Wenn es zu mehr Feuersteinvorkommen und -bergwerke solche Arbeiten gäbe (und das ist leider ein optativus irrealis), wäre die Welt ein besserer Ort
Mein Sujet vom heiligen Frühling, poetisch formuliert, in Realität das Hinausschmeissen der unerträglichen pubertierenden männlichen Jugend wird noch zu wenig aufgenommen
Das Forum verändert sich irgendwie...
Aber zum Topic zurück:
Über 900 Seiten!!! Meine Zusammenfassung von Roth`s Zusammenfassung:
S.913:„Für die bei einem geplanten Bergbau logischerweise notwendigen Einmessungen benutzten die jungsteinzeitlichen Menschen vermutlich eine
Maßeinheit, bei der es sich um ein Vielfaches von 0,207 m handelte“ S.914: „Der Bergbau des 43. Jhs. v. Chr. war eine saisonale Nebentätigkeit, die von kleinen (Verwandtschafts-)Gruppen neben ihrem gewöhnlichen bäuerlichen Wirtschaften durchgeführt wurde. Die einzelnen Gruppen besaßen Nutzungsrechte für bestimmte Areale, die vermutlich über Generationen vererbt wurden.
Es gab weder vollkommen spezialisierte Bergleute, noch wies der Bergbau „industrielle“ Elemente auf.“S.915: „Ein Vergleich mit anderen gut erforschten jung- bis spätneolithischen Bergwerken (4400 v. Chr. bis 2800 v. Chr.) in Mittel- und Westeuropa ergab viele Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Bergbauorganisation (Kap. 2.1.8.). In der Region von Zentralpolen bis zum Pariser Becken wurde Bergbau grundsätzlich auf ähnliche Weise durchgeführt. Man unterteilte die potentiell abbauwürdigen Flächen für die Nutzung. Kleinere Arbeitsgruppen, bei denen es sich wahrscheinlich um Verwandtschaftsgruppen handelte, betrieben dort über Generationen hinweg immer wieder saisonal Bergbau . ….
Der Wert einer Hornsteinklinge entsprach in den Bergwerksanliegersiedlungen dem dreihundertsten Teil eines Arbeitstages (vgl. ZIMMERMANN 1995, 107) – also einer Petitesse.“ S.916: „Jedenfalls war nach den Werterelationen zwischen aufzuwendender Arbeitszeit und (Reproduktions-)Kosten in keinem Abschnitt der Jungsteinzeit in Verbindung mit Arnhofen eine Vollzeitspezialisierung als Bergmann oder Händler möglich. S.918: „Die Verarbeitung wurde auch in den Abnehmersiedlungen nicht von Vollzeitspezialisten durchgeführt (Kap. 3.2.5.1.). … Für das Altneolithikum (5250 v. Chr. bis 4950 v. Chr.) bietet sich bei der Verarbeitung (und der Weitergabe) folgendes Bild: Während der Bandkeramik gab es selbst in den Bergbau betreibenden Siedlungen keine Vollzeitspezialisierung bei der Hornsteinverarbeitung; Dritte besorgten sich den Hornstein im Tausch von Hand zu Hand, der ebenfalls nur eine Nebentätigkeit der jungsteinzeitlichen Bauern darstellte (zum Begriff vgl. Kap. 4.1.3.).“ S.919: „frühen Mittelneolithikums (4950 v. Chr. bis 4750 v.Chr.) …Der Anteil der Klopfer übertrifft den bandkeramischen aber nur um 50 % (Kap. 3.2.6.). Dies geht darauf zurück, dass jetzt vom Arnhofener Hornstein fast nur die Platten benutzt wurden. Sie machen 87 % des Arnhofener Hornsteins aus. Bei dieser Rohstückform sind wesentlich weniger Bearbeitungsschritte mit harter Schlagtechnik, also auch weniger Klopfer nötig. Arnhofener Plattenhornstein kann im Mittelneolithikum daher zu Recht als eine Ware bezeichnet werden (Kap. 3.2.1. und 3.2.2.); das ist ein Objekt, dessen bei weitem überwiegender Gebrauchswert für seine Erzeuger darin besteht, Tauschwert zu sein (MARX 1956, 100). Einige (natürliche) Eigenschaften des Plattenhornsteins unterstützen seine Eignung als Ware. Man kann die Anzahl der Klingen, die aus einer Platte gewonnen werden können, gut abschätzen. Auch wird bei Plattenkernen die Länge der abbaubaren Klingen nicht mit fortschreitender Kernzerlegung geringer (Kap. 3.2.5.). Zudem lassen sich Platten gut teilen und erlauben damit eine Stückelung und Vereinheitlichung der Ware entsprechend dem angebotenen Tauschgut. Schließlich ist bei Platten die Rohmaterialqualität besser abschätzbar als bei Knollen.“ S.920: „Vollzeitspezialisierte Steinschläger gab es in den Anliegersiedlungen nicht. Da Arnhofen zu dieser Zeit eines der größten derartigen Phänomene im prähistorischen Mitteleuropa darstellte, hat dieser Befund weitreichende Konsequenzen. Die Existenz von Vollzeitspezialisten bei der neolithischen Silexverarbeitung wird dadurch für das prähistorische Mitteleuropa und die Nachbargebiete äußerst unwahrscheinlich.
Lediglich die Herstellung komplizierter Feuersteindolche am Ende der Jungsteinzeit erfolgte vielleicht durch spezialisiertere Steinschläger (vgl. APEL 2001; s. o. Kap. 4.4.).“ S.921: „Obwohl es sich beim Hornstein im Mittelneolithikum, dialektisch gesehen, um eine andere Art von Objekt handelte als im Altneolithikum (Ware anstatt Gut), wurden weiterhin Kerne und keine bzw. kaum (Halb-)Fertigprodukte weitergegeben (Kap. 3.2.2.; vgl. 4.3.2.). Die Weitergabe (und der Transport) zeigen also keine ‘Kostenoptimierung‘, und das spricht eindeutig gegen vollzeitspezialisierte Händler.“ … „
Die Untersuchung der Silexartefakte ergibt für das (frühe) Mittelneolithikum folgendes Bild von Verarbeitung und Weitergabe: Wie schon während der Bandkeramik gab es auch während der Hochphase des Bergbaus zwischen 4950 v. Chr. und 4750 v. Chr. keine vollzeitspezialisierten Bergleute. Weder in der Umgebung des Bergwerks, noch in den weit entfernten Abnehmersiedlungen waren die Steinschläger Vollzeitspezialisten.“ S.922:„Obwohl die Weitergabe nicht mehr von Hand zu Hand erfolgte, gibt es keine Hinweise auf vollzeitspezialisierte Händler.“ S.928:“ Chronologische und interkulturelle Vergleiche im mitteleuropäischen Rahmen zeigen, dass der zielgerichtete Handel bereits in der Bandkeramik als Sonderfall existierte, im Mittelneolithikum aber zur vorherrschenden Art der Silexweitergabe wurde (Kap. 4.3.3.1.1.). Diese Weitergabeart erlaubte es, mit den Bedarfsveränderungen am Übergang vom Alt- zum Mittelneolithikum Schritt zu halten (Kap. 4.3.3.1.2.). Zugleich verlegte man sich damit aber auch auf ein fragileres und anfälligeres Weitergabesystem als der Hand-zu-Hand-Tausch darstellte (vgl. Kap. 4.1.3.). Nach sozialhistorischen Überlegungen ist eine Weitergabe mittels zielgerichteten Handels mit den sozioökonomischen Verhältnissen und Organisationsformen des Mittelneolithikums vereinbar (Kap. 4.3.3.1.2.). Die wohl wichtigste Ursache für die Veränderung der Weitergabeart war das Bevölkerungswachstum in der Region, die bereits in der Bandkeramik am stärksten von der Versorgung aus Arnhofen abhängig war: Niederbayern. Die Annahme, jungsteinzeitliche Silexgewinnung, -verarbeitung oder -weitergabe sei mit modernen oder sogar industriellen Zuständen vergleichbar, ist als wissenschaftlich unhaltbar zurückzuweisen.“ S.929: „
Mit weiteren GIS-Operationen lassen sich daraus die konkreten Reisezeiten für Hornsteinabholer von einigen Beispielfundplätzen nach Arnhofen (und zurück) ableiten. Der maximal notwendige Zeitaufwand für die Bewohner der entferntesten Region lag bei etwa drei Wochen und war problemlos mit einem Leben als neolithischer Bauer vereinbar. Vergleiche mit anderen Versorgungssystemen zeigen überdies, dass direkte Fernkontakte in einer Größe von etwa 300 km im neolithischen Teilzeithandel Europas und des Vorderen Orients durchaus üblich waren. …
In sgesamt war der Bergbau in Arnhofen im frühen Mittelneolithikum die wichtigste Silexgewinnungsstelle für die Versorgung des südlichen Mitteleuropa. Das Versorgungssystem war über viele Generationen hinweg stabil. Durch die Übernahme des Transportes versuchten die Hornsteinabnehmer dabei ihre Abhängigkeit in Grenzen zu halten. Im ethnohistorischen Vergleich mit anderen Weitergabesystemen liegt Arnhofen während des Mittelneolithikums bei allen Kennwerten in etwa im Durchschnitt – interkulturell gesehen ist es für steinzeitliche Maßstäbe “nichts besonderes“.
(Hervorhebungen von mir)
Sehr spannend, obwohl mir jegliche intime Kenntnisse der genutzten stat. Methoden und Visualisierungen abgehen („Quantil-Quantil-Plots“) klingt das alles überzeugend, irgendwie ...
Über die "Spezialisierung" von Steinschlägern gibt es ja interessante Meinungen. Während Apel und Callahan geheimnisvolle spätneol. Fischschwanzdolch-Meister mit viel tamtam auf den dänischen Inseln vermuten, sieht J. Pelegrin im jungpal. Solutreen "weise Alte" als Produzenten der größten Lorbeerblattspitzen und im neol. Grand Pressigny bei der Großklingenherstellung saisonale Spezialisten am Werk.
Hmm...
Ergibt sich denn nach heutiger Lehrmeinung später mit dem Erz- und Salzabbau in der Bronzezeit ein "industrieller" Abbau ("die metallzeitliche Revolution"?)?