Neue Flintbearbeitungsgeräte

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Beitragvon Marcus R. » 02.02.2009 13:08

Bei dieser Seite komme ich mit dem Text nicht klar. Wozu ist das gut ?


Die Struktur der Steine wird durch das Tempern positiv verändert.
Soweit die Theorie, es gehört allerdings viel Erfahrung dazu, wenn man nicht nur Schrott produzieren möchte.

Marcus
Marcus R.
 

Beitragvon Thomas Trauner » 02.02.2009 13:09

Na ja, viele Feuersteingeräte zeigen ja anhand von entsprechenden Verfärbungen, dass das Material vorher erhitzt wurde....


Th.
Thomas Trauner
 

Beitragvon ulfr » 02.02.2009 14:01

Die Technik heißt "Tempern". Durch kontrolliertes Erhitzen, bspw. unter einer Feuerstelle, wird das Kristallgefüge im Stein verändert, so dass er sich leichter spalten lässt. Ist oft dort angewandt worden, wo Quarzmineralien minderer Qualität genutzt werden mussten, z.B. in Süddeutschland der Hornstein. Dieser verändert beim Tempern seine Farbe, er nimmt einen mehr oder weniger rötlichen Schimmer an. Nordischer Flint bekommt durchs Tempern einen speckigen Glanz ähnlich dem Sichelglanz. Wird er zusehr erhitzt, verfärbt er sich weiß und zeigt eine krakelierte Oberfläche, ähnlich wie altes Porzellan.
Tempern ist eine sehr knifflige Sache, weil die Temperatur nicht über ca. 350° C steigen darf.
Durch Hitzeinwirkung entstandene Verfärbungen an Flint müssen nicht zwingend durch intentionelles Tempern entstehen, die Artefakte können auch durch Zufall später gebrannt worden sein, von daher ist eine Verfärbung zwar meistens ein Zeichen für Hitzeeinwirkung, nicht aber für absichtliche Behandlung. Oder diese folgte einem anderen Zweck: Viele Megalithgräber in N-Deutschland zeigen im Inneren eine Schüttung aus weißem, gebranntem Flint, der Sinn dessen ist noch unklar. (Weiß = Totenfarbe?, weiß = jungfräulich?)

Valentin Eriksen, Berit 1997: Implications of thermal pretreatment of chert in the German Mesolithic. In: R. Schild & Z. Sulgostowska (eds.): Man and Flint. Proceedings of the VIIth International Flint Symposium. Warsaw, pp. 325-329

Valentin Eriksen, Berit 1999: Varmebehandling af flint ? et eksperimental-arkæologisk studie. In: O. Høiris et al. (eds.): Menneskelivets mangfoldighed. Arkæologisk og antropologisk forskning på Moesgård. Aarhus Universitet & Moesgård Museum. Moesgård, pp. 185-192

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Beitragvon Trebron » 02.02.2009 14:19

Danke Ulfr für die Aufklärung. Hatte schon mal was von wärmebehandeltem Obsidian gelesen, aber nicht von Flint.

ulfr hat geschrieben:Die Technik heißt "Tempern". Durch kontrolliertes Erhitzen, bspw. unter einer Feuerstelle, wird das Kristallgefüge im Stein verändert, so dass er sich leichter spalten lässt.
Tempern ist eine sehr knifflige Sache, weil die Temperatur nicht über ca. 350° C steigen darf.

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Ich habe einen kleinen Härteofen / Keramikofen, der auf entsprechende Temp. eingestellt werden kann.
Wenn die Flintklingen dann sauberer von der Knolle abspringen, kann ich sie ja mal langsam aufheizen und dann über Nacht im Ofen auskühlen lassen.

Empfehlenswert oder soll ichs lassen ?

Eine kleine kann ich ja mal riskieren !

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Beitragvon Thomas Trauner » 02.02.2009 14:29

Ich denke, es kommt auf die Gesteinsart an.
Die Diskussion im Fach ist eine alte. Ulfr schreibt ja schon, dass die Verfärbungen nicht wirklich immer intentionell sein müssen...

Th.
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Beitragvon ulfr » 02.02.2009 14:35

Ich würde auch eher zum "Bleiwelasse" raten, Dein Ofen wäre nicht der erste, der anschließend voller Flintschrappnells liegt, wenn die denn mal im Ofen bleiben..... Denn, wie Thomas richtig schreibt, hängt vieles von der Gesteinsart ab. Flint und verwandte Mineralien sind mehr oder weniger voll molekularem Wasser, das sich evtl. beim Erhitzen ausdehnt und den Stein regelrecht explodieren lassen kann.

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Beitragvon Trebron » 02.02.2009 14:40

Danke für die Warnung, dann lass ich`s

:D
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Beitragvon Marcus R. » 02.02.2009 15:14

Noch eine kurze Anmerkung, es kann auch je nach Gesteinsart zur Freisetzung von Toxischen-Stoffen kommen, z.B.: Quecksilber u. andere Schwermetalle.

Marcus
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Beitragvon TZH » 02.02.2009 15:51

Ich mache mein PhD mit so 'ne ehnliche Haupttheme. (Miskol-Avas Tűzköves (Feuersteinberg) und andere Paleolit. Feuersteinmienen im Karpatenbecken.

Auf dem Tűzköves-berg wurden die geförderte Steine ("microcrystalline quartz") mit eine Sandschicht abgedeckt und dann getempert:-), zum heizen benutzten die frühen Menschen (wie es ausschaut, schon for 60 000 Jahren) frischen Knochen. Die Steine wurden zwischen (ich denke je nach liegestelle in der grube unter der Feuer) 200 und 400 °C erhitzt.
Zuletzt geändert von TZH am 02.02.2009 21:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Fridolin » 02.02.2009 16:45

In Süddeutschland ist das Tempern von Silexrohstoffen am häufigsten bei mesolithischen Geräten festzustellen. Eindeutig getempert wurden Jurahornsteine. Bei den ebenfalls verarbeiteten Lyditen (blaugrauer bis schwarzer Kieselschiefer aus dem paläozoischen Grundgebirge), bei Muschelkalkhornstein und Keuperhornstein ist die Tendenz nicht so eindeutig.

Jurahornsteine verfärben sich beim Tempern mit zunehmendem Gehalt an Eisenverbindungen ins rötliche, v.a. die ursprünglich ockerfarbenen Varietäten. Der Farbumschlag von bräunlich / ocker zu rötlich erfolgt ab ca. 300°C. (Umwandlung von braunen Eisenoxidhydoxiden zu rötlichen Eisenoxiden (Hämatit/Maghemit)). Gebänderte Exemplare sind wirklich hübsch, sie haben fast schon Schmucksteinqualität! Typisch ist der ?seidige? Glanz der getemperten Jurahornsteine.

Allerdings kann der Jurahornstein auch ganz ohne Temperung rot gefärbt sein. Das hängt damit zusammen, dass diese Hornsteine über eine gewisse Porosität verfügen und deshalb während der Bodenlagerung Farbstoffe aufnehmen können. In ockerfarbenen Sedimenten bzw. Residuallehmen kann er durch Eisenoxidhydoxide bräunlich gefärbt werden, in rötlichen Sedimenten bzw. Residuallehmen rötlich (Hämatit), z.B. in Baiersdorf, Lks. KEH. Allerdings ist die Färbung oft nur in äußeren Bereichen vorhanden oder fleckig verteilt, Rot kann neben Braun vorkommen. Der seidige Glanz getemperter Stücke fehlt.

Die beschriebene Porosität lässt sich recht einfach feststellen. Man nehme einen Filzschreiber (o.ä.) und drücke die Spitze auf den Hornstein (altes Gerät oder frischer Splitter). Poröser Hornstein saugt die Farbe an, dichter Hornstein nicht (Farbe lässt sich restlos abwischen).

Hornstein verfärbt sich nicht nur als unbearbeitetes Rohmaterial, sondern auch als fertig bearbeitetes Gerät während der Bodenlagerung. Bekannt sind Geräte mit dunkler ?Seepatina?, die aus Eisensulfiden besteht (Deponierung in sauerstofffreiem Schlick von Uferrandsiedlungen, z.B. am Bodensee).Bei Moorfunden kann ich mir ebenfalls irgendwelche (braunen?) Verfärbungen vorstellen.

Wenn Silex eine kraquelierte Oberfläche (oder muschelige Absprengungen) aufweist, dann wurde er eindeutig zu heiß. Solche sekundär gebrannten Stücke gibt es in Franken mit großem Abstand bei jungneolithischen (Michelsberger) Siedlungen. Intentionell getemperte Stücke gibt es im hiesigen Jungneolithikum, wenn überhaupt, recht selten.


@Marcus: Quecksilber wird kaum aus Silices freigesetzt. Die sind chemisch derartig langweilig, dass man die unterschiedliche Herkunftsgebiete kaum voreinander unterscheiden kann, und wenn, dann mit ziemlich aufwendigen Methoden der Spurenelementanalyse (z.B. NAA, LA-ICPMS).


Beste Grüße

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Beitragvon ulfr » 02.02.2009 17:43

Bei Moorfunden kann ich mir ebenfalls irgendwelche (braunen?) Verfärbungen vorstellen.


Genau, Flint, der in moorigen Bereichen lagert, nimmt im Laufe der Zeit eine rotbraune Färbung an, abhängig von der Farbe des Ausgangsmaterials. Schlägt man etwas von der patinierten Oberfläche ab, kommt darunter die ursprüngliche Farbe zum Vorschein. Anhand der Dicke der Patinierung kann man erahnen, wie lange dieser Vorgang dauert.

Muschelige Absprengungen können auch von Frosteinfluss herrühren, man spricht dann von Eolithen

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Beitragvon Marcus R. » 02.02.2009 18:13

@ Fridolin

@Marcus: Quecksilber wird kaum aus Silices freigesetzt. Die sind chemisch derartig langweilig, dass man die unterschiedliche Herkunftsgebiete kaum voreinander unterscheiden kann, und wenn, dann mit ziemlich aufwendigen Methoden der Spurenelementanalyse (z.B. NAA, LA-ICPMS).


Weist Du wie es sich mit anderen, für das Knapping geeigneten, Gesteinsarten verhält.
Ich hatte da mal etwas gelesen, finde es aber im Moment nicht.

Marcus
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Beitragvon Fridolin » 02.02.2009 18:20

"Feuersteine" wurden auch zu Schmuck und Steingefäßen verarbeitet:

H. Schüssler/T. Simon/M. Warth, Entstehung, Schönheit und Rätsel der Hohenloher Feuersteine. Geologischer und Archäologischer Arbeitskreis im Museums- und Kulturverein Kirchberg/Jagst (Eppe 1999)


Die Entstehung der "Hohenloher Feuersteine" weicht von der (marinen) Bildung der Jurahornsteine bzw. der Kreidefeuersteine deutlich ab, sie entstanden ursprünglich im Mittleren bis Oberen Keuper wohl in flachen Binnenseen, ableitbar u.a. aus verkieselten Algenmatten (keine Schwammnadeln!). Zwischen Steigerwald und östlicher Schwäbischer Alb reicherten sich die Hohenloher Feuersteine in Residuallehmen an.

Zur Werkzeugherstellung waren sie kaum geeignet. Aber sie sind z.T. sehr farbenprächtig, "quietschbunt" sozusagen. Sie sind unterschiedlich gemasert, erinnern an Achat. Adelshäuser in der Region ließen sie sogar zu Schalen und Kannen verarbeiten. Gelegentlich werden sie auch heute noch (oder wieder) zu Schmuck verarbeitet.

Siehe auch:
http://www.hohenloher-feuersteine.de/

"Feuersteinliebhaber" sollten mal in das Büchlein reinschauen. Hab' meins vor einiger Zeit ausgeliehen, an wen denn bloß - ich glaub, es liegt in Nürnberg...

Mit solchen zerstoßenen Feuersteinen haben Leute des Jungneolithikums und der Spätbronzezeit (BZ D) Keramik gemagert, merkwürdige Sache ("Masochistenkeramik").

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon ulfr » 02.02.2009 18:54

Ich hab das Buch hier, es ist wirklich atemberaubend. Lohnt sich!!
Ich hatte sogar mal von einem Sammler ein Stück polierten Hohenloher Silex geschenkt bekommen, aber das ist glaub ich bei Harm Paulsen gelandet :wink:

ULFR
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Beitragvon Kurt A. » 02.02.2009 19:23

Zum Thema «heat treatment» hier noch etwas Lesestoff:

http://www.sparrowcreek.com/Heat_Treatment.htm

In den USA wird «heat treatment» übrigens sehr häufig angewandt und die haben wirklich viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Durch Tempern wird eine wissenschaftlich messbare Verbesserung der Bearbeitungsqualität (fast aller Silexvarietäten) erreicht. Dazu:

P. Kelterborn, Measurable Flintknapping. In: Kenneth G. Hirth, Mesoamerican Lithic Technology. Experimentation and Interpretation (Salt Lake City 2003) 120?131 [Fig. 8.12].

Bei Obsidian ist «heat treatment» allerdings absolut unnötig, denn Obsidian lässt sich ja ohnehin sehr leicht bearbeiten. Das absolut Wichtigsten beim Tempern ist das langsame Aufheizen und das ebenso langsame Abkühlen der Gesteine. Sonst zerplatzen die Steine - wie dies Wulf gesagt hat - mit einem dumpfen Knall. Ein Keramikbrennofen, wie ihn Trebron hat, ist ideal für sowas. Ich würde dann aber noch ein Temperatur-Messgerät verwenden, damit der Temperaturverlauf aufs Genaueste kontrolliert werden kann. An Deiner Stelle Trebron würd' ich mal mit einer Knolle und ein paar Abschlägen einen Testlauf nach der oben genannten Anleitung machen und mal schauen, was dabei herausschaut. Man muss sich langsam an die Methode heran tasten und nicht gleich den ganzen Brennraum auf volles Risiko mit Flint füllen. Einen Versuch wär's allemal wert.
:wink:
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