Flint bohren?

Moderatoren: Nils B., Turms Kreutzfeldt, Hans T., Chris, ulfr

Flint bohren?

Beitragvon ulfr » 19.12.2010 12:29

Kann man Flint bohren? Ohne moderne Ultraschallgeräte oder Diamantbohrer? Mit steinzeitlichen Methoden?

Mir ist kein Fall bekannt, es gibt zwar ein durchlochtes Feuersteinbeil, aber das wurde um ein natürliches Loch herum geschlagen und gecshliffen.

Allerdings gibt es aus dem Bodenseeraum Ketten aus Kalkperlen, die mittels Schiebern aus Radiolarit zusammengehalten wurden. Diese Schieber sind dünne vierkantige Stäbchen, die mehrfach durchlocht wurden. Radiolarit ist ähnlich hart wie Flint, aber irgendwie müssen die Löcher ja dort hineingekommen sein. Hat man das eher durch "schleifendes" Bohren erreicht, also mittels Holzstäbchen und Quarzsand? Wohl anzunehmen. Aber warum gibt es sonst keine gebohrten Flintobjekte. Oder weiß jemand was?
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️
Benutzeravatar
ulfr
Site Admin
 
Beiträge: 5321
Registriert: 05.04.2006 13:56
Wohnort: Wetterau

Beitragvon Manu » 19.12.2010 13:35

Als hättest du es geahnt, mit dem Problem schlage ich mich (wiedermal) seit zwei Tagen rum.

In Wangen am Bodensee hat man mir auch die Sache mit dem Schleifen und den Holzstäbchen erzählt, aber auch nur nach mehrfacher beständiger Nachfrage, da es da auch noch niemand ausprobiert hat.

Ich würde es gerne mal versuchen, aber woher bekommt man Radiolarit? Ist das noch unter einem anderen Namen bekannt?

Zum durchbohrten Feuerstein ist mir auch kein Fund bekannt. Schleifen? Hmm...

Die grübelnde, schleifende Manu
Manu
 

Beitragvon Jürgen Weiner » 19.12.2010 13:36

Ahoi!

Mir sind noch einige wenige weitere Beispiele naturdurchlochter Flintgeräte aus Frankreich bekannt. Muss die Zitate noch suchen und werde sie dann hier bekanntmachen. Flint bohren war allem Anschein nach mit den damaligen Mitteln - jedenfalls auf halbwegs ökonomischem Wege - nicht möglich. Sonst würden wir entsprechende eindeutige Belege häufig finden.
Lohnend im Hinblick auf das Bohren von Kieselgestein ist immer ein Blick in die zahlreichen Arbeiten von Gwinnett & Gorelick (vice versa). Irgendwo in meinen Regalen liegen in den Stapeln Hunderter von Kopien zwei dieser faszinierenden Aufsätze, aber zum Suchen habe ich momentan keine Zeit...

HG Jürgen
Jürgen Weiner
 

Beitragvon Fridolin » 19.12.2010 14:05

Durchbohrten Flint kenne ich nicht, es gibt aber ein paar Äxte aus Quarzit. Fein durchbohrte bronzezeitliche Achatperlen sind zumindest aus dem Wrack von Uluburun belegt, ferner aus dem Bereich persischer Golf - Industal. Wie die feinen Bohrungen gemacht wurden entzieht sich meiner Kenntnis, aber in der Ägäis hatte man reichlich Korund /Smirgel ..

Viele Grüße

Fridolin
Benutzeravatar
Fridolin
 
Beiträge: 1127
Registriert: 05.12.2005 19:11
Wohnort: Franconia

Beitragvon Blattspitze » 19.12.2010 14:13

http://www.persee.fr/web/revues/home/pr ... le%3Asilex^2.0+fullContent%3Asilex^100.0+fullTitle%3Asilex^140.0+summary%3Asilex+authors%3Asilex^5.0+illustrations%3Asilex^4.0+bibrefs%3Asilex^4.0+toctitles%3Asilex^4.0+toctitles1%3Asilex^3.0+toctitles2%3Asilex^2.0+toctitles3%3Asilex%29+%2B%28content%3Airaq+title%3Airaq^2.0+fullContent%3Airaq^100.0+fullTitle%3Airaq^140.0+summary%3Airaq+authors%3Airaq^5.0+illustrations%3Airaq^4.0+bibrefs%3Airaq^4.0+toctitles%3Airaq^4.0+toctitles1%3Airaq^3.0+toctitles2%3Airaq^2.0+toctitles3%3Airaq%29%29+AND+%28+%2Bpole%3A%28revue%29+%2Baccess_right%3A%28free%29+%29&words=silex&words=100&words=140&words=iraq&words=revue&words=free


Eine interessante Methode um Perlen zu durchlochen ...
"Der Jammer mit den Weltverbesserern ist, daß sie nicht bei sich selber anfangen." Mark Twain
Benutzeravatar
Blattspitze
 
Beiträge: 2584
Registriert: 17.11.2007 17:38
Wohnort: Hamburg

Beitragvon ulfr » 19.12.2010 16:41

@ Manu: Ausprobiert hat es Fritz Seeberger, aber soweit ich weiß, nicht publiziert. Radiolarit findest Du oft am Bodenseeufer

http://www.silberberg-davos.ch/Radiolarit.JPG

Es gibt auch grüne und graue Variationen

M, Dein link funzt nicht, ich bekomme eine leere Seite angezeigt ...
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️
Benutzeravatar
ulfr
Site Admin
 
Beiträge: 5321
Registriert: 05.04.2006 13:56
Wohnort: Wetterau

Beitragvon Blattspitze » 19.12.2010 17:49

Komisch, der direkte link zu persee funzt tatsächlich nicht. Also:
Bild

Aus:

Une Technique de perforation par percussion de perles en cornaline (Larsa, Iraq) 
Tixier J. , Inizan M. L. , Chevalier J.   Paléorient     Année   1982   Volume   8   Numéro   8-2   pp. 55-65
"Der Jammer mit den Weltverbesserern ist, daß sie nicht bei sich selber anfangen." Mark Twain
Benutzeravatar
Blattspitze
 
Beiträge: 2584
Registriert: 17.11.2007 17:38
Wohnort: Hamburg

Beitragvon Manu » 20.12.2010 07:58

@ulfr

danke, jetzt wo ich das Bild sehe, kann ich was damit anfangen. Dieses schöne rotbraun/grün habe ich oft schon am Ufer gesammelt (unwissend, daß es die Schieber sind) Jetzt bin ich wieder motiviert einen ausführlichen Spaziergang zu machen. Danke :fox:

@Blattspitze

Die Methode ist sehr interessant. Beim Kalkstein ist mir das allerdings noch nicht "passiert". Wenn man zu viel Druck ausübt, bricht die Perle. Bei anderen Steinarten wird das vielleicht funktionieren. Wahrscheinlich kommt es auch auf die Maserung des Steines an. :?
Manu
 

Beitragvon rolfpeter1 » 20.12.2010 09:29

Servus,

durchbohrte Flintgeräte, also mit einem Drillbohrer durchlochte, sind mir keine bekannt.
Axt-artige Feuersteingeräte mit gepickten Durchlochungen sind aber in Frankreich gefunden worden, wie es der Jürgen weiter oben schon angedeutet hat.

Gérard Cordier hat sich intensiv mit durchlochten Steingeräten befaßt und auch Etliches in den französischen Periodika veröffentlicht.

z.B. mehrere durchlochte "pics" und ein durchlochtes diskoides Gerät:
Gérard Cordier (1971), Instruments perforés de l'Eure-et-Loir, Revue archéologique du Centre de la France, Bd. 10, 119 - 141

Einfach bei
http://www.persee.fr
nach
"Instruments perforés"
suchen.

André Grisse hat in seinen "Früh- und Mittelkupferzeitlichen Steinäxten im westlichen Mitteleuropa" auch welche veröffentlicht, bezieht sich aber da auf die franz. Quellen, die ich oben angedeutet habe.

HG
RP
rolfpeter1
 
Beiträge: 34
Registriert: 07.10.2010 17:56
Wohnort: Niederzier

Beitragvon enrohs » 20.12.2010 18:14

@ Manu:
Radiolarit wird oft als Kieselschiefer bezeichnet. Schwarzen Radiolarit bezeichnet man gemeinhin als Lydit. Aus diesem Material gibt es in Nordthüringen und Süd-Sachsen-Anhalt geschliffene bandkeramische Dechselklingen. Von Bohrungen ist mir in diesem Zusammenhang aber nichts bekannt. Ich denke aber, daß sich dieses Gestein dafür besser eignen dürfte, als Silex, da es nicht ganz so spröde ist. Ich hoffe, ich konnte etwas weiterhelfen.

Viele Grüße

Sven
Benutzeravatar
enrohs
 
Beiträge: 114
Registriert: 13.09.2010 12:43
Wohnort: Leipzig

Beitragvon FlintSource » 20.12.2010 22:55

Das hat man davon wenn man Zahnärtzte aus ihren Praxen herauslässt. Zu dem Post von Jürgen zu Gwinnett & Gorelick:

"In 1977, they were the first dentists ever to be invited to address the American Institute of Archeology."

"Published articles by and books about Dr. Leonard Gorelick, an orthodontist who practiced in Great Neck, NY and was a professor of dentistry at Stony Brook University. Dr. Gorelick worked in collaboration with Dr. A. John Gwinnett, Associate Professor of Oral Biology and Pathology at Stony Brook University.": http://www.stonybrook.edu/libspecial/collections/archives/rg64/gorelick.shtml#bib

Und jetzt wieder weiter mit den undurchlochten Felsgesteingeräten,
Rengert
Benutzeravatar
FlintSource
 
Beiträge: 808
Registriert: 16.08.2009 16:17
Wohnort: Dresden

Re: Flint bohren?

Beitragvon Fridolin » 21.12.2010 09:56

ulfr hat geschrieben: Allerdings gibt es aus dem Bodenseeraum Ketten aus Kalkperlen, die mittels Schiebern aus Radiolarit zusammengehalten wurden. Diese Schieber sind dünne vierkantige Stäbchen, die mehrfach durchlocht wurden. Radiolarit ist ähnlich hart wie Flint, aber irgendwie müssen die Löcher ja dort hineingekommen sein.


Geht es um die Schieber aus Hornstaad? Ich habe nur ein mittelprächtiges Foto (Wahlster/Schlichtherle, Archäologie in Seen und Mooren) vorliegen, auf dem sich die Gesteinsart natürlich nicht zu erkennen gibt. Wie wurde "Radiolarit" bestimmt? Es wäre sicherlich eine Sch...-Arbeit, das harte Material zu durchbohren, wie auch immer. Kann es nicht ein anderes tiefrotes Gestein sein? Aus Bodmann kommen Anhänger aus tiefrotem "Schiefer" (selbes Buch, Abb. 141). Ich kann mir vorstellen, dass die Schieber auch aus einem ursprünglich ockerfarbenem Kalk hergestellt wurden, der bei ca. 300-500°C gebrannt wurde. Dann nämlich verfärben sich die ockerfarbenen Eisenhydroxide zu rotem Eisenoxid. Und die Durchbohrung ist natürlich viel einfacher.... Ockerfarbene tertiäre Kalke gibt es meines Wissens am Schienerberg.


Viele Grüße

Fridolin
Benutzeravatar
Fridolin
 
Beiträge: 1127
Registriert: 05.12.2005 19:11
Wohnort: Franconia

Beitragvon ulfr » 21.12.2010 11:30

Der Aufsatz von Fritz ist doch publiziert und findet sich im ArchKorbl 22, 1992:

http://www.bcin.ca/Interface/openbcin.c ... key=144540

Es ist tatsächlich Radiolarit, Frido, wenn auch vielleicht nicht durchgängig.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
☪️oe✡️is✝️
Benutzeravatar
ulfr
Site Admin
 
Beiträge: 5321
Registriert: 05.04.2006 13:56
Wohnort: Wetterau

Beitragvon Blattspitze » 21.12.2010 11:55

Das Durchbohren von Flint in größeren Durchmessern ist definitv keine übliche Verfahrensweise gewesen. Für die in seltenen Einzelfällen bekannten Flintäxte und -Keulenköpfe ist bestimmt von vorhandenen natürlichen Löchern auszugehen, die ggflls. durch Picken /Schleifen erweitert wurden.
Spannend sind Materialien wie Jadeit, Nephrit oder Lapislazuli, Mohs`sche Härten zwischen 5 und 6,5 werden dafür genannt, also nahe an Hornstein/Flint.
Da gibt es ja diese sagenhaften Äxte aus Troja, die nicht nur formidable Schaftlöcher zeigen, sondern z.T. auch oberflächliche Verzierungen, die z.T. "gebohrt" wurden.
Leider finde ich kein gutes online Bild:
http://www.schliemann-museum.de/hsm/na_ ... richt.html
Zur Herstellung ägyptischer Steingefäße bis hin zu Perlen in Serie (verblüffend) durch Bohren/Schleifen ist hier etwas auf englisch mit prakt. Demos...
mms://mrcstr1.swan.ac.uk/cema_conf/denys_stocks.wmv
"Der Jammer mit den Weltverbesserern ist, daß sie nicht bei sich selber anfangen." Mark Twain
Benutzeravatar
Blattspitze
 
Beiträge: 2584
Registriert: 17.11.2007 17:38
Wohnort: Hamburg

Beitragvon Manu » 21.12.2010 14:11

Bild]BildBild

Könnte das Radiolarit sein?

Habe eine Weile schleifen müssen und werde jetzt mal ans Durchbohren gehen. Drückt mir die Daumen.
:octo:
Manu
 

Nächste

Zurück zu Steinbearbeitung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 15 Gäste