Silikose: Tod durch Flintstaub

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Silikose: Tod durch Flintstaub

Beitragvon Blattspitze » 07.02.2010 14:23

Jeder, der regelmäßig pöckert hat ihn schon gesehen: Weisser Staub, der bei ausnahmslos jedem Abschlag entsteht. Ständiges Einatmen dieses meist jedoch unsichtbaren Quarz-Staubs soll zur Silikose führen.
Diese in Deutschland aufgrund massiver Arbeitsschutzmaßnahmen schon lange nicht mehr auftretende Krankheit war früher bei Bergleuten und im steinverarbeitenden Gewerbe üblich. Hier ein hochinteressanter Artikel, dessen statistische Angaben über die Sterblichkeitsraten und -Alter englischer Gunflint-knapper mich frösteln lassen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/article ... 1-0043.pdf
Silikose ist ein besonderes Problem, wenn man in geschlossenen Räumen arbeitet. Der Staub kann sich, abhängig von Be- und Entlüftung, in den Räumen ansammeln, über lange Zeit halten und den Raum so regelrecht kontaminieren. Auch die Kleidung nimmt den Staub auf und gibt ihn wieder ab. Ich habe schon Hinweise gelesen, dass man die Kleidung wechseln soll, wenn man seine Wohnung betritt!
Ich habe diesen Thread eröffnet, da ich demnächst in einem Raum eine Steinbearbeitungs-Demo machen soll, und ich mich verantwortungsvoll verhalten möchte. Ist so eine einmalige Veranstaltung völlig problemlos für das Publikum?
Soll ich am Anfang einen Hinweis geben, so dass die Ängstlichen den Raum verlassen können?
Oder sollte ich beim Veranstalter darauf bestehen, nur draußen zu pöckern?
Besonders interessant fand ich jedoch, dass meine Tochter gestern zu einem Geburtstag eingeladen war und dieser z.T. im örtlichen Archäologie-Museum gefeiert wurde. Dabei wurden die Kinder seitens der Museumspädagogik intensiv zur Feuersteinbearbeitung animiert, was gerne angenommen wurde. Die Augen wurden mit Brillen geschützt. Alles fand in geschlossenen Räumen statt, über deren Lüftung ich keine Angaben habe. Den Kindern wurde kein Hinweis gegeben, dass in Räumen eine besondere Gefahr bestehen könnte. Während eine einmalige Veranstaltung in Räumen für die meisten Kinder evtl. kein Problem sein dürfte, frage ich mich was bei Kids passiert, die zuhause allein weitermachen? Und was ist mit den Mitarbeitern der Museumspädagogik, die ständig in den gleichen Räumen pöckern?
Besteht eine echte Gefahr oder ist das alles bloss Hysterie?
Meine Anregung für eine (Magister-)Arbeit mit museumspädagogischen Thema:
Silikosegefahr durch Feuersteinbearbeitung in geschlossenen Räumen.

Marquardt
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Beitragvon Jøran » 07.02.2010 16:28

Hei Marquardt,

ein interessantes Thema. :)

Hysterie würde ich das nicht gerade bezeichnen aber ob eine kurzzeitige Belastung zu einem gesundheitlichen Problem führen kann, bezweifel ich.
Problematisch ist eher die Menge und die Langzeitbelastung.

Wahrscheinlich ist die kurze Zeit im geschlossenen Raum ungefährlicher als der Spaziergang neben einer Bundesstrase bzw. in der Stadt (Feinstaubbelastung).

In Deutschland ist doch alles reglementiert. Da gibt es sicherlich eine Bestimmung / Regelung für die Steinmetze bei Steinbearbeitungen in Räumlichkeiten. Wahrscheinlich benötigst du da eine Frischluftzufuhr und ein Abluftsystem.

Falls dort sowas nicht vorhanden sein sollte, dann sollten die Besucher
eine Mundschutzmaske sowie einen Kittel tragen. In Norwegen ist das sogar, wen ich mich richtig erinner, Pflicht bei solchen Veranstaltungen.

Besucher mit einer Atemwegerkrankung sollten dann auch keine Probleme bekommen aber zumindest die Asthmatiker ihren Speay griffbereit halten.

Wirklich ein interessantes Thema. :)

Hilsen

Jøran-N.
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Beitragvon LS » 07.02.2010 17:44

Hallo Marquardt,
interesssanter Artikel... Zum Thema: Kann man kaum einschätzen, solange es einen nicht erwischt und man auch keinen Fall persönlich kennt (toi-toi-toi). Harm Paulsen erzählte mir aber vor über 10 Jahren, er hätte im Bekanntenkreis einen Knapper gehabt, bei dem Silikose diagnostiziert wurde.

In jedem Fall sind Flintpartikel weitaus aggressiver als anderer Steinstaub, weil scharfkantig. Wenn Du den Indoor-Workshop nach außen verlagern kannst, dann machet...

Herzl Gr Leif
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Beitragvon ulfr » 07.02.2010 17:56

Denk ich auch. Wir haben das Thema auch schon mal hier diskutiert:

http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?t=615

Sicherlich ist Hysterie unangebracht, aber vernachlässigen sollte man die Gefahr, die zweifelsohne von Flintstaub ausgeht, nicht. Von geschlossenen Räumen würde ich prinzipiell abraten. Wenns nicht anders geht - ok, aber auf die Dauer? Njet!
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Beitragvon Steve Lenz » 07.02.2010 18:18

Wirft aber die Fragen dennoch auf:

- Notwendige Sicherheitsvorkehrungen, -maßnahmen?
- Dekontaminationsmöglichkeiten saisonal stark frequentierter Räume?

Sind wir als Gefahrgutverwender in der Pflicht, darüber zu informieren? Definitiv!
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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Beitragvon ulfr » 07.02.2010 18:32

Notwendig:
Möglichst draußen arbeiten, Staubmaske tragen, Kleidung wechseln, Werkstatt regelmäßig gründlich reinigen.

Vorgeschrieben:
Da würde ich mich an die Arbeitsplatzrichtlinien Steinbearbeitung halten, leider ist im Netz auf die Schnelle nichts zu finden.

Informationspflicht: Absolut!
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Beitragvon Blattspitze » 07.02.2010 19:04

Jo, die Frage ist, ob unsere museumspädagogischen Dienste sich daran halten und ob wir in deutscher Regelungsmanier die Arbeitsstättenrichtlinien etc. einfordern wollen ...

Wenn ich mir den Kette rauchenden B. Ginelli mit seinem gigantischen Silexdurchsatz angucke, scheint`s ein Wunder. Seit Jahrzehnten drinnen bei der Arbeit ... vielleicht ist Bergerac und Pressigny Silex gesundheitsfördernd?

Aber im Ernst, bei S. Silsby las ich, dass einige Rohmaterial-Varietäten außerdem noch Blei, Arsen, Chrom etc enthalten können und dass sich diese beim Tempern (Heat treating) in einen Gas-Cocktail entwickeln können ...
Vielleicht gar nicht schlecht, hier eindringlich auf die nicht offensichtlichen Gefahren hinzuweisen.


http://www.klzh.ch/downloads/check_staeube.pdf
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Beitragvon ulfr » 08.02.2010 11:23

Ich denke, die Gefahr, dass sich ein Besucherkind beim Arbeiten mit Silex schneidet - ob mit Absicht oder nicht - und verletzt, ist wesentlich größer, als dass es sich in diesen 2 Stunden eine Silikose einfängt. Anders sieht das schon bei Museumsmitarbeitern aus, die solchen Konzentrationen dann dauernd ausgesetzt sind.

Prinzipiell würde ich raten, Räume, in denen dauernd mit Silex gearbeitet wird, mit einer Absauganlage auszurüsten. Da kommen zwar schnell 1000 Euro und mehr zusammen, aber dann ist man auf der sicheren Seite. Eigentlich würde es ein alter Staubsauger tun, aber die sind oft sehr laut.
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Beitragvon Fridolin » 08.02.2010 11:47

ulfr hat geschrieben:Prinzipiell würde ich raten, Räume, in denen dauernd mit Silex gearbeitet wird, mit einer Absauganlage auszurüsten. Da kommen zwar schnell 1000 Euro und mehr zusammen, aber dann ist man auf der sicheren Seite. Eigentlich würde es ein alter Staubsauger tun, aber die sind oft sehr laut.


Geräuscharme Absauganlagen kann man für wenig Geld selber bauen. Z.B. kann man sich einen Rohreinschublüfter (z.B. Elektronikversand) und ein flexibles Alurohr (Baumarkt) besorgen und man ist mit weniger als 100 € dabei. Beim Kauf des Lüfters auf die Fördermenge Luft pro Stunde achten.

Verschiedene Varianten von selbstgebauten Absauganlagen für Perlendreher, wo es weniger um Stäube als um problematische Dämpfe geht, kann man hier einsehen:
http://wiki.perlentreff.de/index.php/Absaugung


Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Jøran » 08.02.2010 16:59

Fridolin hat geschrieben:Geräuscharme Absauganlagen kann man für wenig Geld selber bauen.


Genau. :) Es muß nicht alles teuer sein.

Wenn ich hier löte, dann habe ich auch immer Frischluft und die Dämpfe werden gefiltert an die Außenwelt abgegeben.
Die Filterwahl ist dabei auch wichtig.


OK aber wir entfernen uns vom Thema:

@Marquardt

Da du nun von den Gefahren gut informiert bist, benötigst du halt die
Sicherheitsmittel wie Arbeitshandschuhe, Schutzbrille, Mundschutz und eine Arbeitsjacke.

Damit die Besucher "geschützt" sind, solltest du draussen arbeiten.


Hilsen

Jøran-N.
Jøran
 

Beitragvon Steve Lenz » 08.02.2010 17:02

Sicherheitsmittel wie Arbeitshandschuhe...


Jo, wenn ich da an einen gewissen Daumen in Hökholz denke... :mammut2:
Aus den Augen - aus dem Sinn.
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Beitragvon Jøran » 08.02.2010 17:21

OT:

Ja, ich stelle fest das die Leute, die sich mit "Archäotechnik" beschäftigen häufig am bluten sind. :roll:

Alleine in diesem Jahr hörte ich schon von drei :nähen: im Krankenhaus. :(
Dabei haben wir erst Februar!!!

Aber wie man an einem Herrn (H. P.) sehen kann, läßt sich wohl alles überleben. :)


Hilsen

Jøran-N.
Jøran
 

Beitragvon Blattspitze » 08.02.2010 17:59

Fridolin hat Folgendes geschrieben:
Geräuscharme Absauganlagen kann man für wenig Geld selber bauen.


Für die Privat-Verwendung eine sehr gute Idee!

Für die offizielle Verwendung in einem Museum ist jedoch kein "Eigenbau" zulässig. Versicherungen, TÜV, Brandschutz, Zulassungen, Errichterbescheinigungen, DIN/EN - Normen erfordern einen ungleich dickeren Geldbeutel... .
Irgendjemand offizielles muss unterschreiben und (zumindest vorerst auf dem Papier) die Verantwortung übernehmen. Dies bedeutet, dass derjenige die "ganz grosse Hafenrundfahrt" aller o.g. Unterlagen fein geordnet bei sich in den Schrank stellen kann und so sichergeht, dass man ihm später nichts vorwerfen kann, er also die grosse Verantwortung atomisiert und über viele einzelne möglichst komplizierte (das ländergeregelte Baurecht macht`s möglich) Verantwortungs-Vorgänge weiterverteilt hat.
Will später die mit Staublunge erkrankte Mitarbeiterin des museumspädagogischen Dienstes klagen, hat bei der offiziellen Version bestimmt irgendein Rädchen versagt, ist eine Zulassung abgelaufen, eine regelmäßige Wartung zu spät erfolgt, eine Unterschrift/Stempel fehlt oder sonstwas und der zuständige Offizielle kann auf ausführende Firmen, Ingenieure und Planer oder Nutzer der Anlage zeigen.
Uff ...., privat pöcker` ich weiterhin draußen, wenn`s nur nicht so kalt wäre...
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