnig oder 'Nur eine Meinung' halten. Ich hab mit der Haltung "Sag mir was ich tun soll" wirklich so meine Probleme. Am Besten ist es wirklich, der Handwerker greift auch mal zum Buch ( nein, die beissen nicht, die Bücher), hört sich einen Vortrag an, geht ins Museum und schaut sich vergleichbare Rekonstruktionen an und und . Und der "Wissende" nimmt auch mal ein Beil in die Hand.

Nur so nähert man sich qualifiziert einer Problemlösung und die Rekonstruktion entwickelt auch einen Stil. Man erkennt die vom Archäologen beratenen, vom Architekten berechneten und vom Handwerker ausgeführten Bauten meilenweit gegen den Wind. Schauen aus wie die Bundesgartenschau...exakt, sauber, winkelig, mit modernen Werkzeugen und Mitteln errichtet.

Ich bin der Allerletzte, der einem Primitivismus das Wort redet, aber es gibt auch das Gegenteil. Man vergleiche mal zB die dänischen Rekonstruktionen mit den süddeutschen Leader-II-Rekonstruktionen....

Grüße
Hans
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Machbar oder nicht ??

Beitragvon Trebron » 07.03.2006 15:01

Hans hat geschrieben:Norbert, ich versteh nicht ganz, auf was du hinauswillst. Rekonstruktionsarbeit ist echte Arbeit, sie besteht aus 90% Literaturarbeit und 10% Handwerk, ohne dass jetzt um Himmelswillen das eine Wertung des Handwerks sein soll. Einfach vom Zeitaufwand her. Archäologie ist eine Wissenschaft, da führt halt nun mal kein Weg dran vorbei.

Deine skizzierte Vorgehensweise entspricht der Einholung von Meinungen, nicht der Verifizierung von Fakten. Und diese gibts ja. Auch bei den Hausgrundrissen. Verläßliche Grundrisse findest du nur in den Publikationen zu den Grabungen. Eine echte Typologie der LBK-Gebäude nach Region oder Zeit gibt es jedoch nicht. Leitfunde für die Typologie ist eher die Keramik. Besorg dir einen ordentlichen Befund, einen vollständigen Befund, der örtlich und zeitlich in deinen Rahmen passt und nimm diesen als Grundlage.

Grüße
Hans


Hallo Hans,

der Befund ist doch da !!! ich schrieb doch schon, dass das Langhaus auf, oder bei der Grabungsfläche unter "Leitung des Archäologischen Denkmalamtes" entstehen soll !
Wir lutschen uns nichts aus den Fingern !!
Bei uns ist eine Siedlung vom LAD ausgegraben, dokumentiert und wieder zugemacht.
Das soll rekonstruiert werden, nicht mehr, nicht weniger, aber auch Begleitveranstaltungen sollen angeboten werden und das so gut als möglich! Siehe auch den Thread Bandkeramik !
Wenn das in einem einigermasen vertretbaren Zeitrahmen ( z.B. 3 Jahre )
ablaufen soll, geht das nicht anders. Die Literaturarbeit ist doch vom LAD getan, wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen es nur nach den vorhandenen Plänen bauen.

Ich bitte in diesem Zusammenhang alle meine Beiträge zu dem Thema Langhausprojekt in der Bandkeramischen Zeit zu berücksichtigen, nicht nur einzelne Beiträge aus dem Zusammenhang gerissen!!!!!
Ich sehe auch keine Abwertung des Handwerks.
Was nützt ein guter Handwerker, wenn die Planung nicht stimmt :twisted: und umgekehrt :D
Dein Zitat:
Rekonstruktionsarbeit ist echte Arbeit, sie besteht aus 90% Literaturarbeit und 10% Handwerk
Das käme zum Tragen, würde ich alles alleine machen wollen, will ich aber nicht, weil ich nicht könnte ! Deshalb Arbeitsteilung und innige Zusammenarbeit zwischen LAD und der Ausführung= Verein !
Dazu kommt ( hoffentlich, sonst wirds nix ) die Teilfinanzierung durch die Gemeinde, Rest: Kreis -Land oder so.
Das haben nicht wir ausgeheckt, man ist an uns herangetreten, weil man uns kennt !!!!!!!!!!!!

Oder zweifelst Du an der Machbarkeit ?


:D Trebron
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
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Beitragvon Hans T. » 07.03.2006 16:33

Wenn ich jetzt als Beispiel 5500 BC annehme, was gibt es da an wissenschaftlich belegten Funden ?


Ich sagte bereits, ich habe deinen Beitrag nicht verstanden, dass schliesst ja auch Missverständnisse ein. Wie soll ich zB die obige Frage verstehen? Ich hab sie so verstanden, dass du auch auf der Suche nach Befunden bist.

Im übrigen ?nimm nicht immer alles persönlich. Wie soll ich Zweifel haben, ob Euer Projekt klappt? Was ich habe, sind entsprechende Erfahrungen mit solchen Konstellationen, wie du sie schilderst. Und diese Erfahrungen gebe ich weiter, das ist der Sinn des Forums.

Grüße
Hans
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Beitragvon Anne » 16.03.2006 13:45

Kompromisse bei einer Rekonstruktion

Ich freue mich, dass das Thema "Kleidung im Neolithikum" eine so rege Diskussion hervorgerufen hat. Tatsächlich gibt es nur die wenigen Funde, die ich in meinem ersten Beitrag erwähnt habe, denen man die Funktion eines Kleidungsstücks zuweisen kann - und auch diese Funde sind nicht ganz vollständig, bedürfen einer Ergänzung ... und die kann falsch sein.
Beispiel: das am Schnidejoch gefundene lederne "Hosenbein". Für Beinbekleidung spricht die Länge und Form - aber gehörte es deswegen zu einer Hose in der Form, wie wir sie kennen? (Und selbst da gibt's auch heute noch verschiedene Formen. Ich weise nur auf die in Afghanistan getragenen weiten (je weiter, desto reicher!) Hosen hin, von denen man unter dem langen Hemd allerdings kaum etwas sieht.) Es könnte auch ein Legging gewesen sein. Oder etwas anderes?
Zu den Funden "vor- und frühgeschichtlicher Kleidungsstücke aus Leder und Bast" am Schnidejoch siehe die Artikel in Archäologie der Schweiz, 28/2005, S. 16-23, sowie Archäologie in Deutschland 2/2006, S. 56-59.

Dass außer der Nahrung in unserem nach Jahreszeiten wechselnden Klima Bekleidung lebensnotwendig ist, dürfte außer Frage stehen: im kalten Winter mehr bzw. wärmere Kleidung über weniger bzw. dünnere Kleidung bis zu nichts an heißen Sommertagen (oder doch etwas als Sonnenschutz? oder aus Konvention, die wir nicht kennen?).
Die vorhandenen Materialien sind bekannt: Haut der Tiere (gejagt oder gezüchtet) und aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellte Geflechte und Gewebe. Warum sollten sie nicht für Kleidung verwendet worden sein?

Aber schon bei dem Material für Rekonstruktionen kommen wir ohne Kompromisse nicht aus. Über die Gerbeverfahren ist zu wenig bekannt, und wer kann heute noch so fein von Hand spinnen und weben (denn es gibt genügend Reste auch von feinen Geweben), ganz zu schweigen von der Kostenfrage.
Die mit der Maschine genähten Ikea-Stoff-Kostüme der "Bandkeramiker" der Uni Frankfurt und der mit Draht abgestützte Filzhut sind sicher angreifbar, ebenso wie die Übertragung bandkeramischer Muster (die wir in derselben Art auch auf den Keramikgefäßen finden) von den Idolen auf genähte Kleidung - wir sollten sie als Vorschlag und Anregung zur Diskussion auffassen. (Übrigens: "nackt, aber mit Hut" soll im Mittelalter Usus in öffentlichen Badestuben gewesen sein - aber das ist ein anderes Feld!)

Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern/innen, die die Funde bearbeiten, zeitlich einordnen etc., Restauratoren/innen, die sie sich oft viel genauer anschauen, und Experimentierenden/Archäotechnikern/innen, die sich u.a. mit Herstellungstechniken, eventuellen Rekonstruktionen, Trageversuchen befassen, sollte viel enger sein. Leider gibt es immer noch promovierte Archäologen, die die mehr handwerkliche Experimentelle Archäologie als "blöde Bastelei" abtun.
Anne
 
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Beitragvon S. Crumbach » 16.03.2006 14:00

Anne, ich glaube besonders Deine großartigen Arbeiten haben eine Menge dazu beigetragen, daß "Versuche und Experimente" nicht mehr als blöde Bastelei abgetan werden. :wink:
S. Crumbach
 

Beitragvon Hans T. » 16.03.2006 14:51

Es gibt promovierte Archäologen, die im Leben noch keine Schaufel in der Hand hatten, von Feldarbeit nix verstehen, einen Grabungstechniker als Menschen dritter Klasse ansehen und deren Höchstes es ist, über andere Archäologen her zu ziehen. Na und? Wenn juckt's? Ignoranten gibts überall.

Ein Problem besteht gleichwohl. Die Hobbybastler unter uns leiden tatsächlich an unsauberer Methodik, dokumentieren nix und publizieren schon gleich gar nix. Und wenn, dann allenfalls ein bisschen was im Karfunkel-Stil. Das reicht fürs Re-Enactment völlig aus, aber um Akzeptanz auf musealer Ebene oder auf HS-Ebene zu finden, muss man etwas mehr tun.

Ich fass mich da gerne an die eigene Nase, ich publiziere ja auch nix ( fast nix), aber mir ist es ehrlich auch zweitrangig, ob mich so ein Ignorant für einen Bastler hält oder nicht.

Hans
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Beitragvon R. Schumann » 16.03.2006 15:46

eine einstellung die jetz auch nich unbedingt für das miteinander und gegenseitige verständnis förderlich is
wenn ich das mal so sagen darf wie dieses posting klang
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Beitragvon Hans T. » 16.03.2006 16:51

Schumi, welch seltsame Unterstellung. Ich schreib nicht mehr, als dass man sich von Einzelfällen nicht ins Boxhorn jagen lassen solle. Was hat das mit Nicht-Förderung des gegenseitigen Verständnisses zu tun?

Ich schreib zudem, was zu tun ist, um eine bessere Akzeptanz zu erreichen. Wieso ist das dem gegenseitigen Verständnis abträglich?

Wo meinst du, dass ich meine Erfahrungen her habe?

Grüße
Hans
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Beitragvon Thomas Trauner » 16.03.2006 17:07

Schumi, Hans?posting war eine Antwort oder ein Kommentar zu Annes?letzter Bemerkung
Leider gibt es immer noch promovierte Archäologen, die die mehr handwerkliche Experimentelle Archäologie als "blöde Bastelei" abtun.


In diesem Zusammenhang gelesen, ist das posting alles andere als eine falsche Einstellung in Sachen gegenseitigem Verständnis.
Die von Anne beklagte Einstellung gibt es tatsächlich. Worauf sie sich begründet wäre ein seitenlanger Threat.
Vielleicht ganz kurz:
Geisteswissenschaft ist vor allem nachvollziehbarer Informationsaustausch. Da handwerklicher Umgang mit historisch korrektem Material kein Stoff der Ausbildung ist, können viele der Archäologen handwerkliche Umsetzungen des Wissensstandes nicht "Lesen". Sie erkennen die Details nicht. Sie erkennen auch den Unterschied zwischen Basteln und Handwerk nicht.

Und viele "Handwerker" schreiben nicht oder nicht ausreichend.

Also- wie sollen sich zwei Gruppen verstehen, die nicht die gleiche Sprache sprechen ?
Eben. Gar nicht.

Was wir nur tun können, ist mehr verständliche Informationen an die schreibende und lesende Zunft zu richten. Und dann hoffen. :D

Thomas
Thomas Trauner
 

Beitragvon R. Schumann » 16.03.2006 17:11

ach gott.. heut is nich wirklich mein tag... ich hab das posting gradmal total falsch verstanden, sorry hab mich total verlesen, ich hab da was ganz andres rausgelesen als ich jetz nachm zweiten mal lesen sehe :?
ich sollte lieber ins bett gehn das passiert mir heut schon das zweite mal,
sorry für die unterstellung
R. Schumann
 
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Beitragvon R. Schumann » 16.03.2006 17:13

ah da war einer schneller als ich,
jo thomas danke, inzwischen (5 st später) hab ichs auch gecheckt :)

MfG
"Schumi neben der Spur"
(welch wortspiel...) ^^
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Beitragvon Thomas Trauner » 16.03.2006 18:46

Passiert, kein Problem. Diese Unterhaltungen im virtuellen Raum haben ihre Tücken.
:roll: :shock: :roll: :D :D
Th.
Thomas Trauner
 

Bekleidung in der Steinzeit

Beitragvon Trebron » 21.03.2006 09:48

Habe diesen Artikel gefunden:

http://openpr.de/drucken/?id=47295

Was haltet ihr davon ?

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Beitragvon Steve Lenz » 21.03.2006 09:58

Ist halt eine Auflistung von Funden (und Fundinterpretationen).

Wird halt auch wieder das Thema "Hosen" angeschnitten - die machen eigentlich erst bei Reitern so richtig Sinn!

Ich weiß auch nicht, wie die bei den Bestattungen von Sungir auf eine Hose schließen können. Die Lage der Perlen deutet für mich eigentlich eher auf Leggings, welche an der Wade mit einem Band zusätzlich fixiert werden. (Für einen Jäger sind Leggings vorteilhafter als eine Hose - man kann viel schneller laufen und ist generell beweglicher!)

Einzig den neolithischen Linearbandkeramikern würde ich Hosen zusprechen, da sie vermutlich beritten waren - aber dann wäre die Hose in Mitteleuropa schon sehr viel früher aufgetaucht als erst während der späten Hallstattzeit!

Es gibt ja sogar Hinweise auf Leggings in der Hallstattzeit!
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Beitragvon Fridolin » 21.03.2006 10:31

Hi,

die erste echte Hose ist das Stück vom Schniedejoch: "Untenrum" mit Resten der Naht bzw. mit entsprechenden Löchern, definitiv keine Leggins.

VieleGrüße

Fridolin
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