Haute Cuisine aus der Steinzeit

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Haute Cuisine aus der Steinzeit

Beitragvon Fridolin » 29.07.2009 12:14

Haute Cuisine aus der Steinzeit

Archäologen finden bei ihrer Arbeit zwar jede Menge Essensreste - aber wie genau Steinzeit-Köche ihre Mahlzeiten dämpften und garten, das müssen Forscher mühsam im Experiment rekonstruieren. SPIEGEL ONLINE präsentiert jahrtausendealte Rezepte zum Nachkochen.
Wie bereitet man einen Eintopf zu? Im Topf auf dem Herd. Und bevor es Herde gab? Im Topf über dem Feuer? "Das ist eine denkbar schlechte Methode", sagt Jacqui Wood, "das wird jeder bestätigen können, der einmal längere Zeit mit bloßen Armen einen Eintopf über einem rauchigen Feuer umrühren musste."

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 07,00.html
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Beitragvon Bullenwächter » 29.07.2009 12:36

Aus meiner Erfahrung ist das Rühren eines Eintopfes in Keramiktöpfen auf dem Herdfeuer nicht problematisch. Ist der Kochlöffel zu kurz suche ich mir einfach einen langen Stock und rühre weiter :lol: Und Fleisch in einem verkrusteten Teigmantel aus der Herdglut ist meiner Meinung nach eine unnütze Vergeudung von wertvollem Brotgetreide.

Bin mal auf eine ausführlichere Publikation ihrer Arbeit gespannt.
The day may be near when we must kill to conserve.
"Dekmalschützer" Giles Cato in der MIDSOMER-MURDERS-Episode The House in the Woods
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Beitragvon Claudia » 29.07.2009 13:19

Ich finde auch merkwürdig, daß die Autorin das Rühren in einem Kochtopf für unangenehmer und schwieriger hält als das Rauspfriemeln glühender Steine aus dem Feuer, Entfernen der Asche und Befördern ins Kochgut.

Außerdem stellt man ja einen Keramiktopf auch nicht über das Feuer, sondern daneben. Irgendwie macht das alles den Eindruck, als hätte da jemand noch keine Erfahrung mit dem Kochen in Keramiktöpfen.

Und wenn man das Kochen vor der Erfindung des Keramik-Kochtopfes präsentieren will, ist es schon komisch, wenn zu einer Fischsuppe Milch, Sahne und Lauch verwendet werden, alles Produkte, die erst nach der Einführung der Landwirtschaft verfügbar wurden. Und Lauch hierzulande gar erst ab der römischen Kaiserzeit...
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Beitragvon Chris » 29.07.2009 19:25

Bullenwächter hat geschrieben: Und Fleisch in einem verkrusteten Teigmantel aus der Herdglut ist meiner Meinung nach eine unnütze Vergeudung von wertvollem Brotgetreide.


wer mal mit steinzeitlichem Gerät das Brotgetreide für eine Großfamilie gemahlen hat, kommt nicht auf solche schwachsinnigen Ideen... :argh:

die Fischgarmethoden im Tonmantel oder aufgespießt neben dem Feuer http://www.spiegel.de/img/0,1020,1597243,00.jpg sind prima, das schmeckt wirklich gut so :-)
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Beitragvon Claudia » 30.07.2009 08:24

Jo, Zeugs aus dem Tonmantel ist lecker und das verschwendet auch keine guten Nahrungsmittel :-)
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Beitragvon Roeland Paardekooper » 30.07.2009 16:35

Leider wird im Ausland immer nur Jacqui Wood zitiert, obwohl es Dutzende andere gute Autoren gibt, die tatsaechlich experimentiert haben und publiziert (die Meiste publizieren nicht).

Einige Tipps (nur deutssprachiche):
KAUFMANN, Dieter, HEEGE, Elke (1991) "Der linienbandkeramische Backofen von Eilsieben, Ldkr. Wanzieben: der archäologische Befund und sein Nachbau im Experiment". Experimentelle Archäologie, Bilanz 1991, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 6, 185-196.

KÜPER, Rudolph (1985) "Ein Blick in die Küche der Steinzeit". Archäologie in Deutschland, Volume 1:3, 20-23.

LINDEMANN, Mathias (2008) "Gargruben, eine Erklärung von eingetieften Feuerstellen?". Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2008, -, 49-65.

SCHEER, Anne (1995) "Fellkochen-Tauchsieder der Eiszeit". In: SCHEER, Anne, Eiszeitwerkstatt, experimentelle Archäologie. Blaubeuren: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren, 78-84.

WERNER, Achim (1992) "Weder Fast Food noch Vollwert: zur Ernährung der Menschen in der Steinzeit". Das Rheinische Landesmuseum Bonn, Volume 4, 49-ff.
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Beitragvon Claudia » 31.07.2009 08:50

Danke für die Tips, Roeland!

Es müssen auch nicht nur deutschsprachige Publikationen sein. Da die meisten von uns Englisch lesen können, wären Tips zu englischsprachigen Publikationen auch sehr willkommen :-)
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Beitragvon Roeland Paardekooper » 31.07.2009 09:04

Hier eine kleine Sammlung, aber rafiniere die Literatursuche links unten pro Land, Sprache oder Zeit:

http://www.publicarchaeology.eu/faceted_search/results/cookery

http://www.publicarchaeology.eu/faceted_search/results/food

gr.

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Beitragvon Claudia » 31.07.2009 09:22

Super, Danke!
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Zum Thema Prähistorisches Kochen hätte ich da noch was.

Beitragvon Andreas K. » 04.08.2009 14:39

Zuerst was eher populärwissenschaftliches:

?Tannahill: Food in History. London 2008 (nach der erneuerten Auflage 2002 mit kleineren Auslassungen)?

In einem der ersten Kapitel schreibt sie auch was zu Kochen in der UFG, darunter Kochen in Därmen und Mägen, Kochgruben und Kochsteine. (Seitenzahl weiß ich gerade nicht, aber es dürfte relativ einfach zu finden sein.)

Dann noch was wissenschaftlicheres:

?Vom Mammutfleisch bis zur Kartoffel?:

Alle Kochmethoden wurden anhand einiger weniger Befunde und zahlreicher ethnografischer Beispiele (die leider selten genannt werden) als wahrscheinlichste Methoden der UFG entwickelt.
S. 19 Ledersäcke zum Kochen
S. 37 Braten in der Glut, am Spieß, auf dem erhitzten Steinpflaster
S. 57f Abbildungen zu Kochen mit heißen Steinen in Lederbeuteln und in der Kochgrube
S. 58 Abb. zur Entwicklung des Kochens, hier mal in Zusammenfassung ohne die vermuteten Entwicklungsstränge in Auflistung:
Garen in Asche und Glut eines ebenerdigen Feuers;
Braten am Spieß;
Grillen auf Holzgittern;
Garen in Asche und Glut eines Grubenfeuers;
Braten von Fleisch und Rösten von Pflanzen auf glatten erhitzten Steinen;
Tiere mit heißen Steinen füllen;
Samen zwischen heißen Steinen Rösten oder in Körben zwischen heißen Steinen;
Nahrung aus Mehl auf erhitzten Steinen backen;
In ebenerdigen Erdöfen backen;
In unterirdischen Erdöfen backen;
In entwickelteren Backöfen backen;
Kochsteine in Körbe oder Rinden- und Holzgefäße;
Kochsteine in Behältern aus Fell, Tiermägen oder Leder;
Direkt über dem Feuer garen in Behältern aus Fell, Tiermägen, Leder oder Stein (Anmerkung von mir: z.B. Präkeramisches Neolithikum Jericho, Völkerwanderungszeit Skandinavien [Specksteinschalen und ?töpfe aus Birka glaube ich]);
S. 68 Beispiele zur Konservierung: Lufttrocknen, Salzen?, Rösten
S. 70 Abb. Rösten von Haselnüssen = unter dem brennenden Feuer vergraben (was für mich auch als Garmethode für andere Nahrung in Betracht käme)
S.241 Abb. als Bsp. für in Fellbehälter direkt über dem Feuer Kochen, Irische Reisegesellschaft bei der Rast, 16. Jahrhundert  Bsp. zur Langlebigkeit von ?primitiven? Zubereitungsmethoden
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Beitragvon ulfr » 31.08.2009 14:03

Ich hätte da noch:

Kulinarische Reise in die Vergangenheit
Scheiften des Kantonalen Museums für Urgschichte Zug 44, 1995

100.000 Jahre Esskultur
AFM Oerlinghausen/Kulturamt der Stadt Hanau 1996

Wood, Jacqui 2001: Food, drink and culinary practices in the european neolithic, in: Kelm, R. (Hrsg.) 2001: Vom Pfostenloch zum Steinzeithaus, AÖZA, S. 186-201
wobei Frau Wood wohl mit Vorsicht zu genießen ist :D
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Beitragvon Chris » 02.09.2009 07:34

die Diskussion über Kochen in Tontöpfen im Allgemeinen habe ich hierher http://www.archaeoforum.de/viewtopic.php?p=32368#32368 verschoben :D
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Re: Haute Cuisine aus der Steinzeit

Beitragvon Ragnar » 27.04.2014 14:11

Hätte da mal eine sehr spezielle Frage, was das Kochen mit heißen Steinen angeht: gibt es dazu eine Studie, oder hat jemand Erfahrung, wieviel Stein man braucht, um einen Liter Wasser zu kochen?
Was ich weis, füllt ein Wasserglas. Was ich nicht weis, einen Ozean
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Re: Haute Cuisine aus der Steinzeit

Beitragvon Trebron » 27.04.2014 14:33

Hallo Ragnar, das hab ich mich auch schon gefragt ! Da gibt es soooo viele Faktoren, die ineinander spielen: Größe des Topfes oder Beutels, Größe, Art und Temperatur der Steine....
Ich will das auch einmal probieren, aber meine Erfahrung wird dann eine andere sein als Deine, es sei denn, wir sprechen die Details ab und schaffen absolut gleiche Voraussetzungen.
Ich habe nur mal gehört, dass manche "heiße" Steine platzen, wenn sie ins kalte Wasser gelegt werden. Diese Splitter machen sich bestimmt nicht gut in der Suppe :4: Asche und Ruß aber auch nicht.
Beim nächsten Grillen lege ich mal ein paar Steine an die Glut und dann in einen Topf, mal sehen was passiert.

Ich denke schon, dass das Thema schon mal "wissenschaftlich " angegangen wurde, aber von wem ?
Vielleicht ist da was in den EXAR-Jahrgängen, die habe ich alle. Ich suche mal.
Wer nur zurück schaut, sieht nicht was auf ihn zu kommt
Uff pälzisch: wä blos zurigg guggt, sieht net was uff`ne zukummd
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Re: Haute Cuisine aus der Steinzeit

Beitragvon Ragnar » 27.04.2014 15:48

Danke, Trebron. Würde mir viel experementieren ersparen, wenn du etwas finden würdest. Ich denke, die Steine müssen schon einigermaßen homogen sein, damit sie nicht platzen. Wichtig ist auch, dass die Steine absolut trocken sein müssen, ehe man sie ins Feuer legt. Also keine Steine aus einem Bach, oder von einem Flussufer nehmen, da sie Wasser speichern, was sie dann im Feuer platzen lässt. Hab damit mal einen Ofen hochgejagt! Bei einem offenen Feuer währen die Folgen lebensbedrohlich gewesen. Sollte eigendlich bekannt sein, aber sicher ist sicher. Wie sich das im Wasser verhält, weiss ich nicht. Aber aus irgend einem Grund ist man ja von der Methode abgegangen. Trotzdem währe es interresant, etwas mehr darüber zu erfahren.
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