Ötzi hatte Ruß-Tattoos

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Ötzi hatte Ruß-Tattoos

Beitragvon Fridolin » 16.07.2009 14:30

Ötzi hatte Ruß-Tattoos
Die 5300 Jahre alte Gletschermumie aus dem Tiroler Ötztal - bekannt unter dem Namen Ötzi - trug Tätowierungen, für die Ruß unter seine Haut geritzt wurde. Dies zeigte der Blick durchs Elektronenmikroskop von Maria Anna Pabst von der Universität Graz und ihren Kollegen, die einige Gewebestücke des tiefgefrorenen Alpenüberquerers unter die Lupe nahmen.

In den Tätowierungen sahen sie zahlreiche feine Partikel, die mit länglichen Kristallen vermengt waren. Chemische Analysen dieser Partikel offenbarten dann, dass es sich um rußtypischen Kohlenstoff und Silikate handelte. In unverzierten Hautarealen ließ sich hingegen kein Ruß nachweisen. Womöglich wurden Ötzis Tattoos also mit einem silikathaltigen Gestein - etwa Granit - aufgetragen, so die Forscher.

Wozu sie dienten ist allerdings noch unklar: Statt schmückender Verzierungen könnte es sich auch um medizinische motivierte Hautzeichnungen handeln. Viele der Tätowierungen - zumeist Kreuze und Linienbänder - befinden sich an Körperstellen, die normalerweise von Kleidung bedeckt werden. Einige davon befänden sich zudem in der Nähe von Punkten, die heute bei Akupunktur benutzt würden, meint Pabst.


http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1001677


PS: Hä?? Granit zum Auftragen der Tattoos? Wie wär's mit nem Silexmesserchen???
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Re: Ötzi hatte Ruß-Tattoos

Beitragvon ulfr » 16.07.2009 15:43

Fridolin hat geschrieben:PS: Hä?? Granit zum Auftragen der Tattoos? Wie wär's mit nem Silexmesserchen???


Ich meine, die Tattoos sind punktartig aufgetragen, d.h. mit einer spitzen Nadel. Dafür kämen Knochennadeln oder Dorne infrage. Ich könnte mir vorstellen, dass der Granit(Staub?) dem Ruß als Träger beigemengt wurde, wie man es bei Malfraben ja auch gemacht hat. Haftet veilleicht besser? Oder verhindert Entzündungen?
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Re: Ötzi hatte Ruß-Tattoos

Beitragvon Jøran » 16.07.2009 17:55

Fridolin hat geschrieben:Einige davon befänden sich zudem in der Nähe von Punkten, die heute bei Akupunktur benutzt würden, meint Pabst.


Gewagt, gewagt... Ötzi, ein alter Chinese? :wink:

Hilsen

Jøran-N.
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Beitragvon Thomas Trauner » 17.07.2009 08:27

Ja, genau. Sein eigentlicher Name war Si-Mi-Laun...

Ernsthaft: Ich denke, Ulfr hat recht. Die Aufnahmen der Tattoos lassen schon den Schluß auf "Nadel" zu.
Silikat- hmm. So mancher Dorn könnte als Pflanze ja auch Silikat.....Die Asche könnte Pflanzenasche sein, Pflanzen -Silikate....

Verblüffend ist tatsächlich, aber das ist schon seit den ersten Veröffentlichungen bekannt, dass die "Markierungen" tatsächlich über abgenutzte Knochen/Gelenke des Mannes angebracht sind.
Armer Kerl.
Seine letzte Bekanntschaft mit etwas sehr spitzem war allerdings nicht gesundheitsfördernd... :roll: :shock: :shock:

Thomas
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Beitragvon Fridolin » 17.07.2009 10:58

Aua, es tut schon weh, wie der Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit von einem Schreiberling verfälscht werden kann (aber das hatten wir schon öfter).

Der Sachverhalt wird etwas klarer, wenn man das frei zugängliche Abstract von Pabst et al. durchliest (den Link gibt es am Ende des Beitrags http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1001677 )

... ?In some areas between the soot particles, different silicate crystals are present such as almandine and quartz, along with some not exactly definable crystals. The crystals possibly derived from stones of the fireplace from which the soot was taken for tattooing. Additionally, in the medial part of the right leg, putative ash particles were seen in the tattooed area.? usw.

grob übersetzt:
?In einigen Bereichen zwischen den Rußpartikeln befinden sich Silikat-Kristalle wie Almandin und Quarz zusammen mit einigen nicht weiter bestimmbaren Kristallen. Vermutlich stammen die Kristalle von Steinen der Feuerstelle an dem der Ruß für die Tattoos gewonnen wurde. Zusätzlich wurden vermutliche Aschepartikel in der Tätowierung des mittleren Teils des rechten Fußes detektiert.?

Almandin ist eine Granatart. Almandin kommt normalerweise nicht in Granit vor, sondern in metamorphen Gesteinen und - daraus umgelagert - in Sedimentgesteinen. Rein zufällig gibt es in den Ötztaler Alpen granatreiche Glimmerschiefer.....


Aus Granit oder Glimmerschiefer kann man keine scharfen Messerchen und erst recht keine feinen Nadeln schleifen. Was haltet Ihr von einer kupfernen Tätowiernadel?

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Thomas Trauner » 17.07.2009 11:47

Jap- Kupfer geht natürlich. Allerdings sind mir die transalpinen Gräber der Zeit nicht gegenwärtig....
Wenn aber in einem passenden Grab eine Kupfernadel mit dabei lag, wäre da sicher schon eine Meldung da, vor allem weil dies ja einen indirekten Rückschluß auf "Ötzi"s Zugehörigkeit zuließe.
Dorn oder sowas reicht eigentlich...oder nicht ?

Thomas

PS..tschulligung, ich kanns nicht lassen:
Nexte Meldung in der Zeitung:
Ötzi durch Granatsplitter ums Leben gekommen... :D :D :D
Thomas Trauner
 

Beitragvon Bullenwächter » 17.07.2009 12:23

Warum sollte man Kupfernadeln verwenden, wenn die Natur geeignete Tätowiernadeln liefert?

Zum Tätowieren eignen sich neben zahlreichen Pflanzendornen oder -stacheln auch Knochennadeln oder Silexklingen für Ritzungen.

Holger Junker probierte verschiedene, neolithische Tätowiermöglichkeiten und Farbstoffe auf eigener Haut aus und veröffentlichte die Ergebnisse in seiner Magisterarbeit. Am besten eigenten sich Dorne einer Pflanze, die mir aber nicht mehr genau einfällt.

Holger Junker: Aussagemöglichkeiten zu Tätowierungen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Magisterarbeit, Universität Hamburg, 2008 - www.lebendigesteinzeit.de

Allerallerletzte Meldung:

SKANDAL - ÖTZI WAR LITHOPHIL!
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
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Beitragvon Fridolin » 17.07.2009 12:59

Die Tätowiernadel aus Kupfer ist nur ein Überlegung. Denn ab dem Frühjungneolithikum (Schernau, ca. 4000 vC.) gab es ja die sog. Pfrieme (Ahlen) aus Kupfer und die sind nun mal multifunktional einsetzbar, s.a.

http://www.pfahlbauervonpfyn.tg.ch/imag ... pferpfriem


@ Thomas: Ötzi durch Granatsplitter ums Leben gekommen: grins....

Viele Grüße

Fridolin
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Beitragvon Thomas Trauner » 20.07.2009 07:54

Fridolin - du hast schon recht. Diese "Kupferpfrieme" tauchen in der Kupferzeit recht oft auf, der Gedanke liegt nahe. Möglich ist es.
Wie gesagt, ich kenne halt nur kein Grab mit Pfriem aus den in Frage kommenden südalpinen Kulturen.....was nix heißen soll...

Thomas
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Beitragvon Bullenwächter » 20.07.2009 08:03

Noch einmal kurz zu den Silikaten in Ötzis Haut, diese können auch von der Tatsache herrühren, dass die Tätowiertinte aus Ruß mit Öl oder Wasser angerieben und vor allem feingerieben werden muss. Falls dies auf einem Stein geschehen ist, könnte dies die Anwesenheit der Silikate in den Tätowierten Hautschichten erklären.

Zu kupfernen Tätowiernadeln: Ist Kupfer dafür nicht etwas zu weich? Ich kann mir vorstellen, dass eine feingeschliffene spitzenförmige Kupfernadel beim Druchstechen der Haut sehr schnell verbiegt oder stumpf wird. Wie würde es mit einer lanzettförmig geschliffenen Nadel aussehen?

Hat jemand von Euch Erfahrung mit kupfernen Pfriemen oder Nadeln zum Ledernähen? Ich denke, hierbei könnten wir am einfachsten und schnellsten ohne Tätowierversuche Hinweise dazu erlangen.
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Beitragvon der Daniel » 11.09.2009 16:49

Hallo,

ich bin der Daniel und hab eigentlich und auch uneigentlich überhaupt keine Ahnung von Archäologie.
Warum ich mich hier angemeldet habe ist eine wirklich berechtigte Frage.
Die Antwort findet sich in der Tatsache, dass ich momentan in den letzten Zügen meiner Abschlussarbeit des Studiums(welches sich ebenfalls in keinster Weise mit Archäologie beschäftigt) stecke und ich dort grob gesagt über das Thema "Tattoos" schreibe. (sollte jemand genaueres erfahren wollen - klickt er hier: http://www.tattoo-befragung.de )

Ich habe in einer Mitschrift des Bayerischen Rundfunks gelesen, dass Ötzi eine TÄTOWIERNADEL bei sich hatte - nun hab ich schon einiges an Literatur durch - aber leider nichts brauchbares mehr gefunden. (den oben angeführten Artikel kann ich leider nicht öffnen)
Da ich diese Mitschrift erstens nicht zitieren will, weil kein Autor im eigentlichen Sinne vorherrscht und zweitens ich nichts weiter über die Tätowiernadel gefunden habe hier die Frage an euch:
Habt ihr Zeitschriften in welchen auf die Tätowiernadel als Fundstück verwiesen wird?

Zu der Diskussion über Kupfer oder nicht, möchte ich folgendes (ob brauchbar oder nicht - und ohne mich auf die in der Dermis gefundenen mineralischen Rückstände zu beziehen) beitragen.

?There is some evidence that tattoing was carried out at least as long ago as the Ice Age, i.e. prior to 8.000 B.C. In caves and rock strata in many parts of the world, including France, Portugal, Roumania and Scandinavia, bowls have been found which show traces of black and red pigments together with sharp-pointed flints and needles made form reindeer antlers and other bone splinters? (Finke 1996, 32 nach Scutt / Gotch 1974, 22)

In der Moderne werden unter Tätowierungen ja "Kunstwerke" verstanden, welche 1000e von Nadelstichen vorausstetzen - aber Ötzi hatte ja "lediglich" 57 Einstiche - warum sollte das eine Kupfernadel nicht aushalten? Wenn man betrachtet mit welchen abstrusen "Werkzeugen" im Knast tätowiert wird... (mit einem Faden umwickelte und in Tusche getauchte Minenbleistifte z.B.)

Mit besten Grüßen

Daniel
der Daniel
 

Beitragvon Bullenwächter » 11.09.2009 18:14

Ötzi hatte eine Knochenahle bei sich, die sich nach Konrad Spindler auch als Tätowiernadel eigenen könnte. Außer der Beilklinge ist beim Ötzi keinen weiter Metallgegenstand gefunden worden. Die Nadel ist in der gängigen Fachliteratur über den Fundkomplex zu finden.

der Daniel hat geschrieben:In der Moderne werden unter Tätowierungen ja "Kunstwerke" verstanden, welche 1000e von Nadelstichen vorausstetzen - aber Ötzi hatte ja "lediglich" 57 Einstiche - warum sollte das eine Kupfernadel nicht aushalten?


Weil die Natur optimaleres Werkzeug liefert wie z.B. Dornen.

Ich würde Tätowierungen aber nicht grundsätzlich als "Kunstwerke" bezeichnen, es gibt auch kosmetische Tätowierungen oder welche mit eher technischem Charakter (zur Kennzeichnung, Blutgruppe etc...)
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Beitragvon der Daniel » 11.09.2009 20:10

Hallo Andreas,

vielen Dank für deinen Hinweis, nach Konrad Spindler hatte ich schon gesucht - jedoch fand ich im Deutschen Ärzteblatt nicht die Infos die ich gerne haben wollte... aber ich werd mal weitersuchen

Ich würde Tätowierungen aber nicht grundsätzlich als "Kunstwerke" bezeichnen, es gibt auch kosmetische Tätowierungen


ja - und wenn diese gelungen sind - wie zb das ersetzen einer Brustwarze nach einer Amputation - dann ist dass doch wahrlich ein Kunstwerk


zur Kennzeichnung, Blutgruppe


na Gott sei dank dass die Jahre 1933 bis 45 schon weit hinter uns liegen

aber nichts desto trotz hast du recht - Tätowierungen können viele individuelle Gründe in sich tragen - deswegen hab ich das Wort Kunstwerke ja auch in Anführungszeichen geschrieben.

Sorry wenn ich diesen Thread jetzt dem eigentlichen Thema entfremdet habe...

Beste Grüße

Daniel
der Daniel
 

Beitragvon ulfr » 11.09.2009 20:20

Nee, ist doch ok, Daniel. Es gibt obendrein noch medizinische Indikationen für Tattoos - Stichwort "Kauterisierung" oder "Kauterisation". Danach werden Tattoos auch an solchen Körperstellen angelegt, die "beschädigt sind", etwa durch Arthritis oder Rheuma etc...
Literaturstellen müsste ich nachsehen.
"Wenn Sie stolz sein wollen auf Ihr Volk, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers".
Hubertus Meyer-Burckhardt
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Beitragvon Blattspitze » 14.09.2009 08:04

Den verlinkten Artikel kann ich zwar nicht sehen, aber wie sicher ist im Ötzi-Fall überhaupt das tätowieren mit Nadel im Gegensatz zur Tatauierung (Wunde einschneiden und Farbstoff in die Wunde einbringen)?
Als "Nadel" wären im Übrigen viele Materialien geeignet, vornehmlich wohl Knochen, aber gehämmertes Kupfer funktioniert bestimmt auch.
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