von Thomas Trauner » 25.06.2010 08:55
Da wird ein großes Problem gelassen angesprochen. Das der Verbindungen der skythischen und hallstatt/latènezeitlichen Sachkultur.
Das Fach spricht sich immer noch relativ stark gegen eine solche Verbindung aus. Das hat, so weit ich das überblicke, eher forschungshistorische Gründe. Der „Reiterkrieger aus dem Osten“ ist im Fach negativ besetzt, weil in Arbeiten von 1930-60 eine solche Beeinflussung zu stark bewertete. Das war einfach die Zeit, in der praktisch alle Bewegungen und Änderungen in der VG durch „Wanderungen“, „Kriegszüge“ oder „Eroberungen“ erklärt wurden.
Die Kritik an diesem methodisch sicher bedenkliche Vorgehen führte jedoch m.E. zu einem kleinem Vakuum in der Erklärung mancher hallstattzeitlichen Artefakte oder Befunde. Diese werden zwar als Objekte nicht ignoriert, jeder Erklärungsansatz fehlt jedoch, um ja nicht wieder in die alten methodischen Fehler zurück zu fallen.
Fakt ist jedoch, dass
- Pferdetrensen
- Beilformen
- einige Pfeilspitzen
als hallstattzeitliche Objekte klar zumindest mit ebensolchen aus dem Osten in Verbindung stehen.
Hinzu kommen nun eben auch solche erweiterte Beobachtungen wie eben die Konstruktion der Pfeil und Bogen-Ausstattung oder der Köcherkonstruktion.
Ich bin deshalb durchaus der Meinung, dass es zumindest in der hallstattzeitlichen Sachkultur Berührungspunkte nicht nur nach Süden, sondern auch nach Osten gab.
Wie die aussah, müsste natürlich diskutiert werden. Ich favorisiere da einen Handel, und damit einen Ideentransfer über mehrere Hände/Köpfe hinweg, ohne großen Ortswechsel der Beteiligten.
Ebenso offen bleibt, ob diese Artefakte/Ideen tatsächlich genuin „skythisch“ zu sein brauchen. Die „skythischen“ Pfeilspitzen sind ja tatsächlich auch nicht zwingend „skythisch“, sondern eine paneuropäische Erscheinung. Man müsste also erstmal wirklich genau studieren, welche der gemeinsamen Objekte auch im skythischen Bereich ihre Vorläufer aus benachbarten Kulturen hatten. Gerade bei der Beweglichkeit der Skythen wäre es ja eigenartig, ihnen keinen Kulturtransfer zu unterstellen.
Zur Bogenausstattung:
Die mit Boden und Deckel versehenen, ebenfalls mit sehr kurzen Pfeilen gefüllten, röhrenförmigen Köcher der Hallstattzeit haben ihre Vorläufer deutlich in der UK. Ebenso sind die allermeisten HA-zeitlichen Pfeilspitzen zwanglos in mitteleuropäische Zusammenhänge zu stellen.
Wie Hans schon schrieb, stellt sich damit die Frage der kurzen Pfeile schon in HA, wenn nicht sogar schon in der UK. Zusätzlich bleibt das Phänomen, dass in der HA wohl eher „friedlich“ bestattet wurde, die Pfeilausstattungen eher der Jagd zuzuordnen sind.
Der Darstellung und der Beschreibung der Fundlagen im Hochmichele nach scheint jedoch auch ein nach oben offener, kastenförmiger Köcher möglich gewesen zu sein.
Ein echter Goryt ist das nicht, der Bogen fände keinen Platz, es liegen ja tatsächlich auch keine Überreste eines Bogens vor.
Zwei Abbildungen späthallstattezeitlicher Bögen auf Situlen zeigen sehr kurze Knüppelbögen.
Kurz: Die Verbindung nach Osten sollte kein Tabu im Denken sein. Bei der Bogenausstattung kommen wohl kurze Knüppelbögen und „Reiterbögen“ vor.
Bei der Köcherkonstruktion würde ich jedoch nicht auf einen Goryt schliessen.
Ich wurde deshalb ein wenig ausführlicher, weil IMHO die Öffnung des Kulturtransfers aus dem Osten zwar unzureichend beleuchtet ist, ich aber trotzdem nicht von einer kompletten Übernahme skythischer Artefakte oder Ideen ausgehe.
Ich habe zunehmend das Gefühl, dass in HAD-LTA aus den Kulturkreisen um die Keltike herum bestimmte Detaillösungen oder Kunstformen übernommen, aber in ein keltisches Umfeld integriert wurden.
Danke fürs Lesen.
Thomas