ältester Angelhaken?

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ältester Angelhaken?

Beitragvon hugo » 19.09.2016 07:32

Ich bitte um Kommentare von Fischern. Ich bin etwas skeptisch, aber kein Experte.
http://www.bbc.com/news/world-asia-37402183
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon ulfr » 19.09.2016 16:39

Möglich, bin aber auch skeptisch. Es gibt keine Rille oder ein Loch für die Befestigung der Leine. Kann natürlich abgebrochen sein. Außerdem ist der Winkel bzw. die Rundung nicht sehr passend, da rutscht der Fang leicht ab, weil es kein richtiger Haken ist.
Die Gehäuse europäischer Muschel- und Schneckenarten sind meistens zu spröde, um daraus funktionierende Angelhaken zu machen.
Ich würde die Teile eher für Schmuck halten - im Ohrläppchen wären die doch aktuell der burner ...
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon Trebron » 19.09.2016 19:21

ulfr hat geschrieben:Möglich, bin aber auch skeptisch. Es gibt keine Rille oder ein Loch für die Befestigung der Leine. Kann natürlich abgebrochen sein. Außerdem ist der Winkel bzw. die Rundung nicht sehr passend, da rutscht der Fang leicht ab, weil es kein richtiger Haken ist.
Die Gehäuse europäischer Muschel- und Schneckenarten sind meistens zu spröde, um daraus funktionierende Angelhaken zu machen.
Ich würde die Teile eher für Schmuck halten - im Ohrläppchen wären die doch aktuell der burner ...



So sehe ich das auch !

:mammut2:
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon hugo » 20.09.2016 04:20

Danke ulfr, das entspricht auch meiner Erfahrung aus meiner längst verjährten Schwarzfischerei mit Eigenbauhaken. Dazu fällt mir noch der Fang mit der "Maxen" ein, einer Drahtschlinge, die man vorsichtig von hinten über den Fisch schiebt und mit einem Ruck zusammenzieht. Ich kenn keine ethnographischen Hinweise. Bei uns Buben war es eine beliebte Methode.
Die Sowjetsoldaten, hier nur Russen genannt, leerten die Fischwässer systematisch mit Handgranaten.
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon FlintSource » 14.10.2016 14:39

So, ich habe mir mal den Originalaufsatz angesehen. Der Artikel „Advanced maritime adaptation in the western Pacific coastal region extends back to 35,000–30,000 years before present” ist in PNAS (Impact factor ca. 9.5) erschienen und enthält meines Erachtens überhaupt keine Indizien, dass es sich um einen Angelhaken handelt. Erstens liegt die Höhle, wo die Ausgrabungen stattgefunden haben, jetzt zwei Kilometer von der Küste, während des glazialen Maximums sind es fünf Kilometer gewesen. Die Fundstelle liegt jedoch sehr nahe an einem Fluss. Zweitens spricht die Zusammensetzung der Faunareste stark GEGEN Fischerei. Neben einem Minimum-Individuenzahl (MNI) von 709 Süßwasserkrabben und 431 Süßwasserschnecken gibt es gerade mal 36 Elemente (!) von Aale (wohl aus dem Fluss) und nur 9 Elemente die von Seefischen stammen. Dazu kommen noch 77 Knochen von kleinen Vögeln, 328 Froschknochen und 509 Kleinsäuger-Elemente plus wenige Knochen vom Wildschwein und Hirsch.
Die Isotopenanalyse deutet an, dass die Schnecken überwiegend im Herbst (64%) gefangen sind, die restlichen im Sommer. Im Herbst sind auch die Krabben am nahrhaftesten und schmackhaftesten. Alles spricht also für eine saisonale Benutzung im Spätsommer und Herbst. Die Artefakte sind fast ausnahmslos aus Meeresmuscheln gefertigt, weil es auf Okinawa keine brauchbaren lithischen Rohmaterialien gibt, es gibt insgesamt nur drei kleine, unförmige Quarzabschläge. Zudem sind neben den Kratzern etc. aus Muschelschalen auch mehrere Perlen/Anhänger aus dem gleichem Material gefunden, also Schmuck ist sicher vorhanden.

Die Identifikation des Objektes (plus ein als Rohling angesprochenes Stück) als Angelhaken bezieht sich auf Vergleichsfunde aus z.B. Ost-Timor. Hier habe ich einen Aufsatz gefunden, wo eine Spitze von einem Artefakt, das als Angelhaken angesprochen wird, abgebildet ist. S. O’Connor/R. Ono/C. Clarkson, Pelagic Fishing at 42,000 Years Before the Present and the Maritime Skills of Modern Humans. Science 334/6059, 2011, 1117–1121. Auf dieser Fundstelle sind tatsächlich sehr viele Meeresfische vorhanden, aber die Autoren schreiben explizit „All are Trochus shell single-piece baited hooks and do not seem suitable for pelagic fishing; however, it is possible that other types of hooks were developed at the same time.” Warum sie diese Objekte dennoch als Angelhaken ansprechen wird weiter nicht ausgeführt, wohl nur um den Fund des ältesten Haken zu haben und somit in Science publizieren zu können, etwas das die Autoren des japanischen Aufsatzes jetzt in einer anderen hochrangigen Zeitschrift wiederholen. Insgesamt glaube ich, dass wir diese Angelhaken also ruhig ad actas legen können.

Edit: Hatte den Titel von dem ersten Aufsatz falsch über copy-paste eingefügt, die Argementation sowie der Fazit sind nicht geändert
Zuletzt geändert von FlintSource am 14.10.2016 23:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon ulfr » 14.10.2016 20:33

Danke Flintsource für das übliche Reinknien - wer macht das schon ...? (außer uns ... :3: )

Ich war 1981 mal auf Utila, einer Insel vor der Küste von Honduras. Beim ersten Abendspaziergang durch den Inselurwald waren wir recht erstaunt über die vielen tausend Augen, die uns im Dämmerlicht fixierten und ständig in Bewegung waren - bis wir mal stillestanden ... und die Tausend Augen auch .... Dann erkannten wir unzählige rote Krabben, ähnlich den Dwarslöpern an der Nordseeküste, die auch unterwegs waren. Versuche, sie mit der Hand zu fangen, blieben erfolglos - die hatten immer schon ein Versteck gefunden oder waren einfach schneller ... Erst mit einem Köder (Grille) auf einem hölzernen Haken (!) gelang es uns, eine zu fangen - die Viecher sind einfach extrem gierig ... Die Einheimischen schätzten sie als willkommene Beispeise, in Salzwasser gekocht schmecken sie ähnlich wie Krabben ... :mammut2:

Diese Muschelteile können durchaus Haken gewesen sein, aber imho nicht für schwere Beute, wobei ich wie gesagt die Härte resp. Brauchbarkeit der örtlichen Muschelschalen nicht einschätzen kann ... Um Krebse zu fangen, taugen sie allemal ...
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon Trebron » 15.10.2016 07:31

Danke


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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon ulfr » 12.12.2017 17:53

Jetzt scheint sich mein Verdacht zu bestätigen:

http://www.ibtimes.com/archeologists-di ... oo-2626914

https://www.cambridge.org/core/journals ... 7F0AF7E2D9

Das sind imho keine Angelhaken - wo will man da die Fangleine befestigen?

"The hooks—one in the shape of a “J,” and four crescent-shaped—had been placed around the chin and jaw of the deceased, who is thought to have been a woman."

Macht bestimmt aua, sich die Dinger durch die Unterlippe zu ziehen, aber wie schrieb mir letzt eine Kollegin aus Brandenburg: "Wer schön sein will, muss leiden!"

Gucktier:

https://www.flickr.com/photos/a-weidinger/5377799562/

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Surma_(Volk)#/media/File:Surma_woman.jpg

Meine zwei piercings (hab nur n Knopf im Ohr)
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon FlintSource » 13.12.2017 20:48

Es wäre Schade um die Arbeit für die Herstellung der Teile, aber das schreit nach einer experimentelle Überprüfung der Tauglichkeit als Angelhaken. Aber für die Verwendung als Piercings sollten einige Zettel bei einschlägigen Einrichtungen durchaus reichen. Das wäre doch mal eine reizende Publikation, die beiden Verwendungen gegenüberzustellen.
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Re: ältester Angelhaken?

Beitragvon ulfr » 14.12.2017 11:12

Selbst als Querangel http://historischerfischer.de/html/body_steinzeit5.html würden diese Teile imho keinen Sinn machen, weil die "Widerhaken" ja nach unten hängen, wenn man in der Mitte des Halbmonds eine Schnur befestigen würde, und ob die dann auch hielte und nicht einfach seitlich wegrutschte, ist auch noch die Frage ...

Ich gucke mal meine Muscheln durch, für einen rein funktionalen Test ohne Verwendung des Originalmaterials dürfte es reichen, oder?
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