'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Träger der Kulturen der Völkerwanderungszeit bis zu den Anfängen des frühen Mittelalters

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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Hans T. » 29.03.2012 23:06

Jetzt binde ich das Flickr-Bild dann doch ein.

Bild
http://farm1.staticflickr.com/185/44345 ... 94fa_b.jpg

Die kleine Wikipedia-Abbildung verführt einfach zu zu kleinteiligen Materialien.

Schuppenpanzer in der Weiter und der Länge sind nirgends in Darstellungen o.ä zu finden (soweit ich das beurteilen kann), bis Knielänge jedoch durchaus und auch häufig zu finden, von fränkisch-karolingischen Darstellungen angefangen bis eben zum Komplettsieg des Kettenhemdes.
Die Zeichnung (man gucke das grossformatige Bild an) zeigt deutlich ein flexibles, bewegliches "Schuppen"-material, das in Teilen "mitschwingt". Der aus meiner Sicht beste Vergleich wären allenfalls die Pteryges der Spätantike, da wohl meist in Zweierreihen und auch deutlich schmäler. Ich tippe wirklich auf organisches Material ohne ausdrücklichen Schutzzweck, tatsächlich wohl eher ein dreireihiger Rock aus Leder oder Stoffstreifen.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Beate » 30.03.2012 05:35

XorX hat geschrieben:Wenn man Rüstung mal außer acht läßt ( mir fehlen einfach die Belege für Schuppe in dieser Zeit und Lederrüstungen... naja, die können nix :1: ), dann fällt mir die Ähnlichkeit mit heraldischen Darstellungen von "Feh" auf. Also Pelz-Kleidung, die aus vielen kleinen ( bei Feh Eichhörnchen) und meist verschiedenfarbigen Fellen zusammengenäht wurde


Es gab wohl sowas wie friesisches Pelzkleid. Ich verlinke hier mal Michael Tegges Text: http://www.mittelalterlicher-friesenhof ... index.html

Mir ist bei meiner Recherche zur friesischen Kleidung im Frühmittelalter allerdings keinerlei HInweise auf sowas untergekommen.
Also vermutlich doch zwei verschiedene Sachen? Die Abbildungen im Stuttgarter Psalter lassen auf Rüstung schliessen. Auch beim Richter in der Lex Salica sind die Schuppen ja nicht so groß (Im Vergelich zu Gemälde in der Kirche).

Ich würde sagen, die Friesen auf dem Wandgemälde in der Kirche tragen was anderes, vermutlich aus Fell oder Leder. Schriftliche Belege besagen, dass die Friesen keine Rüstung trugen und dann haben wir den Nachwies der großflächigeren Verwendung von Pelz/Leder in der Kleidung (->Pelzkleid).

Also keine Kontiunität... meine Meinung. :wink:
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Nils B. » 30.03.2012 08:52

Also mir gefällt für die Illustration aus der Lex Salica auch die Interpretation von Felltafeln/Pelzkleidung am Besten, wie sie auch Xorx äußert.
Bei den kloppenden Friesen ist Beates Verweis an das 'friesische Pelzkleid' insbesondere im zeitlichen Kontext recht naheliegend.
Eine vermutete Kontinuität würde ich daher auch zugunsten einer darstellerischen Ähnlichkeit aufgrund ähnlicher Machart aufgeben.
***
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon LS » 30.03.2012 10:12

...sieht nach Lamellenpanzer aus, also sprich lose miteinander verbundene Segmente. In Mitteleuropa würde ich erstmal auf Stahl tippen, auch wenn überlieferte Lamellen nach den Alamannenpanzern bislang fehlen sollten (was ich aber nicht überblicke).

Grüße L

PS: Im Aufsatz von Becker und Riesch zu den Alamannenpanzern gibt´s weiterführende Literatur zu dem Thema.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Beate » 30.03.2012 14:21

LS hat geschrieben:...sieht nach Lamellenpanzer aus,


Welche Abbildung meinst du, Lex Salica, Stuttgarter Psalter, Malerei in der Kirche? Oder alle 3?

Bei der Wandmeleri in der Kirche ist mir aufgefallen, dass die Krieger barfuß sind. Interessant ist auch ein Vergleich mit einer weiteren Wandmalerei in der Kirche von Woldendorp, dito barfuß. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass amn Rüstung trägt, aber keine Schuhe.
(Direktverlinking des Bildes ist mir nicht möglich, bitte hier mal auf das kleine Bild klicken http://www.rainer-driever.de/ausstellun ... n-friesen/ ).
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon LS » 30.03.2012 21:05

Hallo,
die Darstellung in der Lex Salica fällt da sicher aus dem Rahmen, weil keinen Kämpfer zeigend.
Ansonsten will ich mich zu oben korrigieren, nachdem ich mir das im Arch.Korr.bl. angeschaut habe: die byzantinischen Darstellungen von Lamellenrüstungen zeigen viel dünnere Lamellen und die Fundstücke bei Alamannen und Franken sind auch sehr langschmal. Dürften also doch Schuppenröcke sein, d. h. die Segmente sind auf den Rock aufgenäht. Auch in diesem Fall geh ich von Stahlplatten aus, die Rüstungstradition war ja das gesamte Früh- und Hochmittelalter durch präsent.

Grüße, L.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Dago » 30.03.2012 22:02

Wobei ich einen Schuppenfund kenne, der vage auf das 9. Jhr. datiert ist ( Hünneburg beiHunnesrück).
Das Spannend ist, die Schuppe ist nicht aus Stahl, sondern aus einer Buntmetalllegierung.
Grüsse
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon hugo » 30.03.2012 22:21

Das ist eine ganz andere Zeitstellung, von der Ikonographie aber sehr ähnlich. Xorx war schon auf der Spur. Ich stieg auf Hermelin um, das auch von seiner Verbreitung her zu den Friesen passt. Feh aus Sibirien wäre im HM auch kein Problem. Seidig weicher Pelz lenkt eine Klinge besser ab als eine sperrige Bullenhaut und wär daher auch als Körperschutz brauchbar. Die Patchworkdarstellungen am Rest des Körpers erinnern mich an Ötzis Leggins. Wir wären damit bei frühem Friesennerz durch Hermelin ersetzt :)
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Kuerschner_zunftwappen_mb.jpg&filetimestamp=20081227173632

Grüße
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon LS » 31.03.2012 09:26

Tja Hugo,
wenn die schwarzen Hermelinschwänzchen auf den Röcken der Krieger zu sehen wären, dann würd ich Dir ja ohne weiteres glauben... ;-)
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon hugo » 31.03.2012 11:27

Leif,
auf dem einen Kürschnerwappen aus Schäßburg sind die Hermelinschwänze auch nicht zu sehen, dafür auf den Miniröcken im Stuttgarter Psalter. Das ist für mich zumindest ein Indiz in die Richtung Pelz.
Die Darstellung in der Kirche ist nicht ganz naturalistisch und möglicherweise mehrmals rerstauriert. Ich glaube auch nicht, dass der eine Kämpfer mundlos war.
Archäologische Quellen fehlen zu allen Interpretationen. Die Bildquellen schliessen die Pelzthese nicht aus.

Gruß aus dem grauen St. Hyppolith :49:
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Beate » 31.03.2012 11:58

Das Wandgemälde wurde vor einigen Jahren restauriert. Hier sind einige ältere Fotos vom Zustand vor der Restaurierung zu finden: http://kerken.eldoc.ub.rug.nl/root/W/Westerwytwerd/

Bisschen größer: http://www.geheugenvannederland.nl/?/in ... dering%29/

Beim Googlen habe ich ein weiteres Foto der Wandmalerei in der Kirche von Woldendorp gefunden, da steht auch noch eine Erläuterung drunter: http://home.kpn.nl/ogroke2/woldendorp_14.htm
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon hugo » 31.03.2012 12:40

Beate,
in Ergersheim wurdest Du mit einem Trüffelschwein verglichen. Das war sehr positiv gemeint, weil Du immer wieder versteckte Quellen aufstöberst.
Dass das Kampfmotiv geballt auftritt, lässt an einen mythologischen Hintergrund denken. Ich werde nach den anderen Darstellungen googeln und versuchen, die zeitliche Abfolge zu klären. In Woldendorp sind mit keine "Schuppen" aufgefallen. Schön langsam steigt der Verdacht hoch, dass alle auf ältere Vorbilder zurück gehen.

Gruß
hugo
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Beate » 31.03.2012 13:36

hugo hat geschrieben:Beate,
in Ergersheim wurdest Du mit einem Trüffelschwein verglichen.
:oops:

Ich bin halt ziemlich hartnäckig und gebe mich auch nicht so schnell zufrieden. :wink:
Kann aber auch negativ sein, wenn man nicht aufhören kann zu wühlen. :lol:

hugo hat geschrieben: In Woldendorp sind mit keine "Schuppen" aufgefallen. Schön langsam steigt der Verdacht hoch, dass alle auf ältere Vorbilder zurück gehen.



Man kann das auf den Fotos schlecht erkenne, am besten noch auf dem Foto, das ich schon gestern hier verlinkt hatte: in Woldendorp ist nur noch eine Reihe "Schuppen" an der Taille erkennbar.

Eine Umzeichnung ist auf dem Cover des Ausstellungsbandes "Die Friesische Freiheit des Mittelalters – Leben und Legende" -> http://www.gbv.de/dms/bs/toc/36459831x.pdf
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon hugo » 31.03.2012 13:54

Danke fürs Weiterwühlen. In der Umzeichnung sieht das nach Schlingen aus. Ich vermute stark, dass es sich um eine Szene aus dem AT handelt. Erkennbar sollte sie an der Gegenüberstellung von Lanze und Schwert sein. Ich besitze keine Bibel. Hat nicht Saul gegen die Philister gekämpft? David kann es nicht sein. Wenn wir ältere Darstellungen aus anderen Regionen dazu finden, lässt sich feststellen, ob übliche Ikonographie übernommen wurde oder friesische Tracht dargestellt. Das Patchwork lässt mich auch nicht los. Wird im AT nicht auch vom Umwickeln der Extremitäten mit Schaffellstreifen berichtet?
Jetzt hab ich mal nach Bildern von Saul und den Philistern gegoogelt. Mir ist noch immer speiübel von den Unmengen an grenzreligiösem Kitsch, die man dort findet. Brauchbares war nicht darunter. Wenn wir die Philisterpfeile bei Samuel durch Speere ersetzten, wären wir der Geschichte schon ziemlich nahe. Natürlich käme auch ein Heiliger aus dem NT in Frage. Solche Topoi halten sich oft über Jahrhunderte.
Damit wären wir weg von den Friesen, die auch für den Stuttgarter Psalter nicht Modell standen.
Weil ich mich hier schon terrierartig festgebissen habe, werde ich die Spur der Miniröcke aus dem Psalter aufnehmen, die sowohl aus Lamellen als auch aus Edelpelzen möglich wären. Bei näherer Betrachtung muss ich mich korrigieren, weil der Halsbereich darauf schließen lässt, dass Textilien über der Vollrüstung getragen wurden.
Das sind freie Assoziationen, aber über die Chaosmethode wurde ich schon oft fündig.
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Re: 'Schuppenröcke' und Kontinuität in der Darstellung

Beitragvon Hans T. » 31.03.2012 20:12

Wenn das eine Art "traditionelle Darstellung" eine biblischer Szene sein soll, hat da einer vielleicht die aus der Antike stammenden Pteryges falsch verstanden? Normalweise werden biblische Szenen ja immer in rezenter Ausstattung illustriert und "nur" mit bestimmten Symboliken versehen (zB Krummschwert etc). Jedoch findet man auch tradierte Darstellungen, die auf eindeutig antike Ausstattungen zurückführen. Klassiker wäre der St Florian, der zwar sowas von barock ist, aber dennoch antike Wurzeln hat.

Gleichwohl wird die Woldendorf-Variante auf 1350 datiert. Da waren lange Waffenröcke durchaus noch nicht völlig aus der Mode, auch wenn sie langsam kürzer wurden.
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