Evolutionspsychologie

Palaeozoologie, Palaeobotanik und alle archäologischen Hilfswissenschaften, sowie Methodendiskussionen innerhalb der Archäologie.

Evolutionspsychologie

Beitragvon Steinlaus » 26.07.2009 10:39

Die Suchfunktion liefert zu diesem Thema keine Funde und ich hoffe ich bin hier im richtigen Forumsbereich für so einen Thread.

Hier mal was zum "Warmlesen" aus der Laienpresse, also bitte nicht gleich nen Verriss posten, ist was zum Kaffee am Sonntagmorgen:

Zitat (aus dem Zusammenhang gerissen): Warum mögen Männer heute Frauen mit Miniröcken? - Weil Steinzeitfrauen mit langen Röcken stolperten und dabei die Babys töteten, die lange Röcke gemocht hätten.

Quelle:
http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b26 ... a2a09.aspx

und jetzt meine Frage:
Bei den meisten Lebewesen ist Empfängnisbereitschaft, Trächtigkeit/Schwangerschaft/Eibildung, Geburtstermin und Aufzucht der Jungen/Kinder an den Jahreszeitlichen Ablauf gekoppelt.
Bei uns modernen Menschengibt es eine "verdeckte" (Für sexuelle Signale und Fruchbarkeitsmarker könnten wir ja einen weiteren Thread wenn nötig eröffnen) und eher jahreszeit-unabhängige Fruchtbarkeit.
Wann hat sich das beim Menschen geändert ?
Gibt es Untersuchungen zum Geburtstermin der Frühmenschen (kann man das überhaupt nachweisen) ?
Steinlaus
 

Beitragvon Fredewulf » 26.07.2009 11:49

In den Tropen gibt es bekanntlich keine Jahreszeiten, höchstens eine Regenzeit und eine Trockenzeit. Eine Bindung der Paarungszeit an eine Jahreszeit ist daher nicht nötig.
Zumindest bei Schimpansen gibt es keine feste Paarungszeit, ihre Fruchtbarkeit genauso wenig von des Jahreszeit abhängig wie die des Homo sapiens. Bei den anderen Affen scheint das nicht anders zu sein. Ausnahme wie der Japan-Makake bewohnen die gemäßigte Zone.
Für Frühmenschen fehlen irgendwie die Daten. :wink:
Fredewulf
 

Beitragvon Steinlaus » 19.10.2010 00:12

Steinlaus
 

Beitragvon Blattspitze » 19.10.2010 12:34

Schöne links!
Evolutionäre Psychologen argumentieren nun, dass der Blick auf die Menschheitsgeschichte deutlich macht, dass der menschliche Geist an eine steinzeitliche und nicht eine moderne Umwelt angepasst ist.
...
Evolutionäre Psychologen argumentieren, dass Verhaltensweisen, die gut an eine steinzeitliche Umwelt angepasst sind, nicht zwangsläufig auch gut an eine moderne Umwelt angepasst sein müssen. Deswegen könne man in gegenwärtigen Kulturen Verhaltensweisen beobachten, die dem Reproduktions- und Überlebenserfolg von Menschen zum Teil radikal entgegenstehen.


Interessant. Wie lange gibt`s denn schon eine "moderne Umwelt"? Und wie lange noch?
Vielleicht stellt sich die Anpassung an eine steinzeitliche Umwelt langfristig als besser heraus.
(Ich alter Kulturpessimist) :neandi:
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Beitragvon LS » 19.10.2010 16:31

Warum verhaltet Ihr Euch bezüglich Wikipedia eigentlich wie Statler und Waldorf?
...Traut Euch doch einfach mal

PS: http://de.wikipedia.org/wiki/Muppet_Sho ... nd_Waldorf
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Beitragvon Blattspitze » 19.10.2010 17:45

Sie beobachten das Geschehen auf der Bühne von ihrer Loge aus. Kein Auftritt gefällt ihnen. Jeden und alles kommentieren sie mit sarkastischen Äußerungen und benehmen sich so, als sei ... das Allerletzte. Es gibt jedoch keine Show, die sie je verpasst hätten


Nimmst Du uns so wahr? Sind wir so?

Wiki-Rekrutierungsaufforderung?
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Beitragvon LS » 19.10.2010 21:08

"Greif zur Feder, Kumpel" hätte man früher gesagt... naja, halt irgendwie in die Tasten - und fühl Dich rekrutiert:-)

Ich denke, der von Euch bespottete WP-Artikel ist nicht so schlecht. Auf meiner Hitliste besonders grottiger Artikel stehen zum Beispiel
http://de.wikipedia.org/wiki/Projektilspitze
http://de.wikipedia.org/wiki/Bandkeramik#Religion

Wär doch n Heimspiel für Dich, oder...?

Gruß L
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Beitragvon Thomas Trauner » 20.10.2010 11:28

Vielleicht zur Ausgangsfrage:
Schimpansen, Gorillas und H.S haben keine "Paarungszeiten". (Bei Orang-Utans scheint es lt. meiner dürren Quellen wohl solches und solches Verhalten zu geben)

Ich nehme deswegen stark an, dass, da Menschenaffen und moderne Menschen betroffen sind, dies auf die gemeinsame Vergangenheit zurückzuführen wäre.
Einen Analogschluß zumindest auf Homo habilis und spätere Arten halte ich schon für zulässig. Bei Austrolopithecinen würde ich nicht wetten wollen.

Ich denke, dass die relative lange Tragezeit (Schimpansen 8, Gorillas und Menschen um die 9 Monate) durch die, na ja, Dauerpromiskuität des "Männchens" aufgeglichen wurde, um eine möglichst hohe Reproduktionsrate zu erzielen.
Dem kommt jetzt die ebenfalls vorhandene Dauerpromiskuität des Weibchens entgegen.
Auffallend ist aber auch, dass das Weibchen ja auch auf Sex zumindest ansprechbar ist, auch wenn kein Eisprung vorliegt.
Ergo denke ich, dass Sex letztlich im Prinzip als Kommunikationsmittel funktioniert, und damit die Gruppenbildung, die stärkste "Waffe" im "Kampf ums Überleben" fördert und stärkt.
Gleichzeitig bindet das Weibchen das Männchen.

(Natürlich ist mit diesen Überlegungen keine wie auch immer geartete Aussage über modernes Verhalten verbunden)

Ich denke, dass es quasi verschiedene, historisch aufeinander folgende Überbleibsel aus der Evolution gibt, die nicht folgerichtig oder gar zielgerichtet sind.
So wäre z.b. die Strategie der hohen Reproduktion wohl eher älter, da der Metabolismus und durchschnittliche Lebenserwartung der Hominiden eine solche Strategie an sich nicht nötig macht. (Es besteht ja eine Korrelation zwischen "Lebensgeschwindigkeit" und Anzahl der Nachkommen)
Die Evolutionsstrategie des laufenden Sexs wäre dann bei den "mittleren" Hominiden und den Affen eine der Grundlagen der Gruppenbildung und ermöglichte letztlich damit dann auch die etwas kompliziertere, doch etwas langwierige Aufzucht der Homosapiensbabys.

Klar, alles Annahmen.
Aber, so sehr ich die Einwürfe Goulds (siehe Wikipedia Hinweis) bezüglich der mangelnden Methodik in der "Evolutionspsychologie" nachvollziehen kann, einen echten Beweis kann es m.E. nie geben.
Der nötige Beobachtungszeitraum für ein Experiment ist einfach zu lang. Und noch viel entscheidender: Die anzunehmenden Umweltbedingungen sind so vielfältig und komplex, dass es eine "sicheren" Versuchsaufbau nicht geben kann......
Evolution bleibt deshalb wohl immer eine Theorie.
Wir können nur immer wieder versuchen, die hoffentlich zunehmende Anzahl an Einzelinformationen in eine schlüssige Reihe ohne zu bekommen.

Just my to braincells.....

Thomas
Thomas Trauner
 

Beitragvon Steinlaus » 20.10.2010 13:08

http://www.urmu.de/venusausstellung/index.asp

Urmutter contra Pin-Up-Girl – Sex und Fruchtbarkeit in der Eiszeit
Sonderausstellung Blaubeuren

Ich versuche mal inhaltlich wiederzugeben wie ich es verstanden habe:

"Alle noch lebenden archaischen Völker (Jäger & Sammler) besitzen irgendeine Form der Geburtenkontrolle, da eine unkontrollierte Zunahme der Kinderzahl die Sicherstellung der Ernährung der Gruppe in Frage stellen würde. Im Durchschitt kommt es bei den weiblichen Gruppenmitgliedern zu einer Geburt alle drei Jahre, so dass von einer ähnlichen Geburtenrate in der Alt- und Mittelsteinzeit ausgegangen wird. Erst mit Ackerbau und Viehzucht konnte ein größerer Bevölkerungsanteil an Kindern ernährt werden und die gewünschte Kinderzahl stieg deutlich an."

Ich denke die wahrscheinlichste Verhütungsmethode ist Abstinenz (z.B. in Verbindung mit einer mehrjährigen Stillzeit) wodurch die Sexualität als Kommunikationsmittel wieder deutlich eingeschränkt werden würde. Die jahreszeitlich unabhängige Empfängnisbereitschaft bleibt bei dieser Überlegung draußen vor.

Ich empfand die Sonderaustellung als sehr interessant, da Sie in erster Linie zeigt, das die Interpretation der Funde unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Prägung des Interpretierenden erfolgt und somit stark durch unsere moderne Kultur/Tabus/Sexualität beeinflusst ist, also alles andere als Objektiv ist.
Steinlaus
 

Beitragvon Thomas Trauner » 23.10.2010 14:34

Steinlaus, danke für den Hinweis. Mal davon abgesehen, dass ich ob der Aussage bzgl. der Geburtenkontrolle meine Zweifel habe, wäre m.E. die einzige Methode sicher nicht die Abstinenz....
Ausserdem hätte ja die Gruppenbildung bereits stattgefunden.
Aber ich denke, eine solche Aussage oder Überlegung wäre für die Ausgangsfrage wesentlich zu spät, wir würden uns ja im oberen Paläolithikum bewegen.
Diese zeitliche Distanz ist nach meiner Beobachtung der Literatur eines der häufig auftretenden unlogischen Argumentationsreihen derjenigen, die "in der Steinzeit" suchen, um moderne Fragen zu beantworten.

Als wir in Europa ankamen, hatten wir rund 110.000 Sozialgeschichte schon hinter uns.

Nur meine zwei Ideen.

Thomas
Thomas Trauner
 


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