von FlintSource » 14.10.2016 14:39
So, ich habe mir mal den Originalaufsatz angesehen. Der Artikel „Advanced maritime adaptation in the western Pacific coastal region extends back to 35,000–30,000 years before present” ist in PNAS (Impact factor ca. 9.5) erschienen und enthält meines Erachtens überhaupt keine Indizien, dass es sich um einen Angelhaken handelt. Erstens liegt die Höhle, wo die Ausgrabungen stattgefunden haben, jetzt zwei Kilometer von der Küste, während des glazialen Maximums sind es fünf Kilometer gewesen. Die Fundstelle liegt jedoch sehr nahe an einem Fluss. Zweitens spricht die Zusammensetzung der Faunareste stark GEGEN Fischerei. Neben einem Minimum-Individuenzahl (MNI) von 709 Süßwasserkrabben und 431 Süßwasserschnecken gibt es gerade mal 36 Elemente (!) von Aale (wohl aus dem Fluss) und nur 9 Elemente die von Seefischen stammen. Dazu kommen noch 77 Knochen von kleinen Vögeln, 328 Froschknochen und 509 Kleinsäuger-Elemente plus wenige Knochen vom Wildschwein und Hirsch.
Die Isotopenanalyse deutet an, dass die Schnecken überwiegend im Herbst (64%) gefangen sind, die restlichen im Sommer. Im Herbst sind auch die Krabben am nahrhaftesten und schmackhaftesten. Alles spricht also für eine saisonale Benutzung im Spätsommer und Herbst. Die Artefakte sind fast ausnahmslos aus Meeresmuscheln gefertigt, weil es auf Okinawa keine brauchbaren lithischen Rohmaterialien gibt, es gibt insgesamt nur drei kleine, unförmige Quarzabschläge. Zudem sind neben den Kratzern etc. aus Muschelschalen auch mehrere Perlen/Anhänger aus dem gleichem Material gefunden, also Schmuck ist sicher vorhanden.
Die Identifikation des Objektes (plus ein als Rohling angesprochenes Stück) als Angelhaken bezieht sich auf Vergleichsfunde aus z.B. Ost-Timor. Hier habe ich einen Aufsatz gefunden, wo eine Spitze von einem Artefakt, das als Angelhaken angesprochen wird, abgebildet ist. S. O’Connor/R. Ono/C. Clarkson, Pelagic Fishing at 42,000 Years Before the Present and the Maritime Skills of Modern Humans. Science 334/6059, 2011, 1117–1121. Auf dieser Fundstelle sind tatsächlich sehr viele Meeresfische vorhanden, aber die Autoren schreiben explizit „All are Trochus shell single-piece baited hooks and do not seem suitable for pelagic fishing; however, it is possible that other types of hooks were developed at the same time.” Warum sie diese Objekte dennoch als Angelhaken ansprechen wird weiter nicht ausgeführt, wohl nur um den Fund des ältesten Haken zu haben und somit in Science publizieren zu können, etwas das die Autoren des japanischen Aufsatzes jetzt in einer anderen hochrangigen Zeitschrift wiederholen. Insgesamt glaube ich, dass wir diese Angelhaken also ruhig ad actas legen können.
Edit: Hatte den Titel von dem ersten Aufsatz falsch über copy-paste eingefügt, die Argementation sowie der Fazit sind nicht geändert
Zuletzt geändert von
FlintSource am 14.10.2016 23:34, insgesamt 1-mal geändert.
Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel.
Karlheinz Deschner