Kleidung

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Was so alles dargestellt wird:

Beitragvon Trebron » 06.03.2006 12:28

Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
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Beitragvon Steve Lenz » 06.03.2006 12:31

Na, ja.... :roll:
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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Beitragvon Hans T. » 06.03.2006 13:52

Hmpff...vom Faustkeil zum schilfgedeckten Haus in 3 Minuten. Als Freizeitvergnügen sicherlich ganz spassig, aber als Vorbild nicht zu gebrauchen. Man sollte sich schon a) an die Zeiten und b) an Primärquellen halten.

Und ein bisschen wie Wilma Feuerstein in der Sommerfrische schaut die linke Dame auch aus mit ihrem Bikini. Lustig, aber mehr nicht. :wink:

H.
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Beitragvon Thomas Trauner » 06.03.2006 13:54

Zum link: Hauptsache es macht den Beteiligten Spaß..... :?
Ich weiß auch nicht, was man gegen dieses Fred Feuerstein Image an den Schulen noch tun soll.... :roll:
Was solls.

Vielleicht noch zum Fortgang der Diskussion:

@ Fridolin, wenn man?s genau nimmt, hatte Dein Archäologe gar nicht unrecht. Die Wahrscheinlichkeit, dass man in einer Feuchtbodensiedlung erstmal alles mögliche an (Siedlungs-)Stoffen erwischt, ist natürlich höher als die, dass man ausgerechnet Kleidung findet. Völlig logisch. Aber es heißt natürlich dann nicht, dass sie keine hatten.
Fahlässig würde ich das nicht nennen.

@ Sylvia. Kombinationen aus Stoffen/Leder/sonstwas sind natürlich denkbar und nicht auszuschließen. Mir ging es eben auch nur um die ausschließliche Anwendung von Leder. Die ist m.E. genauso falsch wie die ausschließliche Verwendung von Stoffen (wir haben ja Lederfunde)

@ Trebron,

ich denke, für eigene Gedanken zur Kleidung in der LBK gibt Jens Lüning wichtige Hinweise durch die Darstellung der Figurinen. Die Interpredation ist immer noch eine andere Frage.
Was mir auffiel:
1. Die Figurinen zeigen eine Linienführung, die eine Interpretation als dargestelle Kleidung durchaus zulassen. Einige dieser Linien wiederholen sich auch (z.b. Halsausschnitte). Diese Wiederholungen wäre bei reiner "künstlerischen" Linienführung nicht unbedingt zu erwarten. Auch sprechen die dargestellten Kopfbedeckungen deutlich für eine Darstellung mit Kleidung.
2. Der Teufel steckt aber im Detail.
Manche dieser Figurinen sind durch deutlich sichtbare primäre Geschlechtsmerkmale offenbar nackt, trotz Linienverzierung.
Dies ist bei allen gezeigten weiblichen Figurinen der Fall, es gibt auch noch zusätzlich eine männliche Variante ("Adonis")

Wir haben also offenbar den berühmten Fall von "sowohl als auch".
Jedenfalls ist die Aussage: Frauen trugen Hosen, weil keine Röcke dargestellt wurden, nicht zwingend. Die Damen sind nackt....

Ich würde jedoch eindeutig für Kleidung im Stil der Figurinen plädieren, da zumindest für die Männer mehr für die Darstellung tatsächlicher Kleidungsstücke spricht. Wer stellt den jemand nackt, aber mit Hut dar.
(Moment, Herr Trauner, da gibt es ja die hallstattzeitliche Stele von Hirschlanden, die ...."you can keep your hat on..")
Für die Damen würde ich sowohl zu Hosen als auch zu Röcken neigen, ohne, ausser dem Aktualitiätsprinzip jetzt andere Argumente dafür zu haben.

Allerdings sind die Schnitte im Buch eindeutig zu modern, zumindest machen sie diesen Eindruck.
Zweitens müssten dickere Stoffe gewählt werden.
Drittens sind die Farben, na ja, auch ein wenig zu modern...pink und hellblau...

Die Herrenhüte würde ich auf keinen Fall aus Filz herstellen. (in Jens Lünings?Hut sind sogar Drähte drin..)
Leder oder verleimtes Leinen oder ein Gemisch davon oder ein Innengerüst aus Natumaterial hielte ich für sicherer.
Und ob die Herren wegen der Spondylus-Muschel Armreifen unbedingt nackte Oberarme brauchen, ist auch nicht zwingend.

Zu Schuhen gibt?s leider nix. Die Figurinen sind barfüssig.
Also entweder das oder einfach geschnittene Bundschuhe.

Die Bestuhlung, die auch gezeigt wird, ist allerdings, wenn man es genau nimmt, nicht ganz richtig. Sie stammt erst aus dem 4.Jahrtausend und ist vom Balkan. Trotzdem würde ich in jedem Fall zu einer vernünftigen Einrichtung raten, die sich an diesen Stücken orientiert.

Ich würde einfach drauf achten, dass die Ergebnisse ordentlich und sauber ausschauen.
Über die Details kann man dann trefflich streiten...

Thomas
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Beitragvon Anne » 06.03.2006 16:26

Lendenschurz und Wickelrock

Hallo Sylvia,

unter einem "schurzartigen Rock" kann ich mir jetzt nichts vorstellen. Vielleicht sollten hier Begriffe geklärt werden!

Lendenschurz: Ein gerades Stück Stoff oder Leder wird zwischen den Beinen durchgezogen und in der Taille vorne und hinten unter einem Gürtel durchgeschoben. Je nach Länge hängt vorne und hinten ein kürzerer oder längerer Schurz.

Wickelrock: Ein gerades Stück Stoff wird um die Hüften gewickelt und durch Einstecken in der Taille befestigt (z.B. Sarong der Malaien). Ein Ende des Stoffes wird manchmal zusätzlich zwischen den Beinen durchgeschoben, so dass es ähnlich aussieht wie eine kurze Unterhose (u.a. Namibia). In Südindien habe ich Straßenbauarbeiter und -arbeiterinnen - beide Geschlechter übrigens oft oberkörperfrei - gesehen, die ebenfalls ein Ende zwischen den Beinen durchgeschoben hatten, aber der Stoff war wohl etwas breiter, und das Ganze sah aus wie eine etwas bauschige knielange Hose. Bei einem längeren Stück Stoff wird manchmal auch ein Ende über eine Schulter gelegt - dann ist nur ein Busen frei. (Damit sind wir fast beim Sari, der auch nur aus einem ungenähten Stück Stoff besteht, allerdings mehrere Meter lang und mit einem enganliegenden taillenfreien Oberteil getragen wird.)

Tunikaartig: Ein gerades Stück Stoff mit einem Loch in der Mitte wird über den Kopf gezogen und mit einem Gürtel in der Taille zusammengehalten. Mein Vorschlag, zunächst auf Seitennähte zu verzichten, scheiterte seinerzeit an der Befürchtung, dass man bei Bewegungen u.U. etwas von dem darunter getragenen Lendenschurz sehen könne!

Neben Fragmenten von Geweben sind allerdings auch Nähte, verstärkte Ränder, Fransen erhalten.


Dein Vorschlag für "Mischgewebe Kette pflanzlich und Schuss z.B. Prot-(was ist das?) Schafwolle" ist archäologisch kaum nachweisbar. Unter Seeuferbedingungen erhalten sich dann nur die pfllanzlichen Fäden, denen man die Kettfdunktion allerdings kaum ansehen kann. Tierisches vergeht spurlos. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb trotz Schafzucht keine Wollgewebe (und Filz?) gefunden werden. Das Argument, dass es noch keine ausgesprochenen Wollschafe gewesen seien, ist nicht stichhaltig. Ich kenne Leute, die die ausgezupfte Winterwolle ihrer Hunde verspinnen und sich daraus Pullover stricken!


Hallo Trebron,

Euer Langhaus-Projekt interessiert mich. Wo ist das? Wir wollten auch mal eines bauen.

... und Hans,

statt der Hosen sollten es eigentlich auch eher Beinlinge sein - aber das war den meisten zu unpraktisch. (Unsere Urururgroßmütter fanden die getrennten Unterhosenbeine allerdings wohl gar nicht so unbequem.) Und gegen die Körperbemalung sprachen unsere heutigen europäischen Moralbegriffe. Gesichtsbemalung ist akzeptiert!
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Beitragvon Thomas Trauner » 06.03.2006 16:39

Anne - Deine Erklärung für das Nichtvorliegen von Wolle aus Seeufersiedlungen wäre oder ist eine gute Erklärung für das vorliegende Dilemma Schaf ja, Wolle nein.

Ist das so ? Vergeht Wolle bei Seeuferrand-Funden ?

Ich weiss, dass Haar nicht gleich Knochenmaterial ist. Aber trotzdem stört mich das Vorliegen von Knochen und Holz in Seeufersiedlungen. Vermutlich ist mein Gedankengang falsch, aber ich kriege die Erhaltungsbedingungen nie richtig auf die Reihe. Wieso vergeht Wolle hier ?

Haarspaltend in Nürnberg.

Thomas
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Beitragvon Hans T. » 06.03.2006 17:00

Haare = Protein=Eiweiss=schlechte Erhaltungsbedingen.
Ich gebe zu, das ist eine etwas verkürzte Darstellung.

Aber die Chemie der Biologie war noch nie eine meiner Stärken....oder besser, eigentlich versteh ich fast nix davon.

Hans
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Beitragvon Fridolin » 07.03.2006 00:18

Hallo,

es ist reiner Zufall, dass ich mich vor ein paar Monaten mit besagtem Freund vom Bodensee über mögliche neolithische Textilien unterhielt. Der meinte damals, wie oben erwähnt, dass es bei uns keine neolithischen Kleidungsreste aus gewebten Stoffe gäbe, die bekannten kleinen Fetzen könnten eben auch von Säcken o.ä. stammen. Als Anne ihren Exkurs präsentierte und ausdrücklich neolithische textile Kleidung erwähnte dachte ich, sie hätte weitergehende Informationen. Aber sie präsentierte nicht - wie in solchen Fällen üblich - Beispiele, Fundorte, Literaturangaben oder andere Quellen.
Ich hätte mich nie in die Diskussion eingeschaltet, wenn sie z.B. geschrieben hätte ?kennt man Textilfetzen, die von Kleidungsstücken stammen könnten.? Sie schrieb, dass es Kleidung aus Textilien gab, über deren Aussehen man nichts weiß. Das ist nach meinem Empfinden ein großer Unterschied, es fehlt der eindeutige Beweis. Dem Material ?gewebter Stoff? wird sozusagen automatisch eine bestimmte Funktion (Kleidung) zugewiesen. Bei ihrer Formulierung wird die eigentliche Vermutung zum Fakt erhoben, das ist es, was mich gestört hat. Um Missverständnissen vorzubeugen: mein Einwand soll Dir, Anne, keineswegs den Spaß an der Sache verderben. Leider ist die Verwendung unpräziser oder falscher Begriffe auch in archäologischer Literatur ein verbreitetes Problem.

Meine Motivation: Ich versuche mit bescheidenen Mitteln ein wenig Quellenkritik zu betreiben. Wie sicher sind die Informationen, auf die wir uns stützen? Was sind unumstößliche Tatsachen, was ist eine schlüssige Folgerung, der praktisch Beweiskraft zukommt, was sind Interpretationen bis hin zu Spekulationen oder gar Phantasien im Stile eines Erich von Däniken, die graduell immer weniger wahrscheinlich sind? Mit Wahrscheinlichkeiten zu argumentieren ist eine heikle Sache. Da spielen u.a. das individuelle Wissen aber auch der (subjektive) Standpunkt eine wichtige Rolle.

Bleiben wir beim Thema, den neolithischen Textilfetzen aus Feuchtbodensiedlungen. Keiner hat bestritten, dass es sie gibt. Beweist das pure Vorhandensein gewebter Stofffetzen zweifelsfrei, dass es daraus gefertigte Kleidung gab? Was ist dann mit Beuteln oder Säcken, mit Bettlaken, mit Bettbezügen, mit (Tisch-)Decken, mit Vorhängen, mit Markisen, mit Zelten, mit Segelbooten oder gar mit stoffbespannten Flugapparaten? Ohne Beweise kommt man in Teufels Küche!

Deshalb ist es das einfachste und natürlichste, sich auf die konkreten Fakten zu beschränken. Für die Interpretation bleibt dann immer noch genügend Spielraum. Und je mehr Indizien und Analogien die Interpretation stützen, desto wahrscheinlicher ist sie. Aber man sollte sagen/schreiben, wenn man von den harten Fakten zur Interpretation der Fakten übergeht.

Dass man in der Archäologie oft zu Interpretationen gezwungen wird, weil der Erhaltungszustand so dürftig ist: wer will einem das verübeln? Im Gegenteil, der Nichtspezialist ist dankbar, wenn ihm unverständliche Befunde und Funde anschaulich erklärt werden. Aber wo sind die Grenzen der Interpretation?

Wird die Phantasie z.B. beim Reenactment oder der experimentellen Archäologie durch ein wenig Quellenkritik eingeengt? Nein, ganz im Gegenteil. Was zurückgedrängt wird sind vorgegebene und vielleicht falsche Interpretationen und Rekonstruktionsversuche. Auf den harten Tatsachen kann man aber aufbauen. Mit neuen Ideen, mit neuen Versuchen. Wenn ich mehr Zeit habe werde ich Beispiele aus ganz verschiedenen Bereichen vorstellen. Auch naturwissenschaftliche Analysedaten können aus den unterschiedlichsten Gründen mit Fehlern behaftet sein - und es gibt genügend Raum für Fehlinterpretationen.

In der archäologischen Literatur gibt es etliche Darstellungen, die hinterfragt und überprüft, dann verifiziert oder modifiziert oder komplett berichtigt werden sollten. Dazu muss man sich aber - wenn irgend möglich - auf den Boden der nackten Tatsachen begeben. Sicherlich kommen wir oft nicht immer an Originalunterlagen oder Funde heran, es gibt aber genügend Freiräume, die wir nutzen können.

Produktives ?Querdenken? wird in diesem Forum ja bereits betrieben, Gott-sei-Dank. Beispiel: http://www.archaeoforum.de/viewtopic.ph ... ht=schwert

Zurück zum Ausgangspunkt. Ich hatte wieder ein Gespräch mit meinem Kumpel vom Bodensee. Zum einen berichtete er von den Problemen bei der Einkleidung der freiwilligen ?Steinzeitler? des SWR - Projektes "Steinzeit - leben wie vor 5.000 Jahren", die ja bekanntlich über die Alpen latschen sollen. Lassen wir uns überraschen, für welche Materialien man sich entschieden hat und wie die Kleidung aussehen wird.

Übrigens gab es im Neolithikum bereits ?echte? Hosen. Das Lederfragment vom Schnidejoch kommt von einer (http://www.be.ch/aktuell/Displayfile.as ... bein_12103), es ist 200 Jahre jünger als Ötzis Leggins. Aber was heißt das schon bei Unikaten?

Zu den Textilfunden aus Irgenhausen: Aus dem Neolithikum gibt es dort nur eine unpublizierte Siedlung der Horgener Kultur (siehe:
http://www.jungsteinsite.uni-kiel.de/20 ... -daten.xls.). Kommen die Textilreste doch aus der Bronzezeit, wie Sylvia meint? Ich weiß es nicht.

Mein Kumpel gab mir aber den Hinweis auf Wetzikon-Robenhausen. Von dort sind 3 neolithische Siedlungen bekannt. Zumindest die älteste (ca. 3700 v.Chr.) hat rel. viele Textilfunde geliefert. Ein paar Angaben zu den Stoffen findet man in
http://members.aon.at/textile-techniken ... SS2005.pdf


Es handelt sich größtenteils um Altfunde durch den Grundstückseigentümer Jakob Messikommer (ca. 1900). Er gilt als ein Pionier der Schweizer Pfahlbauforschung. Allerdings wurden größere Textilreste in handliche Stücke zerschnitten und verkauft!!! In Robenhausen gab es den Antiquitätenhändler H. Messikommer - Verwandtschaft?

Unter den heute noch vorliegenden Exemplaren gibt es eine (oder mehrere?) aufgenähte Tasche(n), was eher in Richtung Kleidung (Jacke, Mantel, Hose o.ä.) gedeutet werden kann als einfache Stofffetzen mit Webkante. Ich weiß aber nicht ob es noch weitere ?verdächtige? Stoffreste gibt.

In den letzten Jahren wurde in Robenhausen wieder sondiert. Eine Neubearbeitung der Fundstelle erfolgte durch Kurt Altorfer. Er hat das Verdienst, dass der eine oder andere der verkauften Textilschnipsel wieder aufgefunden wurde. Keine Ahnung, ob seine Dissertation bereits erschienen ist. Im internet bin ich auf folgende Literatur über Robenhausen gestoßen:

Messikommer, J. (1913): Die Pfahlbauten von Robenhausen, Zürich, Orell Füssli. 4°. 132 S. , 48 Taf.

Altorfer, Kurt R. (2000): Die prähistorischen Feuchtbodensiedlungen von Wetzikon- Robenhausen. Auswertung der Altgrabungen Jakob Messikommers 1858-1917 (Lizenziatsarbeit, Univ. Zürich)

ALTORFER, K., MÉDARD, F. (2000). Nouvelles découvertes textiles sur le site de Wetzikon-Robenhausen (Zürich, Suisse): sondages 1999. In : Archéologie des textiles : des origines au Ve siècle : actes du colloque de Lattes, octobre 1999. CARDON, D., FEUGERE, M. (dirs). Montagnac, Monique Mergoil (Monographies Instrumentum ; 14) : 35-75.

ALTORFER, K., HUBER, R., MÉDARD, F. (2001). Taucher, Thesen und Textilien. Plattform, t. 9/10 (2000/2001), 78-93.

Ach ja, Irgenhausen und Robenhausen liegen am selben See und nicht allzu weit auseinander. Zufall, oder gab es hier besonders gute Erhaltungsbedingungen für Textilien?


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Beitragvon S. Crumbach » 07.03.2006 06:22

Hallo Anne, ich bin ebenfalls der Meinung, daß es sinnvoll ist mögliche Grundformen der Kleidung - für diese Diskussion - zu definieren.
Das Beispiel um die Verwirrung Peplos/Chiton zeigt, daß dies auch für ein kleine Runde nötig ist. (Diese Begriffe wurden bereits in den 1930ziger Jahren für die Wissenschaftliche Bearbeitung von M. Bieber definiert und trotzdem zeigt die Verwendung der Begriffe in der Literatur keine klare Linie)

Eine Übersicht zur den erhaltenen Textilen hat E.J.W. Barber 1991 mit der Veröffentlichung "Prehistoric Textiles" vorgelegt. Hier hinden sich auch die Literaturangaben zu den einzelen Funden.
http://www.amazon.com/gp/product/069100 ... e&n=283155
Ebenfalls eine Übersicht hat W. La Baume mit "Die Entwicklung des Textilhandwerks in Alteuropa" 1955 vorgelegt.
Viele Funde (besonders interessant sind die abgedruckten Foto?s) beschreibt W. von Stokar in "Spinnen und Weben bei den Germanen" das Werk ist von 1938 und mit den entsprechenden Vorbehalten behaftet.

Ein Beispiel von Wolle/Leinen Mischgewebe liegt mit dem dem Fragment vor, das beim Dolch von Wiepenkathen gefunden wurde:
http://de.wikipedia.org/wiki/Dolchzeit (zum Dolch)
Bearbeitet wurde das Stück ua. von K. Schlabow (nach zulesen in der Biographie "Das Abenteuer der Archäologie" von W. Wegewitz, 1994).
Weitere Mischgewebe liegen für das 9./8. Jahrh. vor Chr. z.B. mit den Textilfragmenten aus der Urne von Gevelinghausen vor. (nach H.J. Hundt).
S. Crumbach
 

Beitragvon Trebron » 07.03.2006 09:06

Anne hat geschrieben:Lendenschurz und Wickelrock



Hallo Trebron,

Euer Langhaus-Projekt interessiert mich. Wo ist das? Wir wollten auch mal eines bauen.


statt der Hosen sollten es eigentlich auch eher Beinlinge sein - aber das war den meisten zu unpraktisch. (Unsere Urururgroßmütter fanden die getrennten Unterhosenbeine allerdings wohl gar nicht so unbequem.) Und gegen die Körperbemalung sprachen unsere heutigen europäischen Moralbegriffe. Gesichtsbemalung ist akzeptiert!


http://www.horde-hasalaha.de/
http://www.meinestadt.de/hassloch/home


Danke mal für die informative Diskussion ( Verbeugung)


Norbert
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Beitragvon Thomas Trauner » 07.03.2006 12:16

Hallo Fridolin,

mit Deinem posting hast Du grundsätzlich mehr als Recht. Eine vernünftige Rekonstruktionsarbeit muss sich auf Fakten und Daten stützen. Jede andere Vorgehensweise ist impressionistisch und damit allzu sehr vom entweder bereits bestehenden oder "neu geschaffenen" Bild abhängig. Sie unterliegt damit der Gefahr, nichts weiter als vorhandene Bilder zu tradieren. Fakten sind also immer und dauernd die Grundlagen für alle unsere Arbeit hier.

Aber der Standpunkt vieler Menschen im Fach, sich nur auf die 100 % vorliegenden Informationen zu beschränken ist nicht immer zielführend.
Außenstehende werden mit ihren Eindrücken alleine gelassen, bestimmte Bilder und (Vor-)Urteile werden durch den unterlassenen Versuch, ein Gesamtbild zu schaffen, genauso weiter ungestört gelassen.
Gerade diese Weigerung, sich auch auf ein (angeblich) "unwissenschaftliches" Terrain zu begeben, führt sehr stark dazu, dass eben Wikinger/Germanen immer noch mit Hörnerhelmen herumlaufen oder Jungsteinzeitliche Damen im Fellbikini.

Museen bleiben ohne Bildliche Darstellungen schwer greifbar, unverständlich und damit uninteressant.

Wir müssen also gerade um der Sache Willen Lücken schließen. Einfach schon deshalb, um die sicheren Fakten nicht in einem sie sehr schädigenden zusammenhanglosen Raum stehen zu lassen.

Leider liefert das Fach und auch die Rekonstruierende Archäologie bisher keinen theoretischen Unterbau zur Vorgehensweise.
Ein Unterbau, der bestimmten allseits zugestimmten Regeln und Überlegungen unterliegt ist m.E. nötig. Diese Regeln sollen natürlich nicht einschränken und als unumstößliche Gesetze gelten. Aber sie sollten quasi ein Innengerüst darstellen, das dem Ganzen mehr Halt gibt.

Ich erlaube mir, in der nächsten Zeit andernthreats noch mal ein paar Vorschläge, die noch aus der Zeit der porta stammen, einzustellen, in der Hoffnung, damit eine kleine Diskussion anzufachen.

Noch mal zurück zur Neolithischen Kleidung.
Fakt 1. Wir haben Gewebe.
Fakt 2. Wir haben keine Stücke, die sich 100 % als Kleidungsbestandteile erkennen lassen.

Aussage 1: Wir haben keinen Beweis, dass im N. gewebte Kleidung getragen wurde.
Gut, ist zulässig.

Frage: Sind 100% Beweise immer zwingend nötig, um haltbare Aussagen machen zu können ?
Nein.
Bsp.: Nach der Fundlage hätten Hallstattzeitliche Menschen keine Kleinkinder. Wir haben keine Gräber.
Aussage, wäre nach der Forderung oben:
Wir haben keinen Beweis, dass die Ha-Menschen Kinder bekamen.

Das ist natürlich Unsinn. Warum ? Wegen des Aktualitätsprinzips.
Hallstattzeitliche "Kelten" waren Menschen
Menschen bekommen Kinder (aktuell zu belegen)
Also bekamen auch Ha.-Menschen Kinder.

Zum Neolithikum:
a) Es waren Menschen.
b) Menschen können denken und suchen nach schlüssigen und naheliegenden Lösungen. (aktueller und historischer Beleg)
Also taten das auch die Neolithiker.
c) Gewebe als Kleidung zu verwenden, ist naheliegend. (aktueller und historischer Beleg)
d) Es ist nicht naheliegend, dass sie auf diesen Gedanken nicht gekommen sein sollten.

Was jetzt ?

Man bevorzuge die Theorie, die keine zusätzlichen Forderungen oder Voraussetzungen braucht, kurz gesagt, die einfache.
Hier: c) ist zu bevorzugen, da d) eine weitere Erklärung braucht, nämlich die, warum sie nicht auf diesen Gedanken kommen hätten sollen. Da sollte wenigstens ein paar Ansätze dazu vorliegen.

Kurz: Wir müssen Lücken schließen, wenn wir uns damit beschäftigen, die Vorgeschichte verständlicher zu machen.
Wir können dies unter der Berücksichtigung von logischen Regeln und Beobachtungen.
Die Vorgeschichte ist eine Geisteswissenschaft, die wie alle anderen Fächer dieser Sparte nicht mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit arbeiten kann.

War wieder recht viel, danke für die Geduld.

Thomas
Thomas Trauner
 

Fundlage

Beitragvon Trebron » 07.03.2006 13:29

Liebgewordenes Forum,

ich bin kein Wissenschaftler, kein Archäologe, "nur" geschichts- und kulturinteressierter Bürger mit mehreren Hobby`s und mehr Praktiker, als Theoretiker.

Ich kenne nicht alle Funde aus der Bandkeramischen Epoche, die in sich ja wieder in "früh bis spät" gegliedert ist.
"Unser Langhaus" stand in der frühen Epoche

Wenn ich jetzt als Beispiel 5500 BC annehme, was gibt es da an wissenschaftlich belegten Funden ?
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die aus den nördlichen Gegenden anders aussehen, als die aus den Südlichen, oder irre ich da ?
Wenn belegt ist, dass fast zeitgleich auf verschiedenen Kontinenten / Erdteilen die Speerschleuder oder der Bogen "erfunden" wurde, ist da nicht auch davon auszugehen, daß den regionalen Bedürfnissen entsprechend, die Neolithiker sich sehr schnell anpassen konnten und nicht nur auf das "weitertragen" von Information angewiesen waren ?

Rekonstrukteure von heute, denken "heute", man gibt sich redlich Mühe "steinzeitlich" zu denken, aber das wird keinem ganz gelingen, nur dem "Einen mehr, dem Anderen weniger" !
Beispiel: Gib einer Schneiderin so eine Tonpuppe und Stoff, sage ihr, die Striche sind Verzierungen auf Stoff, sie soll nun "steinzeitliche Hosen und ein Hemd" fertigen.... In dem besagten Buch sieht man, was dabei herauskommt.
Gib die gleichen Materialien und Informationen einem Schreiner, einem Schlosser, einem Landwirt .........bei jedem kommt etwas anderes heraus.
So ist es heute und ich bin überzeugt, dass es damals nicht anders war: jeder tat was er konnte.
Solange nur das damals verwendete Material belegt ist, kann man die "Püppies" und vieles Andere interpretieren bis ein gegenteiliger oder bestätigender "Beleg" gefunden wird.
Dass "laienhafte Experimenalarchäologie" oft lächerlich wirkt, daran ist m.E mangelnde Öffentlichkeitsarbeit des "Faches"verantwortlich, aber sehr viel mehr die Filmindustrie

So, und nun erschlagt mich :D

provozierend in Haßloch

Norbert
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Beitragvon S. Crumbach » 07.03.2006 13:58

Jeder nur einen Stein, Trebon 8)

Fakt ist: Es gibt sehr viel veröffentlichtes Material und noch mehr, daß nur unter besonderen Umständen zu bekommen ist (Fachgespräche, unveröffentlichtes Material etc.)

Damit sollte sich der Laie schon umfassend auseinandersetzen. Einfach drauflosmachen kann es auch nicht sein .........
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Beitragvon Trebron » 07.03.2006 14:27

Sylvia hat geschrieben:Jeder nur einen Stein, Trebon 8)

Fakt ist: Es gibt sehr viel veröffentlichtes Material und noch mehr, daß nur unter besonderen Umständen zu bekommen ist (Fachgespräche, unveröffentlichtes Material etc.)

Damit sollte sich der Laie schon umfassend auseinandersetzen. Einfach drauflosmachen kann es auch nicht sein .........


Wird aber wie man sieht doch häufig praktiziert, auch an UNI`s , siehe Wilma`s Bikini :D

Wir, der Verein, wir sind die Laien, geleitet und beraten werden wir vom vom zuständigen LAD. Wir schlagen beispielsweise vor, das LAD stimmt zu, oder korrigiert.
So wird es bei uns gehen. Ob später alle, die die Dokumentationen begutachten damit einverstanden sind, bleibt abzuwarten.
Das ist der Grund, warum ich nicht nur an "EINER" Stelle suche, sondern vielfältige Info zu bekommen versuche, lange bevor der erste Spatenstich für das erste Pfostenloch getan wird !!!
Wenn man sich nur informiert, wenig weitergeben kann ( man/frau hat ja auch noch Beruf und Familie ) kommt man/frau zu wenig zum wirklichen "Tun". Deshalb: Die "Wissenden" beraten, die Handwerker TUN es !
Das gilt für das gesamte Projekt, nicht nur für Kleidung

In der Hoffnung lebend, die richtigen "Weisen" zu finden

Norbert
Zuletzt geändert von Trebron am 07.03.2006 14:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Hans T. » 07.03.2006 14:31

Norbert, ich versteh nicht ganz, auf was du hinauswillst. Rekonstruktionsarbeit ist echte Arbeit, sie besteht aus 90% Literaturarbeit und 10% Handwerk, ohne dass jetzt um Himmelswillen das eine Wertung des Handwerks sein soll. Einfach vom Zeitaufwand her. Archäologie ist eine Wissenschaft, da führt halt nun mal kein Weg dran vorbei.

Deine skizzierte Vorgehensweise entspricht der Einholung von Meinungen, nicht der Verifizierung von Fakten. Und diese gibts ja. Auch bei den Hausgrundrissen. Verläßliche Grundrisse findest du nur in den Publikationen zu den Grabungen. Eine echte Typologie der LBK-Gebäude nach Region oder Zeit gibt es jedoch nicht. Leitfunde für die Typologie ist eher die Keramik. Besorg dir einen ordentlichen Befund, einen vollständigen Befund, der örtlich und zeitlich in deinen Rahmen passt und nimm diesen als Grundlage.

Grüße
Hans
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