"Graben für Germanien"

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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon Hans T. » 08.03.2013 11:26

Der shz-Artikel nährt meinen Verdacht, dass die Ausstellung doch mehr effektorientiert konzipiert ist, als man bei der Zielsetzung "Aufarbeitung" meinen könnte.

Was die Rekos anbelangt: Jede Aussage in einem Forum, das auf wenige Sätze beschränkt ist greift per se zu kurz. Die 2008er Publikation ist auch bekannt. Ähnliches hat Thomas im Bz-Katalog unserer Sonderausstellung in 2000 bereits publiziert (natürlich nicht in diesem Umfang). Wenn ich sage, dass bei den 1930er/40er Rekos der Forschungsstand abgebildet ist, dann bezieht sich das auf die Ausstattungen. Die Botschaften völkischer Art laufen diffiziler. Dass das über Texte und Betitelungen und Interpretationen geht, erachte ich als bekannt, ja banal. Die Vermittlung der völkischen Botschaft geht über Zeichnungsstile, Haltungen der Figuren, Blickrichtungen, Komposition des Bildes, Frisuren etc. Wenn die bronzezeitliche Famile den gleichen Blut-und-Boden-Blick hat, in die Ferne schweifend, ernst - und natürlich von der Physiognomie her im Breker Stil.

Was mich übrigens bei der Schnurrock-Diskussion immer irritiert: Weshalb guckt eigentlich keiner auf die Figurinen? Da gibts einen Messergriff (Gottdorf) und es gibt Tänzerinnen in Stockholm. Keine Unterbekleidung, nur der Schnurrock. Auffallend wäre eher, weshalb es diese Darstellungen überhaupt gibt. Der Schnurrock war also kein Einzelstück, sondern ein spezifisches Kleidungsstück. Alles andere wäre an dieser Stelle zu weitgehend und eh nur Spekulation...(Party Girl.. ;-))

H.
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon pinguin » 10.03.2013 18:23

[quote="Jøran"]Hei,

mehr Informationen über die Ausstellung:

1. http://www.radiobremen.de/kultur/ausstellungen/graben-germanien104.html
und
2. http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_unterwegs/archaeologie-hakenkreuz100.html

Ausstellung ist eröffnet.
Viele Dokumente und Texte.
Ausstellungskatalog lesenswert.
Abseits des Hickhacks und der Polarisierung der Presse kann sie einen Ansatz für die weitere aktuell aus mehreren Blickwinkeln wichtige Diskussion bilden.
Besucht sie und diskutiert dann weiter :4:
pinguin
 

Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon Hans T. » 10.03.2013 18:48

Na dann hóffe ich mal, dass die gezeigten Objekte und Bilder nicht in die falschen Hälse kommen. Die Objekte sind ja authentisch, die Zuschreibungen waren bizarr. Wie gesagt, meine Befürchtung ist die falsche Verankerung mit exakter 180°-Wendung der Interpretion der Funde. Ah! Aus einer Nazi-Grabung! Sieht man doch, Hakenkreuzfibel!
Und es soll bloss keiner sagen, solche Kommentare gibts nicht.

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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon pinguin » 10.03.2013 18:49

7a5a3276.m.jpg
Besucht sie. Nach Strassburg und Trier ist es die dritte Austellung, die sich dem Thema widmet. Es wäre wünschenswert, dass es nach Bremen noch weitere und noch differenziertere Auseinandersetzungen gäbe. Vor allem für das Thema der Rekonstruktion von Identitäten -falschen zunächst - aber auch für den methodisch vertretbaren Umgang für archäologische Interpretationen heute wäre dies wichtig.
Dateianhänge
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon pinguin » 10.03.2013 18:54

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noch weitere Bilder..
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon pinguin » 10.03.2013 18:59

Hans T. hat geschrieben:Na dann hóffe ich mal, dass die gezeigten Objekte und Bilder nicht in die falschen Hälse kommen. Die Objekte sind ja authentisch, die Zuschreibungen waren bizarr. Wie gesagt, meine Befürchtung ist die falsche Verankerung mit exakter 180°-Wendung der Interpretion der Funde. Ah! Aus einer Nazi-Grabung! Sieht man doch, Hakenkreuzfibel!
Und es soll bloss keiner sagen, solche Kommentare gibts nicht.

H


Diskussion darüber ist wichtig. Rekonstruktion und Interpretation ist die Sache der Archäologie und nachvollziehbarer Methoden. Die Deutungshoheit muss bei uns liegen.
pinguin
 

Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon Hans T. » 10.03.2013 21:03

Eben. Und grad deshalb ist Betroffenheitskultur dazu eher schädlich. Aber ich wette, wenn wir eine Sonderausstellung zum Thema "Das Bild des vorgeschichtlichen Menschen - aktuell - " machen würden, bekämen wir keine Stunde Sendezeit... :5: :wink:

Gleichwohl, Bremen ist mir zu offsite. Der Katalog ist aber bei Theiss erschienen und müsste deshalb dieser Tage eintrudeln. Ich bin mir sicher, dass die Beiträge im Katalog mir näherstehen und qualifizierter sind als der Medienniederschlag, so wie aktuell gezeigt.

H
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Sv: "Graben für Germanien"

Beitragvon Jøran » 10.03.2013 22:46

Und warum zeigen die dort ein Nationaldenkmal? Das Oseberg-Schiff?
Und woher kommt das Modell?

Nun ja, ich hoffe mal, das Dank der Eröffnung nun endlich die Kataoge versendet werden.

Hilsen

Jøran-Njål

PS: Tusen takk Pinguin.
Jøran
 

Sv: "Graben für Germanien"

Beitragvon Jøran » 10.03.2013 22:50

Hans T. hat geschrieben:Der Katalog ist aber bei Theiss erschienen und müsste deshalb dieser Tage eintrudeln. Ich bin mir sicher, dass die Beiträge im Katalog mir näherstehen und qualifizierter sind als der Medienniederschlag, so wie aktuell gezeigt.


Das sehe ich genau så.

Hilsen

Jøran-Njål
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon S. Crumbach » 11.03.2013 10:49

Noch mal Presse:
http://www.welt.de/geschichte/article11 ... suche.html

Den Katalog gibt es auch über die WBG: http://www.wbg-wissenverbindet.de/WBGSh ... 34042.html
.... und ich warte auf die Post ....

Jøran:
Das Osebergschiff ist schon etwas sehr Spezielles.
Die Agumentation findest Du in Original-Quellen. Ich schicke Dir eine Literaturangabe per PN.
Für die Forschungsliteratur als Beispiel:
Schweizer, St. "Unserer Weltanschauung sichtbaren Ausdruck geben"; Nationalsozialistische Geschichtsbilder in historischen Festzügen, Göttingen 2007 S. 142 ff.
S. Crumbach
 

Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon Hans T. » 12.03.2013 00:29

Ich kann da einfach nicht ironiefrei bleiben.....bis in die 70er Jahre Professuren durch ex-Nazis besetzt? Wusstest du das, Fritz? Rudi, du auch nicht? Habt ihr da was verpasst, ihr Penner?

Ich glaub, da müssen wir den Welt-Volontären mal ein bisschen Geschichtsunterricht geben, also ich meine, einen nach 45, so zwanzig Jahre später. Oder so.

http://www.planet-wissen.de/alltag_gesu ... olte_g.jpg

H.
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon hugo » 12.03.2013 09:21

Jetzt muss ich doch noch meine subjektiven Eindrücke aus den Nachkriegsjahrzehnten anbringen. Anlässlich einer Felgenhauerexkursion nach Niedersachsen und Schleswig erlebten wir als junge Studenten in den 60igern des vorigen Jhs. Jankuhn live und waren von seiner fachlichen Souverenität angetan wie auch vom politisch sauberen Schietzel in Haithabu. Kurt Willvonseder überraschte uns bei einer Salzburgexkursion im von ihm neu gestalteten Carolino-Augusteum mit dem Vortrag einer Bachfuge auf einem Orgelpositiv bevor er mit der Führung begann. Meine Erinnerung ist also eher positiv besetzt. In abendlichen Bierrunden ergab sich dann das Bild einer mehrheitlich nationalsozialistischen Gesellschaft ab Mitte der 30igerjahre. Die offiziell straffällig gewordenen Nazis nutzten ihr Wissen über offiziell Unbescholtene aus, sich wieder zu etablieren. Heute nennt man das Erpressung. Erst mit Emeritierung dieser Generation und Öffnung der Archive war ein Umdenken möglich. 68 passierte da eher zufällig. Die Aufarbeitungsversuche sind auch nicht immer geglückt. So impliziert Otto Urbans Beitrag http://ufg.univie.ac.at/institut/geschichte/geschichte-1938-bis-1945/ leider auch wieder die Ideologiefrage zur kulturhistorischen Interpretation von Bodenfunden.
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Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon S. Crumbach » 12.03.2013 12:06

Nochmal Presse:
http://www.shz.de/artikel/artikel/schat ... thabu.html

Es ist eben die größte Wikingerausstellung in Deutschland, Jøran. Und es ging dem Artikel nach nicht um Archivmaterial, sondern mit Funde.

Ich habe Herrn Dr. Schietzel 2004 im Museum Haithabu getroffen, wo ich zusammen mit Jörg Nadler und einigen anderen an einer Vorführung von nachgefertigter Sachkultur etc. (Fischzentriert), beteiligt war. Ich fand es natürlich unglaublich spannend jemanden zu sprechen, der Karl Schlabow persönlich gut gekannt hatte. Beeindruckt hat mich in Gespräch die Haltung, daß nachgefertigte Gegenstände so gut gemacht und anschaulich wie möglich sein müssen, um in der Museumsarbeit zum Einsatz zu kommen. Jeder einzelne Gegenstand in der Auslage wurde begutarchtet und kommentiert, vom Textil bis zu kleinen Holzteilen (und dabei mußten dann einige Teile verschwinden, weil die exakte Holzart dafür in Haithabu nicht nachweisbar ist).
Mich hat das natürlich damals beeindruckt.
S. Crumbach
 

Re: "Graben für Germanien"

Beitragvon hugo » 12.03.2013 12:28

Sylvia, Dein letzter Beitrag bringt mich natürlich auf die Idee, persönliche, das Fach betreffende Erlebnisse in einem eigenen thread hier zu sammeln. War ein spontaner Einfall, was haltet Ihr davon?
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