Der "Trinkhorn-Mythos"

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Beitragvon Alsuna » 18.06.2008 17:46

Und noch ein Bild:

http://www.koelner-dom.de/typo3temp/pics/d12d0f2a10.jpg

Trinkhorn aus dem Frauengrab unter dem Kölner Dom. (Ziegenhorn mit Silberblech.) Müsste 6. Jhd. sein...
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Beitragvon Claudia » 18.06.2008 18:36

Auch aus spätkaiserzeitlichen Gräbern auf Seeland in Dänemark gibt es Hornfunde. Sie treten dort auch paarig in Frauengräbern auf. Bei einigen ist sogar noch was von der Hornsubstanz zu sehen. Alle (bzw. alle, die ich kenne) haben Beschläge für Schulterrriemen.

Aber für diese Hornrumschlepperei am Gürtel gibts wirklich keine Belege.
Traurigerweise gibt es Rekonstrukteure, bei denen diese Horn-am-Gürtel-Geschichte so sehr ins Hirn gesickert ist, daß sie Hörner mit den Tragriemenbeschlägen als Gürtelhalterung rekonstruieren (gesehen auf Postkarte im Museumsshop des Museums für Vorgeschichte in Dresden *grusel*).
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Beitragvon Alsuna » 19.06.2008 08:03

Ist denn der Trageriemen in einem Grab erhalten geblieben?
Kann man Rekonstruieren wie lang der Trageriemen gewesen sein muss, und somit auf die Trageweise schließen?
Das würde mich mal definitiv für meine Darstellung interessieren.
Alsuna
 

Beitragvon Steve Lenz » 19.06.2008 08:59

Ich würde anbetracht der Hornlänge(n) und Aufhängungsmonturen nicht zwingend von einem Trageriemen (für den Transport am Körper) schließen. Sondern eher für eine Vorrichtung zur Verwahrung an einem Haken (an der Wand, an einem Regal, o.ä.).
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Beitragvon Thomas Trauner » 19.06.2008 11:27

Du sagst es, Steve.

Ein gutes Beispiel, wie Mythen entstehen. Jemand schreibt "Trageriemen" und schon ist das so.

Ausweislich der Abbildungen (siehe Sylvias Posting) wurden die Trinkhörner, die selbst Ausdruck einer Mode waren, bei den Symbosien (Trinkfesten) verwendet. Sie hingen an der Wand. Sie liegen in Bestattungen auch nicht bei den persönlichen Ausstattungen, sondern beim Geschirr.
Die Hörner sind somit ans Haus gebunden, sie sind wirklich kein Bestandtteil der persönlichen Ausstattung.

Nochwas: Das "normale" Trinkgefäß in HaD-LtA ist eine flache Schale, die entweder mit einer "Tasse" als Schöpfgefäß oder mit den bis zu 2,5 Liter fassenden Hörner gefüllt wurde. Die Hörner sind wohl auch Vorratsgefäße, nicht zwingend Trinkgefäße. Gegen Trinkgefäße sprechen die nicht vorhandenen Standvorrichtungen. Es sind nur Aufhängungen dran.


Thomas
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Beitragvon Steve Lenz » 19.06.2008 11:36

Ich würde anbetracht der Hornlänge(n) und Aufhängungsmonturen nicht zwingend von einem Trageriemen (für den Transport am Körper) schließen.


Mein Deutsch ist mal wieder sub omnia porca. Ich meinte:

Ich würde anbetracht der Hornlänge(n) und Aufhängungsmonturen nicht zwingend auf einen Trageriemen (für den Transport am Körper) schließen.
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Off topic

Beitragvon marled » 19.06.2008 12:31

Steve L. hat geschrieben:
Ich würde anbetracht der Hornlänge(n) und Aufhängungsmonturen nicht zwingend auf einen Trageriemen (für den Transport am Körper) schließen.


Dann aber auch bitte ganz pingelig: in Anbetracht

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Beitragvon Fredewulf » 19.06.2008 12:41

Ich will einfach mal behaupten, dass man da nicht so einfach verallgemeinern kann. Dies mag für die Hörner von Hochdorf gelten, aber das merowingerzeitlichen Ziegenhörnchen vom Kölner Dom ist nicht gerade als Vorratsgefäß brauchbar und würde an Gürtel oder Trageriemen im Gegensatz zu den Auerochsenhörnern die Bewegungsmöglichkeit nicht sonderlich einschränken.
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Beitragvon Steve Lenz » 19.06.2008 12:45

Danke Marled - ich sollte vor dem ersten Kaffee echt nichts mehr schreiben! :stress:
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Beitragvon Nils B. » 19.06.2008 12:51

Der kärntner Bauer, auf dessen Hof wir vor 25 Jahren unseren Urlaub verbrachten, trug noch ein schmuckloses, wassergefülltes Rinderhorn mit einsteckendem Wetzstein am Gürtel, wenn er mit der Sense loszog. Kann die Erklärung des 'Horn-am-Gürtel-Mythos' vielleicht hier ihre Wurzeln haben? Und könnte nicht manches (nicht jedes!) Horn in antikem Fundgut genau dieselbe Funktion gehabt haben?
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Beitragvon Ragnar » 19.06.2008 14:01

So, jetzt mal wieder der Praktiker. Wenn ich Durst hab, wo geh ich dann hin?
Heute nicht mehr so das Problem, damals aber war ich von einem Gewässer abhängig, wo ich meine Trinkflasche ( Beutel) füllen konnte. Gesetzt den Fall, dass ich nicht in der Nähe meines Hauses unterwegs war, dass sowieso in
der Nähe vom Wasser stand. Wenn ich aber eine Wasserflasche(Beutel hab,
wozu brauch ich dann ein Trinkgefäss ? Wenn ich mich auf meinem Hof aufhalte, werde ich alle verfügbaren Behälter, aus denen ich trinken kann( einschliesslich meiner Hände) nutzen. Warum nicht auch ein Horn?
Unterwegs, ein kleiner Schluck aus einer Quelle,..... warum nicht?
Bruchsicherer als ein Tongefäss und leichter zu beziehen als ein entsprechendes Holzgefäss allemal.
Wenn man davon aus geht, das Rinder früher einen ganz anderen Stellenwert
hatten und nur wenigen reichen Bauern vorbehalten waren, sollte man lieber auf Schafs oder Ziegenhörnern zurück greifen.
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Beitragvon Claudia » 19.06.2008 15:16

Wie kommst Du denn darauf, daß Rinder nur wenigen reichen Bauern vorbehalten gewesen wären?
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Beitragvon Thomas Trauner » 19.06.2008 15:50

OK- Meine Aussagen beziehen sich auf die Eisenzeit von Hallstatt D bis La Tène A.
Meines Wissen liegen hier die frühesten Belege.

Trotzdem bleibe ich bei der ad hoc Definition "Schulterriemen" auch bei Frühgeschichtlichen Funden sehr skeptisch.

Thomas
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Beitragvon Ragnar » 19.06.2008 21:46

Da Rinder, damals wie heute nicht vom Baum fallen, sondern erworben werden müssen, ist das eine Frage von Geld oder entsprechenden Tauschobjekten. Sie sind auch nicht so häufig wie Schafe oder Ziegen gehalten worden, die auch vielleichter zu hüten sind.
Desweiteren kann man das schon aus der Tatsache heraus ersehen, das verzierte Trinkhörner in ein paar Gräbern von offensichtlich hochgestellten Persönlichkeiten gefunden worden sind. Sowas konnte sich nicht jeder leisten. Desweiteren sollte man bedenken, das nicht allertage ein Rind geschlachtet wurde. Sie wurden als Nutztiere gehalten, das heisst, sie wurden vor Pflug oder Wagen gespannt. Wenn sie dann geschlachtet wurden, waren sie schon recht alt und schwer zu beissen. Bei Schafen oder Ziegen sah das wohl etwas anders aus. Wieviele Lederfundstücke sind aus Rindleder?
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Beitragvon Chris » 20.06.2008 18:48

viele...............
Ausnahmen sind die Pelzcapes (Rind wärmt einfach nicht so schön wie Schaf, gell :wink: ) und zwei Mützen - dafür gibts einmal Ziege, einmal Hund; Rind wäre auch etwas steif dafür

die germanischen Schuhfunde sind alle aus Rind

die gesteigerte Verwendung von Ziegenleder für Schuhe ist ein eher auf die "Wikingerzeit" beschränktes Phänomen
Me transmitte sursum, Caledoni!
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