Kennt jemand so ein Teil?

Träger der Kulturen der Völkerwanderungszeit bis zu den Anfängen des frühen Mittelalters

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Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon FlintMetz » 27.11.2013 17:09

Hallo zusammen,

Kürzlich ist in einem bayerischen FMA-Damengrab im lateralen Beckenbreich (wohl Tasche) ein Buntmetall-Teil rausgekommen, das uns noch Rätsel aufgibt. Länge total 31mm, Durchmesser der Hülse ca. 8 mm, L u. R. gelocht. Der anfängliche Verdacht einer "Bergkristallfassung" lässt sich wohl nicht halten, weil nur zwei Klammern da sind und diese unten offen sind ( nicht fragmentiert).
Wenn jemand sowas schon mal in einer anderen Funktion kennt, bin ich über jede Anregung dankbar.

Besten Grüße ...

Robert
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon enrohs » 27.11.2013 19:08

Hallo Robert,

ist denn die Klammer fest mit der Hülse verbunden? Wenn nicht, könnte ich mir eine zangenartige Funktion vorstellen. Ich kenne das Prinzip von einer Zeckenzange. Wenn man die Hülse über die Klammer schiebt, schließt sich diese fest. Was nun diese Frau mit einem Pinzettenähnlichen Gerät gemacht hat (im Beckenbereich!) möchte ich hier nicht näher besprechen. :lol:
Das ist sicher noch nicht die Lösung des Rätsels, eventuell hilft es ja weiter.
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon TZH » 27.11.2013 19:26

Sieht für mich sehr nach einem Kristbaumkugel-Aufhängung aus :D

Aber es könnte wirklich so funktioniert haben, also ich denke, dass diese "Zange" hat etwas an den Wand der Hülse aufgedrückt.
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Bullenwächter » 27.11.2013 20:26

Ich teile TZHs Ansicht und würde auch sagen: Rest der Aufhängung einer Bergkristallkugel, wie sie in der Merowingerzeit regelhaft auftritt.

Siehe u. a. Michael Herdick: Mit Eisen gegen die Angst, Tafel 4 gucksu hier http://cma.gbv.de/dr,cma,004,2001,a,01.pdf
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon FlintMetz » 28.11.2013 13:38

"Zeckenzange" ist eine gute Idee - das käme am ehesten hin. Die Schenkel und die Abschlusskappe auf der Hülse scheinen gelötet zu sein. Es waren definitiv nur zwei Schenkel und keine vier, wie es bei diesen Kristallhalterungen zu erwarten wäre. Aber es scheint wohl nichts "von der Stange" zu sein… :wink:

Vielen Dank und beste Grüße…

Robert
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Bullenwächter » 28.11.2013 17:42

Ich kenne bisher keine zeckenzangenähnlichen Geräte aus der MWZ. Alle Pinzetten (kosmetische Geräte) die ich bisher gesehen habe waren einfacher und ohne Manschette aufgebaut. Die Durchbohrung der Manschette des Teils auf dem Bild deutet mir eher auf eine Aufhängung hin wie sie bei den Bergkristallkugelanhängern vorkommen. Die fehlenden Bügel müssen nicht zwangsläufig mit der Kappe verlötet gewesen sein, sie können durch den durrch die Löcher gesteckten Aufhängedraht fixiert worden sein. Ich würde das Teil eindeutig in Richtung Schmuck einordnen.
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Ragnar » 29.11.2013 18:13

Hallo Robert
hier meine Theorie: die Hülse ist unten geschlossen(?), Buntmetal= Bronze (kann federhart sein)
also Feder, die Löcher sind für einen Halterungsbolzen ( da nicht mehr vorhanden, organisch, also Holz oder Knochen). Bergkristall möchte ich schon wegen der Bolzenlöcher ausschliessen. Wozu wären die gut?
Sollte sich nicht doch noch etwas finden, was in diese Hülse passt, muss man auch da von organischem Material aussgehen. Mir drängt sich ein Bild von einem Bündel Haaren oder Federn auf, ähnlich wie bei einem Gamsbart. Das könnte man schön mit dem Bolzen in der Hülse fixieren. Aber solange man kein ähnliches Stück findet, wird das wohl ewig ein Geheimnis bleiben. :5:
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon FlintMetz » 29.11.2013 21:57

Gamsbart wäre natürlich gerade für Bayern perfekt, aber ohne Vergleichsfunde würde ein Artikel darüber besten Falls in der Acta Archaeologica Curiosa landen. Es gäbe hier auch noch so Sachen wie die "Charivari-Ketten" - fester Bestandteil bayerischer Trachten mit jede Menge Krims-Krams-Anhängern dran - darunter auch organische mit Fassung.
@TZH: Christbaumkugelaufhängung war auch unsere erste Idee und eine Gegenüberstellung mit einem Original zeigte sehr viele, verblüffende Parallelen.

Schöne Grüße…

Robert
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Ragnar » 30.11.2013 18:22

Ich meinte ja auch, nur so ähnlich wie ein Gamsbart. Da es aus einem Damengrab stammt, ist es vielleicht etwas kosmetisches wie eine Puderquaste oder so. Die beiden Bronze(?)bügel geben dem ganzen Stabilität. Natürlich nur, wenn sie hart genug sind.
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Fredewulf » 01.12.2013 13:05

Damen der Merowingerzeit trugen oft merkwürdige Sachen ohne jeden praktischen Nutzen am Gürtel: Exotische Muscheln, spätantike Scherben, Tierzähne, Kettenhemdfragmente, Geweihanhänger oder die bereits genannten Kristallkugeln.

Gerade in den Taschen waren manchmal auch ältere Sachen römischer oder gar keltischer Herkunft, die wohl als Amulett dienten. Diese Sachen waren häufig auch schon beschädigt.
Es kann schon sein, dass dieses Bronzeteil gar nicht mehr vollständig und funktionstüchtig war, als es von der Dame in der Tasche mitgeführt wurde.

Bergkristallkugeln wurde ja eher am unteren Ende des Gürtelgehänge getragen.
Es sind auch alternativ zum Bergkristall gelegentlich andere noch exotischere Gesteine auf diese Weise gefasst worden: z. B. versteinerte Seeigel, Meteoreisen...
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Nika E.S. » 12.12.2013 15:12

Hast du noch Bilder von anderen Seiten?
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon Bullenwächter » 26.12.2013 20:17

Hier noch mal ein Bild, das meiner Meinung nach, meine Theorie der Aufhängung einer Kristallkugel von einem Gürtelgehänge stützt. Es handelt sich um eine gefasste Rauchqzarzkugel aus aus Flohnheim Grab 6 aus dem 7. Jh. Ich habe es vor ein paar Tagen im Historischen Museum Worms im Andreasstift aufgenommen.

Bild
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Re: Kennt jemand so ein Teil?

Beitragvon FlintMetz » 27.12.2013 17:46

Schönes Foto - Danke! Ich kenne diese Teile durchaus, kann mir aber nicht vorstellen, dass das meinige auch so was war. Aber denkbar ist vieles und eine genaue Antwort wird man wohl nicht herausfinden… Ich dachte eben nur, es gibt da vielleicht noch irgend eine Fundgruppe, die allgemein bekannt, MIR aber unbekannt ist (was bei der Zeitstellung durchaus drin ist :wink: ).

Jedenfalls vielen Dank nochmal für die rege Beteiligung und schöne Grüße…

Robert
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