Unterschiede

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Unterschiede

Beitragvon Metellvs » 12.06.2007 17:39

Moin alle zusammen,
Da ich kein Neolithiker bin, mal folgende Frage. Wir graben gerade (eine Notgrabung :cry: in den Resten einer bandkeramischen Siedlung. Mit einer reichen Ausbeute auch an fertigen Werkzeug- oder Waffenprodukten aus Silex und von hervorragender Qualität. Auch die Keramik ist vom allerfeinsten.
Im letzten Jahr haben wir in einer Siedlung gegraben, die zwar einen etwa 30 m langen Hausgrundriss erbrachte, jedoch die Qualität bei Keramik und Silexprodukten unterscheidet sich sehr von derjenigen die wir jetzt graben.
Das interessante daran ist, daß beide Siedlungen höchstens etwa 2 km Luftlinie voneinander entfernt liegen und etwa zeigleich bestanden haben.
Wie können bei so einer kaum vorhandenen räumlichen Trennung derartige Unterschiede in der Qualität der Produkte zustande kommen? War damals schon wie auch heutzutage bei uns ein derartig krasser Wohlstandsunterschied vorhanden und gibt es dazu Untersuchungen?
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Beitragvon Steve Lenz » 12.06.2007 18:03

Liegen beide Befunde im gleichen Horizont?

Hast Du Bilder?

Wo genau liegen die Grabungen?
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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Beitragvon R. Schumann » 12.06.2007 18:10

Was für den Archäologen in der LBK als "gleichzeitig" gilt ist auch zwangsläufig immernoch nicht gleichzeitig im eigentlichen Sinne
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Beitragvon Metellvs » 12.06.2007 19:11

Nein, Bilder habe ich leider keine von der alten Grabung. Und soweit ich weiß, war's der gleiche Horizont. Ich habe die letztjährige Keramik gesehen und kann sagen, da ich die diesjährige aus einem Befund hole, den ich gerade bearbeite, daß es die gleiche Keramik ist, wenn man einmal die vorkommenden Verzierungselemente zu Grunde legt.
Die vom letzten Jahr könnte genausogut, läßt man einmal Verzierungen außer Acht, als grobgemagerte bronzezeitliche Keramik durchgehen. Und bei den Feuersteingeräten scheint mir auch in der Siedlung vom letzten Jahr ein weniger qualitätvoller Silex genutzt worden zu sein.
Beide Siedlungen liegen in Brandenburg, eine in der Nähe von Bredow, die andere kurz hinter dem Ort Lietzow an der B 5. Wenn man in Google Earth nachschauen will, bei Bredow links und rechts der B 5, bei Lietzow links von der B 5 oberhalb einer Sandgrube.
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Boden muss auch berücksichtigt werden

Beitragvon hunasiensis » 12.06.2007 20:46

Selbst bei Gleichzeitigkeit kann die Keramik durch verschiedene Böden und Bodenbildungsprozesse in den Horizonten darüber einen unterschiedlichen Erhaltungszustand aufweisen.
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Beitragvon Fridolin » 12.06.2007 21:13

Hi Metellus,

Deine Angaben sind etwas spärlich.

Ja, es gibt durchaus die Beobachtung, dass manche Siedlungsplätze nur wenig Fundmaterial hergeben, das zudem von ?minderer Qualität? sein kann. Bei anderen Siedlungsplätzen erstickt man fast an der Masse der Funde.

Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein: Die eine Siedlung bestand nur kurz und wurde planmäßig aufgelassen. Die wertvollsten Stücke des Hausrats wurden mitgenommen, der normal anfallende Müll war in Abfallgruben entsorgt worden. Andere Siedlungsplätze bestanden längere Zeit. Entsprechend mehr Abfall wurde produziert. Und jetzt kommt die Statistik mit ins Spiel. Je länger die Besiedlungsdauer war, desto größer ist die Chance, dass auch ?bessere? Funde verloren, weggeworfen oder aus anderen Gründen im Erdboden deponiert wurden.

Brandkatastrophen: Ein Haus, ein Dorf brennt ab. Manchmal wurde der Brandschutt in Gruben deponiert, ohne dass die Steingeräte (große Silices, Schuhleistenkeile, etc) aussortiert wurden. Die meiste Keramik war dann ohnehin zerbrochen und flog ebenfalls in die Gruben.

Jetzt wird es noch komplizierter. (Aber gestatte zunächst die Frage, was Du unter qualitätvoller Keramik verstehst: (a) aufwendig geformte und verzierte Keramik oder (b) Grob- oder Fein-Keramik mit auffallend gut erhaltener Oberfläche?)

Ein vergleichsweise guter Erhaltungszustand kann an günstigen Bodeneigenschaften der Lokalität liegen. Ungünstige Bodeneigenschaften - schlechter Erhaltungszustand (weiche Scherben, abgeplatzte Oberflächen).
Der Erhaltungszustand der Keramik hängt aber auch von der Höhe der Brenntemperatur und vom Verlauf der Temperaturkurve ab.
Manchmal kann die sekundär gebrannte Keramik wesentlich besser erhalten sein als die normal gebrannte (meistens ist sie viel schlechter erhalten). Eine im Vergleich zum ?normalen? Brand höhere Brenntemperatur, ein günstiger Temperaturverlauf und evtl. eine günstige Brennatmosphäre kann die Keramik so verändern, dass sie weniger stark im Boden verwittert. Aber ein paar Grad höher, und der Scherben beginnt sich zu verformen und aufzublähen. Ich denke da gerade an eine bestimmte jungneolithische Siedlung. Im Bereich des einen Hauses gab es rel. viel und außerdem ungewöhnlich ?qualitätvolle? Keramik: Das Haus war abgebrannt, das Feuer hat die darin enthaltene Keramik höher gebrannt, auch die verzierte Feinkeramik. Im übrigen Bereich derselben Großsiedlung: weniger Keramikfunde, stärker verwittert, kaum was verziertes...

Deine Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Die interessante Frage nach möglichen sozialen Unterschieden im Neolithikum sollte man erst angehen, wenn die o.a. Punkte zweifelsfrei geklärt sind.

Viele Grüße

Fridolin

PS: Was sagt denn der zuständige Archäologe zu Deinen Beobachtungen bzw. Überlegungen?
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Beitragvon Metellvs » 13.06.2007 18:28

Hallo Fridolin,
Es gab in den Gruben keine sekundär vebrannten Knochen oder Keramik. Die Keramik unterschied sich so, wie ich bereits sagte, Grob- wie auch Feinkeramik. Zur Datierung noch: die Siedlungen datieren in die späte Bandkeramik. Es gab zwar vereinzelt vebrannte und verkohlte Knochen, aber zusammen mit sehr gut erhaltenen Knochen der verschiedensten Tierarten, sogar Fischen und Schildkröten. Also auch hier nichts sekundär verbannt.
Metellvs
 

Beitragvon alpenueberquerer » 11.08.2007 09:31

moin moin
es mag selbst in der frühen bis späten bandkeramik einen entwicklungsprozess gegeben haben, immer hin liegt der "anfang" und das "ende" ca. 1000 jahre auseinander, was bedeutet in deinem artikel "etwa zeitgleich", stelle mal fotos von einzelnen scherben oder beilen klingen ins forum.
vielleicht ist das hilfreich, ansonsten sind diagnosen etwas gewagt.
alpenueberquerer
 

Beitragvon Metellvs » 01.09.2007 09:10

"Etwa zeitgleich" bedeutet, daß das Fundmaterial den Schluß zuläßt, daß beide Siedlungen etwa zeitgleich bestanden haben. Und Fotos kann ich leider nicht zeigen. Woanders (siehe S.-A.) mag das gehen, in Brandenburg ist man da doch etwas hinter dem Mond.
Metellvs
 


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